TSchuldeneintreiber der rabiaten Art vor Gericht

Vor dem Landgericht Verden läuft ein Verfahren gegen einen 28-Jährigen. Er soll zusammen mit Komplizen auf rabiate Weise Schulden eingetrieben haben. Foto: Sina Schuldt
Das Opfer landet im Kofferraum, wird geschlagen und gewürgt: Es ist ein etwas undurchsichtiger Fall, mit dem sich das Landgericht Verden im Verfahren gegen einen 28-Jährigen aus Scheeßel befasst.
Verden. Hat ein 28 Jahre alter Scheeßeler einen Mann wegen Drogenschulden verschleppt, geschlagen, beleidigt, bespuckt und mit dem Tod bedroht? Die Tat soll er am 21. April 2023 begangen haben. Das Motiv brachte der Verteidiger beim Prozessauftakt am Landgericht Verden ins Gespräch. Der Anklagevorwurf lautet unter anderem auf erpresserischen Menschenraub.
Dass sich die Männer kannten, darauf lässt die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Verden schließen. Dieser zufolge war das spätere Opfer, offenbar ein polnischer Staatsbürger, zu einem Treffen mit dem Angeklagten auf einem Parkplatz beim Scheeßeler Rathaus gekommen. Freiwillig soll er auch zu dem 28-Jährigen in ein Auto mit Hamburger Kennzeichen gestiegen sein. Von dort seien sie an das Ufer der Wümme gefahren, irgendwo hinter der Ostlandsiedlung zwischen der Landesstraße 130 und Varel. Spätestens dort sollen zwei weitere Täter dazugekommen sein.
Opfer umstellt, geschlagen und bedroht
Zu dritt sei das Opfer umstellt worden. Als „Hurensohn“ habe der Angeklagte den Mann bezeichnet und ihm ins Gesicht geschlagen.
„Er zog eine Schreckschusspistole, zeigte diese und wies darauf hin, dass er ihn erschießen könne“, verlas der Staatsanwalt. Der bedrohte Mann habe schwören müssen, 1000 Euro zu zahlen. Andernfalls würden Familienangehörige erschossen.
Anschließend habe das Opfer in den Kofferraum steigen sollen. Weil er dies nicht freiwillig getan habe, sei er dort „hineingedrückt“, wieder geschlagen und gewürgt worden. Nach der Freilassung am Rathaus soll das Opfer bei einer polnischen Bank einen Kredit aufgenommen und aus diesem die 1000 Euro bar bezahlt haben.
Anwalt kommt kurzfristig ein Gedanke
Zu den Vorwürfen äußerte sich der Angeklagte nicht. Umso mehr redete sein Verteidiger. „Eintreiben von Schulden gehört zum Handeltreiben“, argumentierte der Jurist. Weil sein Mandant deshalb erst kürzlich (noch nicht rechtskräftig) zu dreieinhalb Jahren verurteilt worden ist, könne ein „Strafklageverbrauch“ eingetreten sein. Denn dann hätten die Taten gemeinsam angeklagt werden müssen - „wenn es um Schulden ging, die aus der gleichen Menge resultieren, für die er schon verurteilt worden ist“, erklärte der Verteidiger. Dieser Aspekt sei ihm erst während der Fahrt zum Gericht eingefallen, erklärte der Verteidiger.
Ins Stocken geriet der Prozess, weil erst die Akten aus dem Ermittlungsverfahren gegen die möglichen Mittäter besorgt werden müssen. Auf Anfrage erklärte ein Pressesprecher der Staatsanwaltschaft Verden, dass es sich um zwei Beschuldigte „jugendlichen Alters“ aus dem Kreis Rotenburg handelt.
Zeuge macht Urlaub in Polen
Hinzu kam, dass das Opfer nicht erschienen war. Nach einer Verhandlungspause und einem Telefonat mit dem Zeugen, berichtete der Vorsitzende Richter Markus Tittel, dass der Mann in Polen im Urlaub sei. Die Ladung habe ihn deshalb nicht erreicht.
Jedoch überlege der Zeuge, in Polen zu bleiben. „Dort sei er bei einem Psychiater gewesen. Er könne als Zeuge nicht aussagen“, berichtete der Richter. Dies könnte zum Problem für das Verfahren werden.
Der Prozess soll am 15. November fortgesetzt werden, aber der Angeklagte bleibt in Haft. Denn mittlerweile ist ein früheres, auf drei Jahre lautendes Urteil wegen eines Tankstellenüberfalls in Lauenbrück rechtskräftig geworden. (oer)