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Prozess

TMordnacht bei Scheeßel: Psychiater belastet Soldat Florian G. schwer

Der Angeklagte sitzt im Gerichtssaal im Landgericht Verden. Ende Februar soll das Urteil gesprochen werden. (Archivbild)

Der Angeklagte sitzt im Gerichtssaal im Landgericht Verden. Ende Februar soll das Urteil gesprochen werden. (Archivbild) Foto: Sina Schuldt/dpa

Was ging in dem 33-Jährigen vor, als er mutmaßlich vier Menschen erschoss? Ein wichtiges Gutachten liefert neue Details - auch zur emotionalen Kälte des Soldaten.

Von Wiebke Bruns Freitag, 21.02.2025, 18:35 Uhr

Verden/Scheeßel. Die Kriterien für eine Sicherungsverwahrung seien nicht erfüllt. Gleichzeitig stufte der Sachverständige den 33-Jährigen, der geständig ist, in der Nacht zum 1. März 2024 vier Menschen nahe Scheeßel erschossen zu haben, aber als voll schuldfähig ein.

„Er zeigt ein Gesicht, das nicht dem Gesicht entspricht, das er innerlich hat“, sagte der Mediziner über den Angeklagten. Wie es innerlich aussehe, konnte der Sachverständige aber nicht sagen. In Köpfe hineingucken könne auch er nicht.

Sachverständiger sieht „auffällige Persönlichkeitszüge“

Was er jedoch sieht, sind Hinweise auf eine „depressive Symptomatik“ und „auffällige Persönlichkeitszüge“. Einige seien „narzisstisch“, was aber keine psychiatrische Erkrankung darstelle. „Es ist ihm wichtig, als gut und kompetent wahrgenommen zu werden“, erklärte der Experte. Der Angeklagte zeige eine „emotionale Kälte“.

Die Trennung seiner Frau habe ihn „in seiner Lebensplanung erheblich erschüttert“. Es habe ihn „belastet und zu einer Hoffnungslosigkeit geführt“. Und wenn man dem Geständnis folgt, dann auch dazu, dass er nicht mehr leben wollte.

Die Diagnose des Sachverständigen lautet „depressive Anpassungsstörung“. Dies sei aber nichts, was eine verminderte Schuldfähigkeit begründen würde. Mit so einer Diagnose würde man nicht mal in einer Psychiatrie behandelt werden. „Die Tat ist völlig verrückt, aber das heißt nicht, dass der Täter völlig verrückt ist“, verdeutlichte der forensische Psychiater.

„Ich bin Ermittler, ich bin Richter, ich bin Vollstrecker“

„Für ihn war es eine ganz besondere Kränkung, dass seine Frau, die sein Kind im Bauch getragen haben soll, ihn betrogen hat mit einem anderen Mann.“ Dadurch sei sie „verbrannt“ für ihn, so habe es ihm der 33-Jährige diese Woche gesagt.

Vor der Tat habe der Soldat für sich entschieden: „Ich bin Ermittler, ich bin Richter, ich bin Vollstrecker.“ Und dass der neue Partner und die beste Freundin seiner Frau „nicht das Recht haben, weiter zu leben“. Das ist ein „dissoziales Verhalten und wer dissozial handelt, wird bestraft“.

Soldat spricht nicht von Fehler

Bei der Frage, ob die Voraussetzungen für eine Sicherungsverwahrung vorliegen, gebe es bestimmte Kriterien, aber nur einige seien erfüllt. So sei Florian G. fast ein Jahr nach der Tat immer noch der Auffassung: „Es war kein Fehler, er würde es wieder machen.“ Sehr leid tue ihm, dass er das dreijährige Kind getötet habe, aber auch „wie die Menschen ausgesehen haben, nachdem er sie getötet hat“.

Eindeutig „antisozial“ sei sein „Denkstil“. „Er denkt schon, dass die Meisten verstehen, wie er gehandelt hat.“ In einem der ersten Gespräche mit dem Sachverständigen hatte der Angeklagte gesagt: „Die Menschen, die ich verantwortlich mache, sind nicht mehr da. Seitdem kann ich besser essen und schlafen.“ Unterteilt habe er bei der Tat die Opfer in primäre und sekundäre Ziele.

Teilte er bei der Bundeswehr Opfer in Werte eines Kartenspiels ein?

Nun unterscheide er, wie es angeblich bei der Bundeswehr üblich sei, die Opfer in die Werte eines Kartenspiels. Das „Hauptproblem“ sei für ihn die beste Freundin seiner Frau gewesen. Dieses Opfer entspreche dem Ass und war am wichtigsten. Der neue Freund ein König. „Er sei da nur so reingeraten“, was er aber erst jetzt so sehe.

Die Eltern des 30-Jährigen betrachte er als Zahlen. Die 55 Jahre alte Mutter wurde im selben Haus in Westervesede erschossen. Der Vater hat überlebt, weil der Angeklagte ihn nicht entdeckt hatte.

Weil ein Beziehungskonflikt zu den Taten geführt habe, sei das Risiko für weitere Taten gering. Es sei zudem nicht wahrscheinlich, dass er in den nächsten 20 Jahren wieder in solch eine Situation kommt, merkte der Sachverständige am Freitag in Verden an.

Am 25. Februar sollen die Plädoyers gehalten und am 28. Februar das Urteil verkündet werden.

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