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Naturphänomene

TSchmeißfliegen sind Allrounder: Aasverwerter und Wundheiler

Die meisten Menschen haben wenig Sympathie für Schmeißfliegen. Dabei tun sie auch Gutes.

Die meisten Menschen haben wenig Sympathie für Schmeißfliegen. Dabei tun sie auch Gutes. Foto: Reinhard Paulin

Fans von Krimis wissen es: Schmeißfliegen können zur Aufklärung von Morden beitragen. Aber sie werden auch in der Medizin eingesetzt.

Von Wolfgang Kurtze Samstag, 07.06.2025, 14:50 Uhr

Landkreis. Schmeißfliegen legen ihre Eier nur bei einem ganz besonderen Verwesungszustand einer Leiche ab. Findet der Insektenexperte die Larven bestimmter Schmeißfliegen, dann kann er oft Liegedauer und Todeszeitpunkt der Leiche berechnen. Die Zersetzung von Leichen ist nur eine der vielen Aufgaben, die Schmeißfliegen erledigen. Der Name verrät einiges über sie: „Schmeiß“ ist ein alter Begriff für Kot und Abfall. Genau dort fühlen sich viele Schmeißfliegen wohl. Denn die weiblichen Schmeißfliegen legen ihre Eier an Aas, Kot, Abfall und faulenden Früchten ab.

Es sind bestimmte Substanzen, die im Verlauf der Verwesung frei werden. Mindestens zehn Duftstoffe sind bekannt, von denen die Fliegen magisch angezogen werden. Je mehr von diesen Duftstoffen in der Luft vermischt sind, desto attraktiver ist das gammelige Zeug. In mehr als einem Kilometer Entfernung nehmen die Weibchen diese Duftmoleküle wahr und fliegen zielgerichtet zu Aas oder Leiche. Schnell werden dort 50 bis 100 Eier abgelegt. Die geschlüpften Larven machen sich gierig fressend an die Arbeit.

Schmeißfliegen tun auch Gutes

So widerlich alles scheint: Schmeißfliegen tun uns Gutes. Sie beseitigen alles, was übel riecht; egal ob Kot oder totes Material. Das bewerkstelligen einige Arten sogar bei winterlicher Kälte. Was wäre unsere Welt ohne die Arbeit der Schmeißfliegen? Ärgerlich nur, dass sie sich auch auf Bratenfleisch, Käse und Wurst setzen und dabei möglicherweise Krankheitserreger übertragen.

Manche Schmeißfliegen können Haustiere, Kröten, Schnecken, Heuschrecken, Käfer, Asseln oder Regenwürmer befallen und als Parasiten diese erheblich schädigen. Als interessant hat sich diese Beobachtung erwiesen: Bei offenen Wunden werden manchmal Verwesungsstoffe frei. Bei Haustieren wurde beobachtet, dass eine hoch spezialisierte Schmeißfliege ihre Eier auf deren Haut ablegt. Dort nagen die Larven am faulenden Wundfleisch.

Keimfrei gezüchtete Larven helfen bei Wundheilung

Daraus folgte die Überlegung, ob bestimmte Schmeißfliegen bei der Wundheilung von Menschen eingesetzt werden könnten. Die Lösung sieht so aus: Die Larven werden zunächst im Labor keimfrei gezüchtet. Dann werden sie auf die Wunde gesetzt. Hier fressen die Larven ausschließlich das abgestorbene Fleisch. Dieses Heilverfahren ist aber nur bei sehr speziellen Situationen des Patienten angezeigt.

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Nicht genug: Schmeißfliegen tragen zur Verbreitung von Pilzen und Pflanzen bei. Gern lecken die Fliegen an verwesenden Pilzen oder Stinkmorcheln und verteilen deren Pilzsporen. Oder sie sitzen auf Blüten, denn Pollen und Nektar mögen sie auch. Auf diese Weise wirken Schmeißfliegen als Bestäuber. Schmeißfliegen sind Allrounder. Etwa 40 Arten von ihnen schwirren bei uns herum; grau gemustert, blaue Brummer oder grün schillernd. Ihre Vielfalt zeigt sich auch im Aussehen.

Buch und Serie

Was kreucht und fleucht in der Region? Wolfgang Kurtze, Vorsitzender der Lions-Naturschutz-Stiftung, schreibt über Phänomene und Kuriositäten in der Natur. Das TAGEBLATT veröffentlicht die Artikel des promovierten Biologen in loser Reihenfolge. Die erfolgreiche TAGEBLATT-Serie „Phänomene der Natur“ rückt kurzweilig Wissenswertes aus der Natur in den Mittelpunkt. Der zweite, reich illustrierte Band von Wolfgang Kurtze ist für 19,90 Euro im Buchhandel erhältlich. Herausgeber ist die Lions Stiftung Stade zur Förderung des Natur- und Umweltschutzes.

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