TScheitert die Stader Energieregion an der Bürokratie?

Großer Auflauf im Harsefelder Rathaus: Wirtschaft, Politik und Verwaltung wollen das Thema Wasserstoff in der Region voranbringen. Foto: Strüning
Die Region Stade könnte eine starke Rolle spielen bei der Energiewende. Unternehmen wollen Millionen investieren. Doch sie stöhnen über erdrückende Bürokratie und hohe Energiepreise.
Stade. Der Termin. Klappt das noch mit der Energiewende in Deutschland? Schafft es der Wirtschaftsstandort, seine Industrie zu dekarbonisieren, also komplett mit grüner Energie und ohne CO2-Ausstoß zu versorgen? Wer am Dienstagvormittag im Harsefelder Rathaus genau hingehört hat, dem könnten ernsthafte Zweifel kommen.
Wasserstoff ist der Schlüssel zur Energiewende
Das Unternehmen Storengy hatte zum parlamentarischen Treffen eingeladen, um „Wasserstoff als Schlüssel für eine klimafreundliche Zukunft in der Energieregion Stade“ zu thematisieren. Storengy will in Ohrensen Salzstöcke nutzen, um Wasserstoff im großen Stil zu speichern. Die Redebeiträge der Gäste aus Hamburg, Berlin, Hannover und Stade hatten es in sich.
Die Voraussetzungen. Stade bringt offenbar gute Voraussetzungen mit, um in der Energiewende eine Paraderolle zu spielen. Darauf wies Landrat Kai Seefried (CDU) hin. Der Seehafen für Importe von grünem Gas, der Bau des LNG-Terminals im Chemie-Park, der Anschluss ans deutsche Wasserstoffkernnetz, grüner Strom aus der Offshore-Produktion und die Salzkavernen im Untergrund - das alles kann zu einem gedeihlichen Mix zusammenwachsen. Teilweise bedingt es sich sogar. Das kann auch helfen, die bestehende Industrie wie Dow, AOS oder Olin zu halten.
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Die geologischen Formationen mit ihren Salzkavernen seien weltweit einmalig und könnten das Wasserstoff-Reservoir für die ganze EU werden, um die energieintensive Industrie gleichmäßig mit grüner Energie zu versorgen, wenn es Nacht ist und Windflaute herrscht, also kein Wind- oder Solarstrom produziert werden kann. Das sagte Matthias Wunderling-Weilbier, Staatssekretär im Niedersächsischen Wirtschaftsministerium. Für ihn ist klar: „Wasserstoff spielt eine Schlüsselrolle bei der Energiewende.“ So weit so gut. Die Praktiker sehen ernsthafte Probleme.
Die Probleme. Die Bürokratie erschwert mögliche Investitionen im dreistelligen Millionen-Bereich. Zum Beispiel die Pläne von Hanseatic Hydrogen in Stade. Das Unternehmen der Buss-Gruppe aus Hamburg will im ersten Schritt im Chemie-Park Stade-Bützfleth 10.000 Tonnen grünen Wasserstoff produzieren. Die Kapazitäten könnten aufs Fünffache ausgebaut werden, sagte Sonja Leykam als Director Business Development der Buss Group. Die Sache hat einen Haken.
Grüner Wasserstoff - eine verdammt teure Angelegenheit
Grüner Wasserstoff ist offiziell nur dann grün, wenn der Strom für die Elektrolyse von zusätzlich gebauten Windkraft- oder Solaranlagen stammt. Alte Anlagen zählen nicht. Die Folge: 50 Prozent der Kosten des auch im Weltvergleich viel zu teuren Wasserstoffs aus Deutschland entstehen laut Leykam durch die Auflagen des Gesetzgebers. Dennoch hofft sie darauf, im nächsten Jahr mit dem Bau der Wasserstoff-Produktion starten zu können.

Gunnar Assmann, Projektleiter Wasserstoff-Speicherung bei Storengy, fordert vom Staat Zuschüsse, damit die Energiewende gelingt. Foto: Anping Richter
Eine stabile Anschubförderung vom Staat erwartet Storengy, um in Harsefeld-Ohrensen investieren zu können. Projektleiter Gunnar Assmann erklärt warum. Nächstes Jahr erwartet er die finale Investitionsentscheidung von Storengy für Ohrensen. Dann muss das geologische Risiko im Untergrund ermittelt und das Salz abgebaut werden. Das dauere acht Jahre.
Unternehmen entscheiden aber erst zwei Jahre vor Inbetriebnahme, ob sie wirklich Wasserstoff einlagern wollen. Storengy müsste eine riskante sechsjährige Hängepartie überstehen. Die öffentliche Hand müsse einspringen, sonst wird es wohl schwierig.
Wasserstoff-Speicher 1500 Meter unter der Erde
Storengy will in Ohrensen zwei Kavernen schaffen, um dort in 1500 Meter Tiefe insgesamt etwa 20.000 Tonnen Wasserstoff einzulagern. Das gelingt nur, weil das deutsche Wasserstoffnetz dort hinführt. Niedersachsen, so Assmann, könnte die Wasserstoff-Batterie für Europa werden.
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Prägnant ist auch das Beispiel vom Kupferhersteller Aurubis in Hamburg, einem extrem energieintensiven Betrieb. Unternehmensvertreter Dr. Holger Klaassen machte deutlich, was eine Umstellung von Erdgas auf grünen Wasserstoff kostet: das Drei- bis Fünffache an Energiekosten. Das ist im scharfen weltweiten Wettbewerb kaum darstellbar.
Die Ableitungen. Will Deutschland, will die EU die Dekarbonisierung und damit die Energiewende sicherstellen, müssen aus Sicht der Unternehmen Vorschriften massiv abgebaut und hohe Summen an Fördergeldern ausgeschüttet werden. Sonst klappt das womöglich nicht mit der Energiewende.

So funktioniert die Wasserstoffspeicherung in Salzkavernen: Grüner Wasserstoff wird über eine Transportleitung (1) in Hollenbeck angeliefert und über eine Anbindungsleitung (2) in die Anlage geführt, wo der Wasserstoff in der Kaverne (3) eingelagert wird. Über die Speicheranlage (4) wird Wasserstoff bei Bedarf wieder entnommen. Foto: Storengy
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