TSanierungsfall: Wasserwerk am Leineweberstieg in Horneburg vor Abriss

Blick auf das 1924 erbaute und im Januar 1925 in Betrieb gegangene Wasserwerk des Flecken Horneburg am Leineweberstieg. Foto: Archiv Meyer
Es ist das letzte Zeugnis aus der Zeit kommunaler Betriebe im Flecken Horneburg. Nach dem Elektrizitätswerk wird jetzt auch das Alte Wasserwerk abgerissen.
Horneburg. Die Sanierung des früheren Wasserwerks am Leineweberstieg 12 wäre laut Bauamtsleiter Roger Courtault unwirtschaftlich. „Das würde uns bis zu einer Million Euro kosten“, rechnet Courtault vor. Allein die Sanierung des Turms würde 200.000 Euro kosten. Es gibt Schäden am Mauerwerk.
Geschichtsträchtige Immobilie reif für Abriss
Der Bauexperte im Rathaus verweist auf den Schimmelbefall. Eine Weiternutzung als Wohnhaus sei ohne umfangreichere Investitionen „nicht möglich“, so Courtault.
Das Gebäude stehe seit dem Tod der langjährigen Mieterin im Juni 2024 leer. Seit Jahresbeginn werden in der zweiten Wohnung auch keine Flüchtlinge mehr durch das Ordnungsamt der Samtgemeinde Horneburg untergebracht.
Unbebautes Grundstück ist besser zu Geld zu machen
Ohne die Erneuerung der gesamten Haustechnik inklusive der Heizung könnten die Wohnungen in den Erweiterungsbauten von 1927 und 1959 nicht weiter als Wohnraum oder von der Kommune genutzt werden. Weil bei der nicht denkmalgeschützten, knapp 100 Jahre alten Immobilie das Gebäudeenergiegesetz greift, müssten laut Courtault bei einer Weiternutzung auch das Dach, die Fassade und der Keller energetisch saniert werden.

Kaputtes Mauerwerk: Blick auf den Turm des Wasserwerks. Foto: Vasel
Der Bauamtsleiter plädiert für den Abriss. Geschätzte Kosten: etwa 50.000 Euro. Die müssten in den Haushalt 2025 eingestellt werden. Der Abbruch des ehemaligen Wasserwerks würde einen Neubau ermöglichen. Für den Flecken wäre es ohne Altbestand leichter, das 1443 Quadratmeter große Grundstück zu vermarkten. Für den Verkauf des Nachbargrundstücks hatte der Flecken im Jahr 2005 den „Wasserhügel“ mit dem Tank abgetragen. Heute steht hier ein Einfamilienhaus.
Die Sirene auf dem Turm soll auf das Dach der Grundschule am Leineweberstieg verlegt werden. Damit könnten laut Gemeindebrandmeister Torben Schulze der Wirkungsgrad und die Reichweite erhöht werden. Die Straßenbeleuchtung müsste in der Zukunft über einen Extra-Zählerkasten laufen. Bislang hängt die Stromleitung am alten Wasserwerk.
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Wasserwerk versorgte den Flecken Horneburg ab 1925
Für Ernst-Erich Meyer ist das Wasserwerk ein wichtiges Kapitel der Familiengeschichte. Er ist ein profunder Kenner der Historie. Sein Großvater Johannes Thoden war der erste Wärter (1924 bis 1946).

Der Großvater und der Vater von Ernst-Erich Meyer waren die Betriebsleiter des kommunalen Wasserwerks. Foto: Vasel
Nach dem Krieg übernahm sein Vater Erich Meyer die Betriebsleitung. Der Elektromonteur aus Sachsen-Anhalt hatte sich 1934 beim Einbau der neuen E-Motoren für die Brunnen- und Druckpumpen in die Tochter des Wasserwerkwärters verguckt.
Anfang 1914 habe es Überlegungen gegeben, ein Wasserwerk zu bauen. Doch der Erste Weltkrieg verhinderte die Pläne. 1923 startete der Fleckenrat den neuen Anlauf. Ein Jahr später wurde ein 32 Meter tiefer Brunnen gebohrt und ein Pumpenhaus errichtet.

Am 31. Januar 1925 besichtigt die Stader Regierung das Wasserwerk. Fünfter von rechts ist der erste Betriebsleiter Johannes Thoden. Foto: Archiv Meyer
Das erste Wasser floss am 24. Januar 1925. Doch auch in der Weimarer Republik wurde das Wasser streng kontrolliert. So sagte sich am 31. Januar 1925 die Stader Regierung zur Visite an. Der Medizinalrat gab das Trinkwasser erst acht Tage später frei. Zur Sicherstellung der Keimfreiheit sollten die Rohre gespült werden.

In den ersten Jahren standen noch keine Häuser neben dem Wasserwerk. Foto: Archiv Meyer
Das Wasser aus den Tiefen der Geest wurde in einen 200 Kubikmeter fassenden Tank gepumpt. Dieser lag unter einer dicken Erdschicht. Im Volksmund war von Wasserberg die Rede. Das Dorf lag 12 Meter tiefer, sodass das Gefälle für den notwendigen Wasserdruck ausreichte.
Windkraft sichert den Betrieb in Zeiten des Krieges
Bis zur Elektrifizierung trieb das Windrad Herkules auf dem Turm fast zehn Jahre lang allein die Pumpen an. Der Bedarf wuchs, 1928 und 1934 bohrten die Horneburger zwei weitere Brunnen. Im Zweiten Weltkrieg sicherte das Windrad bei Stromsperre den Betrieb. 1944/1946 wurde das Werk ein drittes Mal erweitert. Bei den Kämpfen um Horneburg nahmen die Briten den Flecken im April 1945 unter Beschuss. Das Windrad wurde leicht beschädigt.
Die Förderung wurde immer schwieriger. Ein 172 Meter tiefer weiterer Brunnen brachte 1953 keine Wende. Und so schlossen sich die Horneburger 1959 dem Wasserleitungsverband Altes Land an, der seit 1990 als Trinkwasserverband Stader Land firmiert. In Dollern war ein modernes Wasserwerk aus dem Boden gestampft worden, auch Meyer Senior wechselte den Arbeitgeber.

Abrissreif: Blick auf das ehemalige Wasserwerk am Leineweberstieg 12 in Horneburg. Foto: Vasel
Ende 1959 wurde das Horneburger Wasserwerk abgeschaltet. Im Winter 1959/1960 rückten Arbeiter der Maschinenbaufirma Witz mit dem Schneidbrenner an und stürzten Herkules vom Turm.

Blick auf das Wasserwerk mit Honoratioren am Leineweberstieg 12 im Januar 1925. Foto: Archiv Meyer