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TRiesige Baustelle: Das plant Tennet in der Wesermarsch

So wird die Konverteranlage in Kleinensiel einmal aussehen. Foto: Tennet

So wird die Konverteranlage in Kleinensiel einmal aussehen. Foto: Tennet Foto: Tennet

In Kleinensiel erstreckt sich über eine Fläche von 16 Hektar eine gewaltige Baustelle. Der Netzbetreiber Tennet will hier die Energiewende voranbringen.

Von Christoph Heilscher Montag, 13.01.2025, 07:00 Uhr

Kleinensiel. Das Ziel der Bundesregierung ist es, bis 2030 mindestens 30 Gigawatt, bis 2035 40 Gigawatt und bis zum Jahr 2045 bis zu 70 Gigawatt Offshore-Windenergie in deutschen Gewässern zu installieren. Diese Ausbauziele sind im Windenergie-auf-See-Gesetz festgeschrieben.

Der auf See erzeugte Windstrom muss an Land gebracht und von dort weiterverteilt werden. Hier kommt Tennet ins Spiel. Der Strom wird von See als Gleichstrom über Energieseekabel ans Festland geleitet. Gleichstrom eignet sich besonders gut dafür, große Strommengen über lange Strecken zu transportieren, da die Verluste bei der Übertragung sehr gering sind.

Doch das Stromnetz an Land ist auf Dreh- beziehungsweise Wechselstrom ausgelegt. Das heißt, der Strom von See muss umgewandelt werden. Das wird bei Kleinensiel in zwei riesigen Konvertern geschehen. Jeder der beiden Konverter wird 5 Hektar bebaute Fläche in Anspruch nehmen und etwa 25 Meter hoch sein. Die Konverter werden weithin sichtbar sein. Solch gewaltige Gebilde lassen sich ohnehin kaum vollständig eingrünen. In Kleinensiel ist das aus Platzgründen erst gar nicht geplant.

Strom für 5 Millionen Haushalte

Um sich die Dimension klarzumachen: Hier werden Strommengen durchgeleitet, mit denen 5 Millionen Haushalte versorgt werden können. Und in der Wesermarsch ist noch ein weiterer Konverterstandort geplant, um Stromaus Offshore-Windparks ins Stromnetz einzuspeisen. Der entsteht bei Großenmeer.

Zurück nach Kleinensiel. Zurzeit sind dort etliche Bagger im Einsatz. Die heben eine Kleischicht von 1,60 Meter Stärke aus. Die Zugangsstraße zu dem Gelände ist bereits fertiggestellt. Im Juni 2025 sollen die Gründungsarbeiten beginnen. Anschließend erfolgt der Hochbau. Der wird mehrere Jahre in Anspruch nehmen. 2029 soll der erste Konverter in Betrieb gehen, ein Jahr später der zweite.

Parallel zu den Arbeiten auf dem Konvertergelände werden Leerrohre für die Gleichstromtrasse verlegt. Diese bilden die Grundlage für die spätere Stromübertragung. Die Kosten für den Ausbau des Stromnetzes werden auf die Netzentgelte umgelegt, die über die Stromrechnung von allen Verbrauchern getragen werden.

Der Konverterstation musste die Deichschäferei weichen. Die Wiesen waren von dem Deichschäfer für die Gewinnung des Winterfutters genutzt worden. Die Deichschäferei Flügeldeich bei Kleinensiel und die Deichschäferei in Sürwürden werden zusammengelegt. In Alse wird eine neue Deichschäferei gebaut.

Aushub wird für Deichbau verwendet

Wer mit dem Fahrrad südlich des Kraftwerks entlang fährt, dem fällt am Deich auf der landzugewandten Seite ein mehrere hundert Meter langer und einige Meter hoher Wall aus Klei auf, genau gesagt: 700 Meter lang, 50 Meter breit und vier Meter hoch. Dort lagert der Boden, der auf der Tennet-Flächeausgehoben wird. Der Deichband nutzt den Streifen als Kleidepot für Deichbaumaßnahmen.

Das Landschaftsbild wird sich durch das Tennet-Projekt bei Kleinensiel erheblich verändern. Wäre es nicht möglich gewesen, die Konverter auf dem KKU-Gelände zu bauen? Nein, heißt die Antwort von Tennet. Denn noch steht dort die Reaktorkuppel. Atomare Zwischenlager kommen hinzu. Es fehlt dort an Platz für die Konverter.

Umspannwerk wird ausgebaut

Allerdings befindet sich auf der Fläche bereits das Umspannwerk Unterweser. Dieses wird für die steigenden Energiemengen ausgebaut. Über das Umspannwerk wird der Drehstrom in das Höchstspannungsnetz eingespeist. Das Stromnetz zwischen Unterweser und Conneforde wird von 220 auf 380 Kilovolt ausgebaut.

Kleinensiel liegt an der Weser. Dennoch wird der Windstrom nicht über die Wesermündung zu den Konverterstationen kommen. Die Kabel von See unterqueren die Insel Baltrum, erreichen das Land bei Dornum in Ostfriesland und werden dann über Ostfriesland, den Landkreis Friesland und quer durch die Wesermarsch nach Kleinensiel geführt.

Je 165 Kilometer Seekabel und je 110 Kilometer Landkabel werden gelegt, um die Windenergie aus der Nordsee nach Kleinensiel zu leiten. Die Kabel kommen nicht aus der Nachbarschaft – aus Nordenham -, sondern aus Südkorea. Ein internationales Konsortium, bestehend aus den Firmen LS Cable & System (Südkorea), Jan De Nul und Denys (beide aus Belgien) hat bei der Ausschreibung den Zuschlag für die Produktion und die Installation der 2-GW-Kabel erhalten.

BalWin4 und LanWin1 sind Offshore-Netzanbindungen, die den Strom aus mehreren Windparks in der Nordsee bündeln. BalWin4 und LanWin1 können eine Leistung von jeweils 2000 Megawatt Offshore-Strom übertragen. Damit wird in Kleinensiel künftig weit mehr als das Doppelte der Strommenge weitergeleitet, die früher das Kernkraftwerk Unterweser erzeugt hat.

Wesermündung ist keine Option

Und warum wählt Tennet nicht den scheinbar einfacheren Weg für die Kabeltrasse durch die Wesermündung? Aus Sicherheits- sowie aus wirtschaftlichen Gründen. Die Nutzung der Wesermündung für Offshore-Netzanbindungen ist ausgeschlossen, da Wasserstraßen wegen etwaigen Reparatursperrungen sowie Marineaktivitäten nicht genutzt werden können, sagt Tennet-Projektkommunikator Tobias Biener.

Tennet baut in Kleinensiel die erste Konverterstation dieses 2-Gigawatt-Standards in Deutschland. Ein vergleichbares Projekt wird derzeit bereits in den Niederlanden realisiert. Die beiden Konverter werden zu den größten technischen Anlagen gehören, die es in der Wesermarsch gibt. Und wie viele Menschen werden dort arbeiten?

Niemand, antwortet Tennet auf diese Frage. Die beiden Konverter werden unbemannt betrieben. Nur zu Wartungs- und Reparaturarbeiten werden diese besetzt sein.

Stromtrasse durch den Kreis Stade

Auch im Landkreis Stade ist Tennet aktiv: Um Strom aus Wind- und Solarparks in Schleswig-Holstein nach Süddeutschland zu transportieren, baut der Netzbetreiber eine Stromtrasse. Die Strecke führt auch durch den Landkreis Stade, wo der Strom von Glückstadt aus in einem Tunnel unter der Elbe in Wischhafen geleitet werden soll. Die Bauarbeiten für den Elbtunnel wurden im vergangenen Jahr begonnen.

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