Zähl Pixel
Interview

TSchauspielerin Lea van Acken und die berühmteste Hose der Welt

Lea van Acken ist ab dem 3. Januar in der ARD-Serie „Levi Strauss und der Stoff der Träume“ im Ersten zu sehen.

Lea van Acken ist ab dem 3. Januar in der ARD-Serie „Levi Strauss und der Stoff der Träume“ im Ersten zu sehen. Foto: IMAGO/APress

Als „Anne Frank“ wurde sie bekannt, verkörperte die Jüdin 2016 in „Das Tagebuch der Anne Frank“: Zuletzt stand Lea van Acken für die ARD-Serie „Levi Strauss und der Stoff der Träume“ vor der Kamera.

Von Dagmar Leischow Montag, 30.12.2024, 05:00 Uhr

Hamburg. TAGEBLATT: Die Serie „Levi Strauss und der Stoff der Träume“ spielt im 19. Jahrhundert im wilden San Francisco. Hätten Sie Lust, sich mit einer Zeitmaschine dorthin zu katapultieren?

Lea van Acken: Ich finde es total spannend, durch meine Arbeit in die Vergangenheit zu reisen und diese aus einer spielerischen Perspektive erleben zu können. Allerdings weiß ich nicht so recht, ob ich wirklich gern in dieser Epoche gelebt hätte. In puncto Frauenrechte stehen wir jetzt besser da als damals, obwohl wir in diesem Filmprojekt eigentlich schon sehr moderne Frauen zeigen. Auf der anderen Seite waren manche Dinge früher auch besser. Die Industrialisierung hatte zwar bereits begonnen, doch die Umweltverschmutzung war geringer als heutzutage. Es hat eben alles sein Für und Wider.

Stichwort Frauen: Wie würden Sie Ihre Figur Annie Davis beschreiben?

Annie ist sehr mutig, sie steht zu ihren Gefühlen. Weil sie an die Erfindungen ihres Mannes glaubt, macht sie sich auf den Weg nach San Francisco, um die Produktion seiner Hose voranzubringen.

Der Vierteiler kreist um die Entwicklung der Blue Jeans. Sind Sie ein Fan dieser Hose?

Das war ich schon immer. Ich habe gerade eine 501 an, also die ursprüngliche Levi‘s. Während sie früher eine reine Arbeitshose war, ist sie inzwischen ein wandlungsfähiger Allrounder geworden. Ich könnte in meiner Jeans klettern gehen oder sie kombiniert mit passenden Kleidungsstücken sogar auf dem roten Teppich tragen.

Für ihre Erfinder Levis Strauss und Jacob Davis hat die Jeans dagegen die Erfüllung ihrer Träume symbolisiert, nicht wahr?

Auf jeden Fall. Die Serie handelt davon, an den eigenen Träumen dranzubleiben. Wenn man an etwas glaubt und sich dann mit seiner Familie oder seinen Freunden zusammenschließt, kann man selbst das erreichen, was vielleicht im ersten Moment unmöglich erscheint.

Bemühen Sie sich, Ihre Träume möglichst schnell zu realisieren?

Ich bin von Natur aus eine Träumerin und zugleich eine Anpackerin. Das heißt, wenn ich mir ein konkretes Ziel gesetzt habe, gehe ich bewusst Schritt für Schritt darauf zu. Dennoch sind manche Träume so groß, dass man sich gefühlt ein ganzes Leben lang in ihre Richtung bewegt.

Wovon haben Sie als Teenagerin geträumt, als Sie in einem Dorf zwischen Lübeck und Bad Segeberg aufgewachsen sind?

Mit 12, 13 entwickelte sich mein Traum, Schauspielerin zu werden. Manchmal bin ich durch den Wald gelaufen und hatte die absurdesten Ideen in meinem Kopf. Ich wollte in verschiedene Welten reinschauen. Das ermöglicht mir das Schauspiel nun. Kürzlich noch war ich Annie Davis, übermorgen verwandele ich mich vielleicht in eine Astronautin.

Werden Sie oft eins mit Ihren Protagonistinnen?

Ich lebe für eine gewisse Zeit sehr intensiv mit einem Charakter. Abends kommen kurz vor dem Einschlafen noch mal Gedanken hoch, die eigentlich der Figur gehören. Gleichwohl achte ich am Set darauf, dass ich in mir als Lea verwurzelt bleibe und aus mir heraus agiere. Wenn ich zwölf Stunden in meiner Rolle bleiben würde, wäre das ziemlich anstrengend. Eins mache ich nach dem Ende eines Drehs aber grundsätzlich: Ich nehme mir kurz Zeit, um mich von meiner Figur zu verabschieden.

Zum ersten Mal standen Sie 2011 als Komparsin in „Der Ölprinz“ bei den Karl-May-Spielen in Bad Segeberg auf der Bühne. Wie haben Sie das erlebt?

Ich durfte im Ziegenwagen fahren, das hat wahnsinnig viel Spaß gemacht. Total gut war das Miteinander, die Gemeinschaft. Ich wurde super lieb von den älteren Kollegen aufgenommen, sie haben mich wie eine kleine Schwester beschützt.

Sie haben bereits mehrfach im Ausland gedreht, zum Beispiel einige Szenen für „Das Tagebuch der Anne Frank“. War dieser Film bisher für Ihre Karriere am bedeutungsvollsten?

Anne Frank zu spielen, das war für mich die prägendste Rolle. Allein durch die Auseinandersetzung mit ihrer Person und dem historischen Hintergrund. Dieses Projekt wird mich ewig begleiten.

Anne Frank gilt als Symbolfigur für die Gräueltaten des Nationalsozialismus. Was bedeutet es Ihnen, sich politisch oder gesellschaftlich zu engagieren?

Ich glaube, gerade in Zeiten wie diesen wird das immer wichtiger. In einer Demokratie zu leben, bedeutet, sich zu engagieren. Von jeher war es mir ein großes Anliegen, mich gegen rechts auszusprechen. Ich versuche, mich aktiv für den Klimaschutz einzusetzen. Denn wir haben nur einen Planeten, auf dem wir leben. Von ihm hängt unsere Zukunft ab.

Wollen Sie mit Ihren Filmprojekten die Zuschauer für bestimmte Themen sensibilisieren?

Mit Filmen kann man Menschen emotionalisieren und möglicherweise sogar Veränderungen lostreten. „Levi Strauss und der Stoff der Träume“ erzählt eine Auswanderungsgeschichte. Weil Levi Strauss Jude war, werden außerdem Rassismus und Diskriminierung aufgegriffen. Dem gegenüber steht die Solidarität innerhalb der Familie.

Welchen Stellenwert hat Ihre eigene Familie für Sie?

Die Familie ist das, was einen in allen Situationen stärkt. Egal, ob es einem gerade gut oder schlecht geht. Das Wunderbare ist: Neben der Familie, in die man hineingeboren wurde, können ebenso Freude oder Menschen, die man auf seinem Lebensweg neu in sein Herz schließt, zur Familie werden. Ich denke sowieso, dass unsere Welt mehr Zusammenhalt braucht.

Aber fördern nicht das Internet und Social Media heutzutage eher Entfremdung?

Ich würde sagen: Das ist ein zweischneidiges Schwert. Positiv bewerte ich, dass man sich weltweit vernetzen, neue Freunde finden und sich mit allen möglichen Themen auseinandersetzen kann. Dem steht negativ gegenüber, wie viel Zeit die Leute am Bildschirm verbringen. Das fördert teilweise Vereinsamung. Deshalb ist ein bewusster Konsum wahnsinnig wichtig. Man sollte nicht den ganzen Tag online sein, sondern das Smartphone auch wieder beiseitelegen.

Ob Ukrainekrieg oder Wirtschaftskrise: Im Netz kann jeder alles recherchieren. Kommen Sie sich dabei als Individuum zuweilen völlig machtlos vor?

Klar. Aufgrund der Flut an Informationen denke ich manchmal: Oh Gott, es gibt so viele Probleme. In so einem Moment hilft es mir, mit anderen in den Austausch zu gehen. Mit Sicherheit schafft es eine einzelne Person nicht, die komplette Welt zu retten. Doch warum fangen wir nicht einfach mal bei uns selbst an? Schon eine noch so kleine Veränderung kann Dinge ins Rollen bringen. An diesem Credo sollten wir uns festhalten. Das schlimmste Gift ist nämlich Hoffnungslosigkeit, sie treibt uns in die Resignation.

Was wünschen Sie sich für 2025?

Dass der Rechtsruck bei der Bundestagswahl kleiner statt noch größer wird. Es wäre schön, wenn sich unsere Gesellschaft mehr in die Mitte und eher liberaler orientieren würde. Vermutlich ist dieser Wunsch unrealistisch … Aber vielleicht reden die Menschen zumindest miteinander und hören sich zu, um daraus neue Kraft zu schöpfen.

Zur Person

Lea van Acken wurde am 20. Februar 1999 in Lübeck geboren, sie wuchs in einem Dorf zwischen der Hansestadt und Bad Segeberg auf. Obwohl sie schon als Teenagerin Schauspielerin werden wollte, hat sie nie eine Schauspielschule besucht, sondern andere Schauspieler studiert. 2014 bekam sie ihre erste Hauptrolle in dem Filmdrama „Kreuzweg“, 2015 ergatterte sie in der fünften Staffel der US-Serie „Homeland“ eine Nebenrolle. Sie übernahm in „Das Tagebuch der Anne Frank“ (2016) die Titelrolle und wurde dafür mit dem Bayerischen Filmpreis ausgezeichnet. Ab dem 3. Januar ist sie in der ARD-Serie „Levi Strauss und der Stoff der Träume“ im Ersten zu sehen.

Persönlich

Mit Hamburg verbinde ich … Wasser.

Hamburger Schmuddelwetter bedeutet für mich … Regen und ein bisschen Wind.

Labskaus ist … nicht so ganz mein Ding.

Mein Lieblingsstadtteil in Hamburg ist … Eimsbüttel. Auch die Gegend an der Alster mag ich sehr.

Mein erster Eindruck von der Elbphilharmonie war … spektakulär. Ich war bei der Chanel-Show von Karl Lagerfeld.

Am Norden faszinieren mich … der raue Wind und das Meer. Ich liebe sowohl die Nord- als auch die Ostsee.

Weitere Artikel