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Landgericht Stade

TRentner halb totgetreten: Schläger plädiert auf Notwehr

Das Urteil soll am Donnerstag, 29. August, am Landgericht Stade verkündet werden.

Das Urteil soll am Donnerstag, 29. August, am Landgericht Stade verkündet werden. Foto: Sina Schuldt

Ein 29-Jähriger hat einen Rentner in Schiffdorf zu Hause überfallen und schwer verletzt. Nun wurden am Landgericht Stade die Plädoyers gehalten. Die Verteidigung sorgt mit einer Behauptung für ein Raunen.

Von Jan Iven Montag, 19.08.2024, 18:55 Uhr

Stade/Schiffdorf. Im Prozess am Landgericht Stade um einen versuchten Mord in Schiffdorf wurden am Montag, 19. August, die Plädoyers gesprochen. Angeklagt ist ein 29-Jähriger aus Bremerhaven, der im Februar 2023 einen 71-jährigen Schiffdorfer in dessen Haus überfallen und schwer verletzt hat.

Verteidiger bittet das Gericht um ein mildes Urteil

Im Verfahren hat der Angeklagte den Angriff eingeräumt. „Er ist ein junger Mann, der einen Fehler gemacht hat, den er sehr bedauert“, sagte sein Verteidiger in seinem Schlussplädoyer. Dem Angeklagten sei ein Stein vom Herzen gefallen, weil sich der Geschädigte erholt hat und sein Leben relativ normal weiterleben kann.

Sein Mandant habe die Tat gestanden, sich entschuldigt und eine Entschädigung in Aussicht gestellt, so der Anwalt. Geld könne den Schaden zwar nicht wiedergutmachen. Mehr als die angebotenen 2500 Euro könne der Angeklagte aber nicht zahlen.

Der Verteidiger verwies zudem auf familiäre Sorgen und die Drogensucht des Angeklagten. „Ich bitte daher um ein mildes Urteil“, so der Jurist. Zudem solle sein Mandant in einer Entziehungsanstalt untergebracht werden. Der Verteidiger betonte aber auch, dass sich der Überfall aus Sicht des Angeklagten anders zugetragen habe, als der Geschädigte es geschildert hat.

Überfall mit Notwehr: Das sagt der Angeklagte

Der Angeklagte hat vor Gericht eingeräumt, dass er den Rentner im Februar 2023 zu Hause angegriffen hat. Er sei an dem Tag ziellos und unter dem Einfluss von Amphetaminen durch die Gegend gefahren. Plötzlich sei ihm der Gedanke gekommen, seinen älteren Arbeitskollegen zu überfallen.

Und so klingelte er an der Haustür des Schiffdorfers. Als der Rentner ihm öffnete, sprühte er ihm Pfefferspray ins Gesicht. Dadurch stolperte der Mann und verletzte sich am Kopf. Trotzdem zog das Opfer nach Angaben des Angeklagten eine Pistole und schoss auf den Angreifer.

Der Angeklagte will sich daraufhin nur gewehrt haben. Sein Verteidiger spricht von Notwehr. Schließlich ließ der Angreifer von dem Rentner ab und flüchtete. Ohne etwas gestohlen zu haben, so sein Anwalt.

Brutaler Überfall im eigenen Haus: Das sagt das Opfer

Der Rentner berichtete den Tathergang allerdings anders. Demnach hat der Angeklagte ihn in seinem Haus brutal zusammengetreten. Die Ärzte stellten später ein gebrochenes Jochbein, ein gebrochenes Nasenbein, eine zerquetschte Hand, Platzwunden am Kopf, mehrere geprellte Rippen und ein Schädel-Hirn-Trauma fest. Ein Ohr war von den Tritten fast abgerissen worden und musste wieder angenäht werden.

Die Tritte gegen den Kopf des am Boden liegenden Mannes waren so heftig, dass er mehrfach das Bewusstsein verlor. Zudem leidet er seit dem Überfall unter Angststörungen und fühlt sich in seinem eigenen Haus nicht mehr sicher. Er befindet sich in psychologischer Behandlung.

Der Schiffdorfer berichtete zudem, dass der Angreifer Geld und Waffen gefordert hat. Der Waffenschrank war allerdings leer, da der Rentner den Inhalt – zwei Pistolen und zwei Gewehre – verkauft hatte. 200 Euro hat er dem Räuber überlassen. Nach dem Überfall habe er dann festgestellt, dass mehr als 1.500 Euro aus der Wohnung fehlten.

Die Staatsanwältin fordert eine hohe Haftstrafe

Die Staatsanwältin forderte in ihrem Plädoyer eine Haftstrafe von zwölf Jahren für den Angeklagten. So konnte sie keine strafmildernden Gründe erkennen. Viele seiner Aussagen hält sie für unglaubwürdig und widersprüchlich.

Es finden sich etwa keine Hinweise darauf, dass das Opfer auf den Angreifer geschossen hat. Im Haus gab es keine Spuren von Einschusslöchern oder entsprechenden Ausbesserungen. Zumal die Staatsanwältin davon ausgeht, dass ein Sportschütze auf kurze Distanz getroffen hätte.

Der Geschädigte sei hingegen glaubwürdig und habe keinen besonderen Belastungseifer gegenüber dem Angeklagten an den Tag gelegt. Der angezeigte Diebstahl des Geldes sei daher glaubhaft.

Widersprüchliche Angaben zum Drogenkonsum

Im Gegensatz dazu seien die Angaben des Angeklagten zu seinem Drogenkonsum im Laufe des Verfahrens sehr widersprüchlich gewesen. Unter anderem wären die Mengen, die er angeblich genommen hatte, teilweise tödlich gewesen. Die Staatsanwältin wies daher ein Gutachten zurück, das dem Angeklagten aufgrund einer Drogensucht eine verminderte Steuerungsfähigkeit bescheinigt. Auch eine Einweisung in eine Entziehungsanstalt hält sie für unnötig.

Der Anwalt des Geschädigten schloss sich als Nebenklägervertreter der Staatsanwältin an. Das angebotene Schmerzensgeld in Höhe von 2.500 Euro ist aus Sicht des Nebenklägers allerdings viel zu gering. Über die Summe wird daher voraussichtlich in einem weiteren Verfahren verhandelt.

Das Urteil soll am Donnerstag, 29. August, am Landgericht Stade verkündet werden. Zuvor hat der Angeklagte noch das letzte Wort.

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