TGefährliche Netzwerke: Wie Rechtsextreme und völkische Siedler sich ausbreiten

In Niedersachsen treten rechtsextreme Gruppen immer offensiver auf (Symbolbild). Foto: Sebastian Willnow/dpa
Rechtsextreme Gruppen werden in Niedersachsen immer sichtbarer. Sie unterwandern Vereine, versuchen Einfluss zu nehmen und propagieren eine rassistische Ideologie. Wie man das erkennt.
Landkreis Cuxhaven. Sie hissen Flaggen auf halbmast zu Hitlers Todestag oder veranstalten an seinem Geburtstag Aufmärsche, feiern die Sommersonnenwendfeiern, versehen Häuser und Höfe mit Runenzeichen wie der Wolfsangel oder stellen eine Irminsul auf, diese Säule stellt eine Erhebung der Germanen über das Christentum dar. Die Zeichen sind unmissverständlich, sie werden immer offensichtlicher - und dahinter stehen Menschen, die die freiheitlich-demokratische Grundordnung fundamental ablehnen.

Martin Raabe ist Vorsitzender des Vereins beherzt, der die Initiative Kreuz ohne Haken ins Leben rief und aufklärt über rechtsextreme Unterwanderungen und wie man sie erkennt. Foto: Kramp
Martin Raabe, Vorsitzender des Vereins beherzt aus dem Landkreis Uelzen, bringt in einem Vortrag Licht ins Dunkel des rechtsextremen Geflechts. Und dies in einer Zeit, „in der sich das Sag- und Wählbare weit nach rechts verschoben hat“. Raabe weiß von gezielten Strategien: „Sie suchen, schwärmen aus, finden und verbinden sich.“ Sie seien in Vereinen engagiert, versuchen, in Elternräten Einfluss zu nehmen, sitzen am Küchen- oder am Stammtisch und forcieren eine Entliberalisierung der Gesellschaft.
Breites Spektrum an rechten Gruppierungen
In zahlreicher Gestalt agieren diese Demokratiefeinde: Das Spektrum reicht von völkisch-nationalen Familien über Reichsbürger, Verschwörungstheoretiker, germanische Heilkunde und neue Medizin, Identitäre, Ludendorffer, Artamanen, Deutscher Mädelwanderbund, Sturmvogel, Volksgruppe indigenes Volk der Germanen, School of Bliss, Basis bis hinein in die AfD.
Martin Raabe verdeutlicht, dass zum Beispiel bei den völkischen Siedlern eine ethnisch, rassische homogene Volksgenossenschaft über allen Einzelinteressen stehe. Dieser völkische Kollektivismus stehe im Widerspruch zum Deutschen Grundgesetz. Ziel dieser rassistischen, nationalistischen und fremdenfeindlichen Gemeinschaft sei, die bestehende Ordnung zu ersetzen. Sie hätten eine Affinität zum Kampfsport und zu Waffen, sprächen zuweilen von gezielter Einwanderungspolitik und gezielter Verdrängung der einheimischen Bevölkerung. Bei Familientreffen und in Ferienlagern kommen sie zusammen. Sie bildeten ein unsichtbares Netzwerk und hofften auf eine Zeitenwende, in der ihre schlummernde Kultur zum Leben erweckt wird. In Niedersachsen seien sie vermehrt in den Kreisen Celle, Uelzen und Harburg zu finden.
Anastasia von esoterisch und antisemitisch
Relativ neu sei Anastasia, eine esoterische, ökologische, rechtsextreme und antisemitische Siedlerbewegung. Ihren Anhängern wird jeweils ein Hektar Land pro Familie zur Verfügung gestellt, auf dem sie einen Teich haben und Holz, Getreide und Gemüse anbauen. Die vegan lebenden Leute der Anastasia-Bewegung benötigen kein Geld, weil sie alles selbst produzieren. Sie leben in ihrer eigenen kleinen Welt.

Kreuz ohne Haken, angebracht im Kreishaus Cuxhaven. Foto: Reese-Winne
Laut Raabe spielt bei den rechten Bewegungen die Jugendarbeit eine maßgebliche Rolle, etwa beim Jugendverband Sturmvogel, der aus der verbotenen Wiking Jugend entstand. Kindern und Jugendlichen würden in Lagern und auf Fahrten umfassende Schulungen zur ideologischen Festigung geboten. Auch der Arbeitskreis für Lebenskunde bei den Ludendorffern widme sich der rechten Erziehung des Nachwuchses mit Wanderungen oder Volkstänzen. Hinzu kämen die auf rechtes Gedankengut zielenden Bildungseinrichtungen wie Lais School of Bliss.
Raabe verdeutlicht, es gebe einen erheblichen Anstieg von rechts motivierten Delikten und offener Hasskriminalität, die sich gegen Andersdenkende oder andere Nationalität oder Hautfarbe richtet.
Initiative „Kreuz ohne Haken“
Das gelb-magenta-farbene Holzkreuz mit der Aufschrift „Kreuz ohne Haken - für Vielfalt“ ist eine deutliche Absage an rechtsextremes Gedankengut und steht für eine tolerante Gesellschaft, für Demokratie und Respekt. Dieses klare Zeichen ist im Landkreis Cuxhaven auf Wachstumskurs. Immer mehr dieser Kreuze sind vor privaten und öffentlichen Gebäuden positioniert und zeigen klare Haltung. Hergestellt werden sie für diesen Raum von den Jugendwerkstätten der Paritäten.
Ihren Ursprung haben sie allerdings im Landkreis Uelzen. Dort wurde Ende 2018 die Gruppe „beherzt“ gegründet, weil vermehrt in den Heidedörfern beobachtet wurde, dass sogenannte völkische Siedler in die Region ziehen. Ihren Einfluss will die Gruppe eindämmen und dem Einfluss argumentativ entgegenwirken. Seit 2024 ist beherzt ein gemeinnütziger, bundesweiter Verein, der sich auf die Fahnen geschrieben hat, differenziert zu informieren, die demokratische Ordnung zu stärken und in die Lage versetzen möchte, sich zu positionieren.
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