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Norddeutschland

TRussland-Sanktionen: Was sie mit Bremerhavens Fischstäbchen verbindet

Ein Fischstäbchen wird in einer Pfanne gebraten.

Das Fischstäbchen wäre unter Umständen von russischen Sanktionen betroffen. Foto: Karl-Josef Hildenbrand

100 Prozent Alaska-Seelachs – was im Fischstäbchen steckt, weiß jedes Kind aus der Werbung. Doch der Wildfisch kommt auch aus russischen Fanggebieten. Ein Einfuhr-Verbot als Sanktion gegen Russland hätte Folgen für Bremerhavens Fischwirtschaft.

Von Maike Wessolowski Dienstag, 23.07.2024, 05:50 Uhr

Bremerhaven. Wenn die Deutschen einen Fisch lieben, dann heißt er Alaska-Seelachs. Denn aus diesem wird der Exportschlager Bremerhavens – die Fischstäbchen – gemacht. An jedem Werktagen werden etwa 10 Millionen von ihnen produziert, 2,3 Milliarden pro Jahr etwa.

Anders, als der Name vermuten lässt, kommt der Fisch in Gewässern der USA und Russlands vor. Welche Auswirkungen hätten also neue Sanktionen gegen Russland auf Bremerhavens Fischwirtschaft und das Stäbchen auf dem Teller?

2022 stammten noch rund 70 Prozent des in Deutschland verarbeiteten Alaskas-Seelachses von russischen Fangschiffen – wo landet er?

Aktuell verarbeiten vermutlich alle Industriebetriebe sowohl russische als auch amerikanische Ware. Das hängt vom Auftraggeber, also der Marke und der Verfügbarkeit auf dem Weltmarkt ab. Bedeutet: Wenn die Markenkonzerne für die Discounter-Eigenmarken produzieren, landet dort unter Umständen der russische Fisch, der im Markenprodukt nicht zu finden ist.

Sanktionen – worum geht es da genau?

Die „Welt“ hat die Frage aufgeworfen, welche Auswirkungen ein Verbot von Alaska-Seelachs aus Russland für den Weltmarkt hätte.

Gibt es konkrete Pläne?

Weder die Europäische Kommission noch der Europäische Rat planen konkret eine Sanktionierung von Fisch aus Russland. Litauen hat das Thema vorgeschlagen, sich dabei aber vor allem auf illegale Fischerei von Dorsch, Hering oder Sprotte in der Ostsee bezogen.

Wie schätzen Beobachter das Risiko einer Sanktion ein?

Momentan ist die Versorgung der Bremerhavener Verarbeiter mit Alaska-Seelachs und auch vom Kabeljau aus dem Pazifik und der Beringsee nicht bedroht. Die USA üben allerdings massiven Druck auf die EU aus, denn dort wird russischer Fisch schon ausgeschlossen.

Es geht wie immer uns Geld: Es bietet sich mit Sanktionen für die USA ein exklusiver Zugang zum europäischen Markt und die Chance, die Konkurrenz-Ware aus dem Markt zu drängen.

Wer wäre betroffen – der Marktführer Iglo?

Der größte Hersteller von Fischstäbchen ist Iglo (Nomad Foods) – mit Frozen Fish im Bremerhavener Fischereihafen vertreten. Der Konzern arbeite bereits seit anderthalb Jahren daran, seine Abhängigkeit von russischem Fisch zu reduzieren, erklärt ein Sprecher.

Doch der Alaska-Seelachs wird gebraucht – fürs deutsche Fischstäbchen allemal. In anderen Ländern landen auch mal andere Fische in der Panade: die Engländer mögen Kabeljau, die Italiener Seehecht – doch auch diese sind nicht im gleichen Maße verfügbar. Eine Sanktion würde das Fischstäbchen also teurer machen.

Was sagt Nachbar Frosta?

Frosta verwendet für Frosta-Produkte nur Fisch aus den USA. Der sei seit Kriegsbeginn schon etwa 20 Prozent teurer geworden. Felix Ahlers, Vorstandsvorsitzender des Tiefkühlkostherstellers Frosta, wünscht sich, dass man mit schärferen Sanktionen erst einmal bei Weizen oder Dünger ansetzt. Also Güter, die man im Gegensatz zu einem Wildfisch woanders anbauen oder einkaufen kann.

Wie steht die Deutsche See zum Thema?

Die Deutsche See ist Beobachter, aber kaum akut betroffen. „Wir beziehen Alaska-Pollack und Zander in sehr geringen Mengen aus Russland“, erklärt Sprecherin Martina Buck. Es handele sich um weniger als 0,5 Prozent der Gesamtimportmenge Deutschlands.

Die Filets, die die Kunden im Supermarkt kaufen können, seien andere Weißfischarten wie Seelachs aus Deutschland und Norwegen, Rotbarsch aus Island und Kabeljau aus Deutschland und Norwegen.

Kann man den Seelachs im Fischstäbchen ersetzen?

Bislang besteht es noch bei beiden großen Bremerhavener Herstellern aus Alaska-Seelachs als Hauptzutat. Für das Iglo-Schlemmerfilet beispielsweise wird aber auch der Süßwasserfisch Pangasius verarbeitet. Der stamme aus nachhaltiger Aquakultur und sei ebenfalls ein teurer Fisch.

Und was macht der Nachbar?

Frosta setzt beim Schlemmerfilet weiter auf Alaska-Seelachs. Die Frage sei, sagt Felix Ahlers von Frosta, was der Kunde akzeptiert, wenn sich der Geschmack verändert. Letztlich spielt auch der Preis eine Rolle. Frosta bietet als fischlose Alternative auch vegane Stäbchen an – mehr Produkte mit pflanzlichem Protein auf den Markt zu bringen, ist eine grundsätzliche Strategie des Unternehmens.

Will man den Seelachs im Fischstäbchen ersetzen?

Dr. Stefan Meyer vom Bundesverband der deutschen Fischindustrie und des Fischgroßhandels e.V: „Die Fisch verarbeitende Industrie in Bremerhaven setzt mit Alaska-Seelachs aus dem Nordpazifik eine erstklassige Rohware ein.“

Egal, ob russischen oder US-Fanggebiete – die Bestände seien in einem guten ökologischen Zustand und würden nachhaltig befischt, deshalb tragen sie das MSC-Siegel.

Die Prozesse, bis der Fisch nach Bremerhaven geliefert werde, seien „ein Musterbeispiel an Ressourceneffizienz.“ Deshalb wolle man auf das Produkt nicht verzichten. Die Branche lehnt die Sanktion ab.

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