Zähl Pixel
Prozess

TRevision verworfen: Urteil gegen Stader Imbiss-Mörder ist rechtskräftig

Ermittler auf Spurensuche auf der Terrasse des Renas-Grills.

Ermittler auf Spurensuche auf der Terrasse des Renas-Grills. Foto: Vasel

Der Fall hatte Stade in Atem gehalten: Der heute 29-jährige Täter hatte einen Mitarbeiter des Renas-Grills auf der Terrasse des Imbiss erschossen. Das Stader Landgericht verurteilte ihn zu lebenslanger Haft. Das Urteil ist jetzt rechtskräftig.

author
Von Susanne Helfferich
Samstag, 11.11.2023, 16:50 Uhr

Stade. Der damals 28-Jährige war an dem Septemberabend gegen 22.30 Uhr mit Waffe, Schalldämpfer und zwei Magazinen mit Munition im Rucksack und in Begleitung eines Bekannten zum „Renas Grill“ gekommen und fragte nach einem Mitarbeiter. Da dieser nicht da war, kam das spätere 23-jährige Opfer zum Tisch des Täters auf der Terrasse.

Ohne Vorwarnung schoss dieser dem jungen Mann zunächst in den Bauch und anschließend in den Kopf. Danach lief er in den Harschenflether Weg, um weitere Menschen zu töten, was vereitelt wurde. Drei Namen standen auf seiner Todesliste.

16 Verhandlungstage dauerte der Prozess vor dem Stader Landgericht, der am 13. Juni dieses Jahres zu Ende ging. Die 2. Große Strafkammer verurteilte den Angeklagten wegen Mordes in Tateinheit mit Führen einer Schusswaffe, versuchten Mordes in Tateinheit mit versuchtem Totschlag, gefährlicher Körperverletzung und Führen einer Schusswaffe zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe. Verteidiger Rainer Mertins kündigte noch am selben Tag an, Revision einzulegen.

Diese wurde nun vom Bundesgerichtshof verworfen. Damit ist das Urteil vom 13. Juni rechtskräftig. Ungeklärt bleiben die Motive des Verurteilten.

Todesschüsse vor Renas in Stade: Chronologie des Prozesses

16. Prozesstag: Schuldig des Mordes in Tateinheit mit dem Führen einer halbautomatischen Kurzwaffe auf der Terrasse des „Renas Grills“, schuldig des versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung sowie des versuchten Totschlags im Harschenflether Weg - so das Urteil der 2. Großen Strafkammer am Stader Landgericht nach 16 Verhandlungstagen. Aber: Freispruch vom Vorwurf des versuchten Mordes an dem Ersthelfer. Unterm Strich werden die Taten mit einer lebenslangen Freiheitsstrafe gesühnt. Nach der Urteilsverkündung erklärte der Verteidiger Rainer Mertins, dass er Revision einlegen werde.

15. Prozesstag: Mord und versuchter Mord auf der Terrasse des Renas Grills, zwei versuchte Morde plus gefährliche Körperverletzung im Harschenflether Weg - alles in Tateinheit mit unerlaubtem Waffenbesitz - so sieht es der Stader Staatsanwalt. Bei der Tötung des 23-jährigen Renas-Mitarbeiters führt Staatsanwalt Johannes Oertelt Heimtücke und niedrige Beweggründe als Mordmerkmale an. Die Verteidigung geht dagegen von Totschlag aus und ist irritiert.

14. Tag im Imbiss-Mord-Prozess: Dr. Harald Schmidt sieht keine Einschränkung der Schuldfähigkeit des 28-Jährigen.

14. Tag im Imbiss-Mord-Prozess: Dr. Harald Schmidt sieht keine Einschränkung der Schuldfähigkeit des 28-Jährigen. Foto: Vasel (Archiv)

14. Prozesstag: War der Todesschütze schuldfähig? Diese Frage sollte ein psychiatrische Gutachter klären. Der Angeklagte habe konsequent seine Ziele verfolgt, sagt der forensische Psychiater und Rechtsmediziner Dr. Harald Schmidt. „Es gibt keine Hinweise, dass die Steuerungsfähigkeit erheblich eingeschränkt war“, schlussfolgert der Rechtsmediziner. Auch sei das Handeln keine Impulstat gewesen. Er konnte zwar ein starkes Verlangen, aber keine körperliche Abhängigkeit von Rauschmitteln feststellen.

13. Prozesstag: Nach dem Mord beim „Renas“-Restaurant hatte er sich abgesetzt. Jetzt hat sich der geflüchtete Kurde vor dem Landgericht Stade geäußert. Zu den Hintergründen der Tat konnte oder wollte der 23-Jährige nichts beitragen. In der Mordnacht bekam er im Renas-Grill am Stader Stadthafen mit, wie der Angeklagte (28) nach einem der drei Männer auf seiner Todesliste fragte. Was sich auf der Terrasse abspielte, habe er nicht mitbekommen. Ein junger Mann sei in den Döner-Imbiss gekommen und habe gerufen: „Er hat geschossen.“ Der Zeuge selbst will keine Schüsse gehört haben.

12. Prozesstag: „Wir lieben ihn“, sagt die Frau des mutmaßlichen Renas-Todesschützen im Zeugenstand. Eigentlich sei ihr Mann ein friedlicher Mensch, der „nicht einmal einer Ameise wehtun“ könne. Sie habe lediglich eine Erklärung für die Tat: Der Angeklagte habe seit Jahren ein Alkohol- und Drogenproblem.

11. Prozesstag: Der Verteidiger des mutmaßlichen Todesschützen verliest eine Erklärung seines Mandaten. Der 28-Jährige räumt die Tat ein. Der 28-Jährige schildert, er habe weder den im Harschenflether Weg wohnenden Koch noch den Ersthelfer - einen freiwilligen Feuerwehrmann aus Stade - vor Ort töten wollen. Stattdessen nennt er drei Namen, die zweier Cousins und den des 23-jährigen Opfers - alle drei wollte er erschießen. Zu dem Motiv äußert er sich nicht: „Es ging nicht um Drogen und um Geld. Es ging um etwas Persönliches.“

10. Prozesstag: Eigentlich sollte im Imbiss-Mord-Prozess am Montagvormittag der psychiatrische Sachverständige Dr. Harald Schmidt sein Gutachten über den Angeklagten erstatten. Doch Verteidiger Rainer Mertins kündigte überraschend an, dass sein Mandant beim nächsten Termin aussagen werde. Möglicherweise werde sich der Angeklagte nach seiner Einlassung auch explorieren (untersuchen) lassen, so der Verteidiger. Daher verschob der Sachverständige sein Gutachten. Zwei weitere Zeugen wurden gehört: eine Polizistin und ein 28-Jähriger, der am zweiten Tatort im Harschenflether Weg war.

9. Prozesstag: Im Gericht wird ein Video des Tatabends gezeigt. Von der Tat selbst ist nichts zu sehen, dennoch zeigen die Aufnahmen, wie schnell das unbeschwerte Zusammensein im Restaurant in einer Katastrophe mündete. Vier Mitarbeiter sind im Grill. Einer, das spätere Opfer, geht nach draußen auf die Terrasse. Vier Feuerwehrleute essen und klönen. Es wird unruhig. Ein lautes Geräusch ist zu hören. Noch wird gelacht, dann wird es hektisch. Es wird nach der Polizei gerufen. Schnell verlassen die Leute den Imbiss. Ein Mitarbeiter versteckt sich.

8. Prozesstag: Am achten Verhandlungstag wurde der dritte Mann befragt, der in der Nacht des 19. Septembers am zweiten Tatort, im Harschenflether Weg, war. Ergiebig war die Befragung nicht, dafür bleiben viele Fragen offen. Trotz mehrfacher Nachfrage des Vorsitzenden, des Staatsanwaltes und des Verteidigers berief sich der 23-Jährige immer wieder darauf, sich nicht erinnern zu können. Alles sei „schwarz vor Augen“ gewesen und seine Psyche sei seither krank.

7. Prozesstag: Bei dem siebten Verhandlungstag im „Imbiss-Mord-Prozess“ von Stade musste am Freitag ein weiterer „Renas“-Mitarbeiter in den Zeugenstand. Der heute 28 Jahre alte Mann hatte nach eigenen Angaben in der Mordnacht bereits gegen 22 Uhr Feierabend gemacht. Ihn hatte der Angeklagte am späten Abend des 19. Septembers 2022 offenbar zuerst sprechen wollen. Warum der Angeklagte im Imbiss nach ihm gefragt und später auf den Neffen des Imbiss-Besitzers geschossen habe, konnte nicht geklärt werden. Auch die Frage, ob Drogenhandel eine Rolle spielte, blieb offen.

Kurz nach der Tat sperrte den Tatort in Stade ab.

Kurz nach der Tat sperrte den Tatort in Stade ab. Foto: Vasel (Archiv)

6. Prozesstag: Beim sechsten Verhandlungstag im Stader „Imbiss-Mord-Prozess“ kamen Mitarbeiter der Polizei zu Wort. Eine Polizistin berichtete von zwei der Polizei noch unbekannten Personen: Der eine sei sowohl bei „Renas“ als auch am Gasometer gewesen, der andere hatte die Polizisten am Harschenflether Weg „herangewunken“. Von beiden konnten die Beamten keine Personalien aufnehmen.

Die Obduzentin vom Institut für Rechtsmedizin in Hamburg stellte ihre Erkenntnisse im Gericht vor. Demnach war die Todesursache des „jungen, gesunden Mannes“ eine Summe der Befunde: der Kopfschuss und der „relevante Blutverlust“ durch Winkel in das Opfer eingedrungen - von rechts oben nach links unten im Körper, sagt Oberärztin Carolin Edler. Die Kugel blieb im vierten Lendenwirbel stecken. Der Schusswinkel deutet zumindest daraufhin, dass der Schütze von einer erhöhten Position abdrückte - zum Beispiel er stehend, das Opfer sitzend.

Auch ein ehemaliger „Renas“-Mitarbeiter (24) war als Zeuge geladen - er war in der Tatnacht an beiden Tatorten.

5. Prozesstag: „Es war wie im Krimi“, sagte ein Polizist am Dienstag im Landgericht Stade im Stader Imbiss-Mord-Prozess. Auch die Polizisten, Notfallsanitäter und Notärzte seien in „absoluter Lebensgefahr“ gewesen. Am fünften Verhandlungstag vor der 2. Großen Strafkammer beim Landgericht Stade sagten die Polizisten aus.

Um 23.43 Uhr sei der erste Alarm aufgelaufen - in der Leitstelle der Polizeidirektion Lüneburg. „Die Lage war sehr unübersichtlich“, berichtete der Schichtleiter (41) auf Nachfrage des Vorsitzenden Richters Berend Appelkamp. Von „Schüssen“ sei die Rede gewesen. Umgehend seien zwei Streifenwagen zum Renas-Grill am Stader Stadthafen geschickt worden. Beamte aus dem Einsatz- und Streifendienst wurden - über die Kreisgrenzen hinaus - alarmiert. Ein Spezialeinsatzkommando (SEK) war in der Nacht nicht mehr verfügbar, so die Beamten.

Die Ereignisse hätten sich schließlich überschlagen, denn am Harschenflether Weg gab es kurz nach Mitternacht einen zweiten Tatort - mit einem lebensgefährlich Verletzten (39). Ein Polizist sprach vor der 2. Großen Strafkammer von einer „unglaublichen Dynamik“ in der Nacht zum 20. September 2022.

4. Prozesstag: Als die Schüsse fielen, hörte er laute Musik in der Werkstatt. Dann stand sein blutender Nachbar vor ihm. Er sackte in sich zusammen und murmelte: „Er war mein Freund - und hat geschossen.“ Die Zeugen im Stader „Imbiss-Mord“-Prozess haben Schreckliches erlebt. Das ist auch beim vierten Verhandlungstag vor der 2. Großen Strafkammer beim Landgericht Stade deutlich geworden. Das Verfahren wurde unter starken Sicherheitsvorkehrungen fortgesetzt.

Nachdem er einem 23-jährigen „Renas“-Mitarbeiter in Brust und Kopf geschossen hatte, lief der mutmaßliche Mörder danach vom Hafen zum Harschenflether Weg am Gasometer. Dort wohne sein zweites Opfer, eines Kochs von „Renas“. Dort klingelte er und gab vor der Wohnungstür zwei Schüsse ab. Einer durchschlug den Unterkörper des Kochs. Schließlich entdeckte ein Nachbar den schwer verletzten Mann im Flur.

3. Prozesstag: Nach Worten des Zeugen vor der zweiten Großen Strafkammer des Landgerichts Stade sei er von dem Gewaltausbruch ebenso überrascht gewesen wie das Opfer selbst. Sein Freund habe an dem Abend auf der Terrasse des Restaurants unvermittelt die Waffe mit Schalldämpfer auf den Tisch gelegt, sie gleich wieder an sich genommen und dem 23-Jährigen dann in die Brust geschossen.

Zuerst, so der Zeuge, hielt er das alles für einen Scherz und die Waffe nur für eine Schreckschuss-Pistole, habe dann aber bemerkt, dass Qualm aus der Brust des Opfers kam. Als er aufstand, um Reißaus zu nehmen, fiel der zweite Schuss, der das Opfer in den Kopf traf. Da habe er, der Zeuge, noch am Tisch gestanden. Dann ergriff er die Flucht und hielt sich nachts an der Elbe auf, noch ganz durcheinander vom Gesehenen, geschockt und verängstigt.

Am Tattag waren sich die beiden befreundeten Männer zwei Mal begegnet: nachmittags waren sie verabredet, am Abend trafen sie sich zufällig vor dem Imbiss. Da sei ihm aufgefallen, dass der spätere Täter „total besoffen“ gewesen sei. Das verriet der schwankende Gang. Die beiden Kumpels setzten sich auf der Terrasse an einen Tisch. Kurz darauf stieß das spätere Opfer dazu, setzte sich ebenfalls.

Blick auf den Tatort: die Terrasse des Restaurants „Renas“.

Blick auf den Tatort: die Terrasse des Restaurants „Renas“. Foto: Vasel (Archiv)

2. Prozesstag: Als erste Zeugen wurden zwei Nebenkläger befragt: Ein 31-jähriger Feuerwehrmann war am Tatabend mit drei Kollegen gegen 23 Uhr in dem Lokal essen. Zunächst sei alles ruhig gewesen. „Doch dann wurde die Stimmung aufgeregter“, berichtete der Feuerwehrmann. Die Restaurant-Belegschaft sei hektisch geworden und habe immer lauter miteinander gesprochen. Als die Schüsse fielen, verbarrikadieren sich die Imbiss-Gäste im Lokal.

Als der Täter zunächst flüchtete und sich die Feuerwehrmänner um das Opfer kümmerten, sei der Täter plötzlich wiedergekommen. „Er hat die Waffe hochgehalten und auf mich geschossen“, so der Feuerwehrmann. Der Täter verfehlte die Männer.

1. Prozesstag: Der Prozess am Landgericht Stade begann am 16. Januar unter hohen Sicherheitsvorkehrungen. Im Zuschauerraum verfolgten Onkel, Tante und Schwager des Mordopfers den Start des Verfahrens sichtlich bewegt. Im Gericht und auch draußen kam es zu verbalen Auseinandersetzungen zwischen Opfer- und Täterfamilie.

Der Stader Staatsanwalt Johannes Oertelt verlas die Anklageschrift: „Ohne Warnung“ habe der 28 Jahre alte, in Kurdistan geborene türkische Staatsbürger seinem Opfer plötzlich in den Kopf und in die Brust geschossen, hieß es. Der Angeklagte zeigte zum Prozessauftakt keine Regung. Vorerst elf Verhandlungstage sind angesetzt. v

Die Redaktion empfiehlt
Weitere Artikel