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Chemiepark

T„Schlag ins Gesicht“: Trinseo-Mitarbeiter in Stade geschockt von Schließungsplänen

Blick auf den Stader Chemiepark mit Trinseo, Dow, Olin und schwimmendem LNG-Terminal am Anleger.

Noch wird bei Trinseo produziert: Blick auf den Stader Chemiepark mit Trinseo, Dow, Olin und schwimmendem LNG-Terminal. Foto: Martin Elsen

„Wir sind geschockt“, sagt der Betriebsratsvorsitzende Bernd Guse angesichts der Pläne, die Trinseo-Produktion in Stade zu schließen. Auch Bernd Engel, Projektleiter für Standortentwicklung, zeigt sich überrascht. Eine kleine Hoffnung gibt es noch.

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Von Anping Richter
Dienstag, 19.03.2024, 05:50 Uhr

Stade. Die Trinseo-Belegschaft in Stade erfuhr erst am Freitag um 13 Uhr in einer Mitarbeiterversammlung von den Plänen, die Produktion in Stade einzustellen. Der Betriebsrat und die Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IGBCE) haben dafür kein Verständnis. Gewerkschaftssekretär Kim Fleischmann sagt: „Die Pläne des Konzerns richten sich gegen einen Standort, der in den Corona-Jahren schwarze Zahlen geschrieben hat und gegen die über 90 Beschäftigten, die gute Arbeit leisten.“ Grundsätzlich hielten sie die Argumente des Konzerns für vorgeschoben und fordern weitere Informationen.

Auf Nachfrage in Pennsylvania erklärt Trinseo-Sprecher Brian Risinger, die Pandemie sei ein Ausnahmezustand gewesen und spiegele die längerfristige finanzielle Geschichte des Werks davor und danach nicht wider. Die dauerhaft schwache Nachfrage in Europa und die Konkurrenz aus Übersee, die in den Markt dränge und die Preise drücke sowie die hohen Fixkosten des Betriebs hätten zu einer „herausfordernden finanziellen Situation“ geführt: „Und wir sehen nicht, dass sich diese Lage in vorhersehbarer Zukunft ändert.“ Andere europäische Chemiefirmen wie Evonik und BASF seien mit ähnlichen Problemen konfrontiert und hätten Konsequenzen gezogen.

Personalabbau und Hoffnung auf Recycling-Geschäft

Dabei hat Trinseo in Stade schon einen schmerzhaften Umbau für die Zukunft hinter sich. Er brachte einen Abbau von rund 120 auf jetzt etwa 90 Mitarbeiter mit sich, aber laut IGBCE auch Hoffnung für das Recyclinggeschäft: Im dritten Quartal 2023 habe der Konzern Stade als möglichen Standort für eine Polycarbonat-Recyclinganlage genannt. Jetzt das Verfahren zur möglichen Schließung einzuleiten, sei „ein Schlag in das Gesicht unserer Kolleg*innen“, sagt Fleischmann. Die IGBCE fordere das Management auf, sich ernsthaft für die Zukunft des Standortes einzusetzen statt eine vorentschiedene Prüfung für die Schließung durchzuführen.

Für den Betriebsrat sagt dessen Vorsitzender Bernd Guse: „Wir glauben an die Zukunftsfähigkeit des Standortes und werden für den Erhalt der Arbeitsplätze kämpfen.“ Die Standortvorteile sprächen für sich. Guse liegen auch die Auszubildenden von Trinseo am Herzen: „Wir wollen dafür sorgen, dass sie ihre Ausbildung vernünftig zu Ende machen können.“

Droht jetzt ein Domino-Effekt im Chemie-Park?

Auch der frühere Dow-Manager Stephan Engel, jetzt Projektleiter für die Zukunftsentwicklung des Chemie- und Industriestandorts bei der Wirtschaftsförderung des Landkreises, sieht viele Vorzüge des Standorts: die Lage am seeschifftiefen Wasser, an einer 380-kV-Leitung, nahe dem deutschen Gasnetz, mit Flächenpotenzial und möglicher Anbindung an A26 und Industriegleis. Was die ausstehende Investitionsentscheidung für das feste LNG-Terminal angeht, ist er zuversichtlich, dass sie bald erfolgt und positiv ausfällt. Auch das gut geschulte Personal sieht er als Standortvorteil.

Sollte Trinseo schließen, bestehe angesichts des demografischen Wandels und Fachkräftemangels gute Hoffnung, die Leute im regionalen Arbeitsmarkt unterzubringen. Er sehe die Chemiebranche in einer besseren Situation als im vergangenen Jahr: „Eine Erholung ist sichtbar, aber noch auf niedrigem Niveau.“ Ob eine Schließung von Trinseo auf den Chemiepark negative Auswirkungen hätte? „Ich persönlich glaube nicht, dass es zu einem Domino-Effekt kommt“, sagt Engel. Er hat vor, in den nächsten zwei Wochen mit allen Partnern in der Region Gespräche zu führen.

Ein kleiner Hoffnungsschimmer bleibt: Wie Trinseo-Sprecher Risinger bestätigt, sei das Unternehmen weiter interessiert, den Bereich der Polycarbonat-Recycling-Technologie auszubauen. Die Entscheidung für einen bestimmten Standort werde von der Evaluierung aller finanziellen und operativen Faktoren abhängen. Dabei werde Stade nicht ausgeschlossen sein.

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