TRaus aus dem Wasser, paaren, sterben: Vom kurzen Leben einer Eintagsfliege
Eintagsfliege zwischen erster Häutung und der Geschlechtsreife. Foto: Reinhard Paulin
Eintagsfliegen sind ein Paradebeispiel für ein kurzes Insektenleben. Zuvor verbringen sie es unscheinbar und verborgen jahrelang im Wasser - und auf einmal drängt die Zeit.
Landkreis. Der Name sagt es: Eintagsfliegen leben nicht lange. Ihr Dasein als ausgewachsenes Insekt ist sogar auf wenige Stunden begrenzt.
Doch bei genauerem Hinsehen leben Eintagsfliegen viel, viel länger. Denn sie verbringen jahrelang ihr Leben als Larve im Wasser.
Das Larvenleben scheint nicht sehr ereignisreich zu sein: Über zwei Jahre hinweg weiden die meisten Larven an Steinen den Algenbelag ab. Andere Arten von Eintagsfliegen-Larven ernähren sich von abgestorbenen Substanzen.
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Nur wenige Arten leben räuberisch. So führen sie etwa 600, manche Arten 1000 Tage lang, ein anspruchsloses Unterwasserleben. Langsam fließende Bäche sind ihr Lieblingsort.
Hochzeitsflug muss genau getaktet sein
Doch dann ist es ganz plötzlich mit dem ruhigen Larvenleben vorbei. Ein Startsignal sagt ihnen: Jetzt hat es sich genug als Larve gelebt, jetzt beginnt das Leben an der Luft.
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Es dauert nur wenige Stunden, es eilt und alles muss haargenau passen: Flug, Balz, Paarung, Eiablage. Alle Larven, die sich gut entwickelt haben, kommen nun an die Wasseroberfläche. Und dieser Tag, an dem alles präzise ablaufen soll, muss perfekt sein: Es regnet nicht, es ist warm und windstill.
Wie auf Kommando häuten sich die Larven nachts gemeinsam ein vorletztes Mal. Sie besitzen nach der Häutung, wie andere Insekten auch, vier Flügel. Sie fliegen ein Weilchen, und der Flug in das neue Leben könnte nun richtig losgehen - doch bei Eintagsfliegen ist es anders.
Sie häuten sich nach einigen Stunden ein weiteres Mal, verlieren dabei ihre Flügel und bilden die zwei Flügelpaare neu aus. Nun erst beginnt der Hochzeitsflug der Eintagsfliegen.
Nach der Paarung sterben die Männchen
Die Männchen erheben sich einige Meter über das Gewässer. Gemeinsam fliegen sie auf und ab. Weibliche Eintagsfliegen umfliegen den Männchenschwarm, fliegen dann in ihn hinein.
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Sie suchen eilig ihre Partner, umschwirren ihn und paaren sich. Die Paarung dauert nur wenige Minuten, die Zeit drängt. Gleich nach der Paarung sterben die Männchen. Nun könnten die Weibchen sofort mit der Eiablage beginnen. Doch es gibt ein Problem.
Würden die Weibchen ihre Eier in dem Bereich auf der Wasseroberfläche ablegen, wo sie geschlüpft sind, dann würden die Eier vom Bach fortgespült.
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Damit die jungen Eintagsfliegen-Larven etwa dort schlüpfen, wo sich das Leben ihrer Eltern als günstig erwiesen hat, fliegen die Weibchen ein Stück bachaufwärts. Sie berechnen Strömung und Abdrift ihrer Eier bis zum günstigen Aufenthaltsort ihrer Larven. Hier erst legen sie während des Fluges die winzigen Eier ab.
Kunstlicht verändert den Rhythmus der Fliege
Ist die Eiablage erledigt, sterben auch die Weibchen. Ihre Mission ist präzise und minutengenau erfüllt, der Eintagsfliegen-Tag und ihr Leben in der Luft sind beendet. So etwa geht der Zeittakt vom Schlüpfen bis zur Eiablage, der von Art zu Art etwas unterschiedlich abläuft.
Die Larven der Eintagsfliegen spielen als Grünabfall- und Algenfresser in Gewässern eine wesentliche Rolle. Leider wirkt sich Kunstlicht in der Nähe von Gewässern auf Eintagsfliegen negativ aus.
Der Zeitpunkt des Schlüpfens und der Abflug morgens werden dadurch zeitlich verändert. Sie verlieren ihren zeitlichen Rhythmus. Auch auf Gewässerverschmutzung durch Nährstoffeintrag durch Überdüngung reagieren sie sehr sensibel. So werden Eintagsfliegen immer seltener.
Die Serie und das Buch
Was kreucht und fleucht in der Region? Wolfgang Kurtze, Vorsitzender der Lions-Naturschutz-Stiftung, schreibt über Phänomene und Kuriositäten in der Natur. Das TAGEBLATT veröffentlicht die Artikel des promovierten Biologen in loser Reihenfolge.
Die erfolgreiche TAGEBLATT-Serie „Phänomene der Natur“ rückt kurzweilig Wissenswertes aus der Natur in den Mittelpunkt. Der zweite, reich illustrierte Band von Wolfgang Kurtze ist für 19,90 Euro im Buchhandel erhältlich. Herausgeber ist die Lions Stiftung Stade zur Förderung des Natur- und Umweltschutzes.
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