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Fachkräftemangel

TGroßer Andrang: Wie Geflüchtete Stader Betrieben helfen können

Marcel Korte (links) von KanalGeneral sucht Bauhelfer, Oleg Volovich, Feuerwehrmann aus Cherson, ist interessiert und IT-Ingenieur Hennadii Remizov (Mitte) leistet spontan Übersetzungshilfe.

Marcel Korte (links) von KanalGeneral sucht Bauhelfer, Oleg Volovich, Feuerwehrmann aus Cherson, ist interessiert und IT-Ingenieur Hennadii Remizov (Mitte) leistet spontan Übersetzungshilfe. Foto: Richter

Arbeit ist ein großer Integrationsmotor - und bei Firmen in Deutschland herrscht großer Mangel an Fachkräften: Das als Win-win-Situation zu nutzen, war die Idee der ersten Stader Jobmesse für Geflüchtete. Das hat gut geklappt. Warum nicht gleich so?

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Von Anping Richter
Mittwoch, 15.11.2023, 11:50 Uhr

Stade. Oleg Volovich sucht einen Job. „Fahrer oder etwas anderes, Hauptsache Arbeit“, sagt der Feuerwehrmann aus dem ukrainischen Cherson. Seine Deutschkenntnisse sind noch bescheiden. Seit einem halben Jahr ist er hier und wartet immer noch auf einen Sprachkurs. Zum Glück bietet ein Landsmann seine Unterstützung an: Hennadii Remizov, IT-Ingenieur und seit eineinhalb Jahren in Deutschland, kann übersetzen. Es gibt zwar einige Übersetzer vor Ort, aber an den insgesamt 18 Ständen bilden sich schon Schlangen.

Insgesamt sind 600 Interessierte zur ersten Stader Jobmesse für Geflüchtete gekommen, die das Integrationsbündnis „Niedersachsen packt an“ mit dem Jobcenter, dem Amt für regionale Landesentwicklung Lüneburg (ArL) und der Agentur für Arbeit auf die Beine gestellt hat. Um die Übersetzer effektiv zum Einsatz zu bringen, gibt es Zeitschienen, erklärt Harald Ottmar vom ArL: Erst sind die Ukrainer dran, danach Arabisch- und Persisch-Sprechende, und zuletzt gibt es zwei offene Stunden für alle Interessierten.

Anerkennung von Abschlüssen dauert vier bis fünf Monate

„Wir suchen einen Bauhelfer zum Anlernen“, sagt Marcel Korte von KanalGeneral aus Estorf. Für Oleg Volovich könnte das passen. Doch wenn Abschlüsse nötig sind, kann die Anerkennung lange dauern, räumt Anja Wode, Geschäftsführerin des Jobcenters Stade, ein: „Wir haben 284 Berufsabschlüsse, die einer Anerkennung bedürfen. Meist dauert das vier bis fünf Monate.“ Arbeitgeber dürfen auch ohne Anerkennung schon einstellen, merkt Dagmar Froelich, die Chefin der Agentur für Arbeit Stade, an.

Dagmar Froelich, Chefin der Agentur für Arbeit, Harald Ottmar, stellvertretender Leiter des Amtes für regionale Landesentwicklung, Landrat Kai Seefried und Anja Wode, Geschäftsführerin des Jobcenters.

Dagmar Froelich, Chefin der Agentur für Arbeit, Harald Ottmar, stellvertretender Leiter des Amtes für regionale Landesentwicklung, Landrat Kai Seefried und Anja Wode, Geschäftsführerin des Jobcenters. Foto: Anping Richter

Bisher lief die Arbeitsmarktintegration der Geflüchteten in Deutschland schleppend: 70 Prozent der ukrainischen Kriegsflüchtlinge haben einen Hochschulabschluss, aber nur 18 Prozent inzwischen eine sozialversicherungspflichtige Tätigkeit, weitere 6 Prozent einen Minijob. In Nachbarländern klappt es besser: Mehr als 70 Prozent der Geflüchteten in Dänemark haben inzwischen eine bezahlte Arbeit, in den Niederlanden mehr als die Hälfte, in Tschechien, Irland und Großbritannien sind es zwischen der Hälfte und zwei Dritteln. Warum hat Deutschland das nicht so gut hinbekommen?

Bundesregierung setzt auf neue Strategie namens Jobturbo

„Die strategische Ausrichtung war bei uns eine andere“, erklärt Dagmar Froelich. Erst einmal sei es um den Spracherwerb gegangen. „Bei uns sind die Integrationskurse das Nadelöhr“, sagt Anja Wode. Es mangelt an Deutschlehrern. „Im Landkreis Stade haben wir seit Beginn des russischen Angriffskriegs 4000 Menschen aus der Ukraine und 1000 aus anderen Ländern aufgenommen“, berichtet Landrat Kai Seefried. Die Bundesregierung setzt jetzt auf eine neue Strategie, den Jobturbo: Geflüchtete sollen möglichst schnell und nachhaltig in Arbeit gebracht werden. Arbeitgeber können dabei helfen, indem sie sich bei der Sprache etwas aufgeschlossener zeigen und Menschen beispielsweise auch schon ohne B1-Zertifikat einstellen, sagt Anja Wode.

Die 33-jährige Svitlana Baklai, die im April 2022 mit ihrem Sohn aus der Ukraine kam, hat gute Aussichten. Sie ist Metrologie-Ingenieurin. Das bringt bei Firma Kurotec Augen zum Leuchten. „Können Sie auch Isometrie?“ „Natürlich“, antwortet Baklai. Kurotec Stade hat mehr als 100 Mitarbeiter und stellt Rohre, Behälter und Sonderkonstruktionen aus Glasfaserverstärktem Kunststoff (GFK) sowie GFK- Verbundstoffen her. Sie beliefert internationale Chemieunternehmen, darunter die Dow. Es gibt Schwesterfirmen von Kurotec im sächsischen Schkopau, in Bulgarien und in Polen.

International aufgestellte Unternehmen sind froh über diese Chance

„Wir haben viel Arbeit und überall Personalmangel, vom Büro bis zur Produktion“, sagt Dorota Czaplinski, die bei Kurotec Personalerin für die polnischen Mitarbeiter ist. Mit Svitlana Baklai hat sie ein Vorstellungsgespräch vereinbart: „Sie kennt sich mit Messtechnik aus, spricht gut Deutsch, ist aufgeschlossen - das könnte ein Volltreffer sein.“ Auch Schekeb Tahery, Prokurist und General Manager von Kurotec Stade, zeigt sich von der Jobmesse angetan. Übersetzer kann er sich zum Teil sparen: Er spricht von Haus aus Persisch. „Eben habe ich jemanden eingestellt, einen Schweißer und Rohrleitungsbauer, der 2016 aus dem Iran gekommen ist. Er fängt am 4. Dezember an“, berichtet Tahery.
Bei Kurotec freut sich Dorota Czaplinski (links) über den Besuch von Svitlana Baklai. Eine Metrologie-Ingenieurin können sie dort gut gebrauchen.

Bei Kurotec freut sich Dorota Czaplinski (links) über den Besuch von Svitlana Baklai. Eine Metrologie-Ingenieurin können sie dort gut gebrauchen. Foto: Anping Richter

Auch IT-Ingenieur Hennadii Remizov zeigt sich mit der Jobmesse zufrieden. Der 42-Jährige, der vor eineinhalb Jahren mit Frau und zwei Kindern aus der Ukraine kam, hat schon ein halbes Jahr bei einer kleinen IT-Firma in Hamburg gearbeitet. Nun sieht er neue Chancen und Möglichkeiten.

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