T„Schrecklicher Gewaltexzess“: 23-Jähriger muss nach Prügelattacke in Stade ins Gefängnis

Vor dem Stader Landgericht endete ein Prozess, an dessen Ende der Angeklagte zu einer langen Freiheitsstrafe verurteilt wurde. Foto: Sina Schuldt/dpa
Nach einem Gewaltexzess liegt ein 57-Jähriger seit zweieinhalb Jahren im Wachkoma. Dafür ist der Angeklagte jetzt vom Landgericht Stade unter anderem wegen versuchten Totschlags verurteilt worden. Das sind die Gründe des Gerichts.
Stade. Die 3. Große Strafkammer unter Vorsitz von Richter Marc-Sebastian Hase sah es als erwiesen an, dass der 23-Jährige das Opfer am 5. September 2022 an einer Tankstelle in der Harsefelder Straße in Stade kennengelernt hatte. Wie Videos von der Tankstelle zeigten und Zeugen aussagten, hatten beide gemeinsam Alkohol getrunken und sich zunächst gut verstanden. Nach 1 Uhr gingen beide - betrunken - gemeinsam in Richtung einer Seitenstraße.
Gegen 1.47 Uhr müssen die beiden Männer dann aus ungeklärten Gründen in Streit geraten sein. Der Geschädigte sei durch die Schläge des Angeklagten zu Boden gegangen und weiter massiv getreten worden. Später war er von einem Anwohner schwer verletzt und in akuter Lebensgefahr aufgefunden worden. Es wurden schwerste Verletzungen an Kopf und Körper festgestellt.
Blut und DNA-Spuren des Opfers an den Schuhen
Mehrere Indizien sprechen für die Täterschaft des 23-Jährigen: Er wurde von einem Zeugen unmittelbar nach der Tat in der Nähe des Opfers angetroffen. Seine Schuhe wiesen an allen Seiten Blutspuren des Opfers und dessen DNA auf. Die Richter hielten es nicht für plausibel, dass diese Spuren beim späteren Gehen durch die Blutlache und später beim Ausziehen und Aneinanderreiben der Schuhe entstanden sein sollten, wie die Verteidigung zuvor in ihrem Plädoyer ausgeführt hatte.
In seinen schmerzenden Händen und seiner Aussage vor einem Freund am Morgen nach der Tat, er „stecke in der Scheiße und das habe mit einer Schlägerei mit einem Mann zu tun“, sah die Kammer ebenfalls Beweise für die Täterschaft des Angeklagten.
„Wenn man so massiv nach einem Menschen tritt, weiß man, dass man ihn töten kann“
Durch die massive Gewalt und die schwersten Verletzungen sahen die Richter die Tatbestände der gefährlichen und schweren Körperverletzung erfüllt. Den versuchten Totschlag begründeten sie damit, dass trotz seiner starken Alkoholisierung und des Kokains, das der Mann am Tattag konsumiert hatte, seine Einsichtsfähigkeit erhalten war. „Wenn man so massiv nach einem Menschen tritt, weiß man, dass man ihn töten kann“, so Richter Hase.
In der Beweisführung hatte die sachverständige Psychologin dargelegt, dass die Einsichtsfähigkeit nur durch die Unfähigkeit, seine Handlungen zu steuern und zu reflektieren (zum Beispiel durch eine psychische Erkrankung) oder einen pathologischen Rausch (eine ungewöhnliche und heftige Reaktion nach dem Konsum von Alkohol und Drogen) aufgehoben werden könnten. Beides habe beim Angeklagten nicht vorgelegen.
Seine Steuerungsfähigkeit sah die Kammer jedoch durch seine starke Alkoholisierung gemindert. Einen Rücktritt vom versuchten Totschlag konnten die Richter nicht erkennen, daher gingen sie nicht von einem minderschweren Fall aus. Zugunsten des 23-Jährigen sprach, dass er Teile des Geschehens eingeräumt und ein allgemeines Bedauern ausgesprochen hatte. Er ist nicht einschlägig vorbestraft, hatte sich der Polizei gestellt und war zu jedem Prozesstag anwesend.
Verteidigung fordert Freispruch
Zu seinen Lasten wertete die Kammer den „schrecklichen Gewaltexzess, den das Tatbild zeigte“ (Hase). Mit der Strafe von siebeneinhalb Jahren Haft liegt die Kammer bei dem Strafrahmen, den auch Staatsanwalt Pass mit ähnlicher Argumentation wie die Kammer gefordert hatte.
Landgericht Stade
T Mann brutal ins Koma geprügelt: Zeugen beschleicht in Tatnacht „mulmiges Gefühl“
In seinem Plädoyer hatte Verteidiger Mertins eine andere Auslegung der Indizien angesprochen und insbesondere die Aussagen eines vorbestraften Zeugen angezweifelt. Mertins hatte einen Freispruch gefordert.
Sieben Jahre und sechs Monate Haft: Der Angeklagte nahm das Urteil zur Kenntnis, so wie er den gesamten Prozess zur Kenntnis genommen hatte - ohne sichtbare Erregung und ohne ein letztes Wort. Was genau bei ihm von dem ankam, was Richter Hase in seiner Urteilsverkündung sagte, bleibt sein Geheimnis.
„Ich bin froh über das Urteil“, sagte der Sohn des Geschädigten am Schluss des Prozesses. „Es ist schade, dass wir nicht wissen, was wirklich passiert ist.“ Aber er triumphiere nicht, weil auch dieses Urteil seinen Vater nicht zurückbringe, so wie er einmal gewesen war.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.