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TSchwarz-weiß-blaue Plage: HSV-Schmierereien überall im Kreis Stade

Schwarz-weiß-blau besprüht: Die Backsteinklinker-Spundwand an der Harburger Straße in Stade leuchtet jetzt auf etwa 30 Metern Länge in den HSV-Farben.

Schwarz-weiß-blau besprüht: Die Backsteinklinker-Spundwand an der Harburger Straße in Stade leuchtet jetzt auf etwa 30 Metern Länge in den HSV-Farben. Foto: Richter

Stromkästen und Ampeln, Wände und Treppen: Im gesamten Landkreis hinterlassen HSV-Fans Schmierereien in den Vereinsfarben. So gut wie nie werden die Täter gefasst - in Stade war das jetzt anders.

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Von Anping Richter
Freitag, 16.08.2024, 19:20 Uhr

Landkreis. „Schlimm, wie es hier aussieht“, sagt sie. Er schüttelt fassungslos den Kopf. Das Ehepaar geht an einer Spundwand an der Harburger Straße in Stade entlang. Die Mauer zeigte sich bis vor kurzem in klassischer Backstein-Optik. Doch jetzt leuchtet sie auf einer Länge von etwa 30 Metern in drei Farben: Schwarz, Weiß und Blau.

Die Sprayer kamen nachts. Laut Stader Polizei vollbrachten sie ihr Werk in den frühen Morgenstunden am Sonntag, 11. August, gegen 3.30 Uhr. Doch sie blieben nicht unbeobachtet: Die Polizei bekam einen Tipp und konnte zehn Personen vor Ort stellen. Vier sollen Schmiere gestanden haben, während sechs von ihnen mit Spraydosen die HSV-Farben an die Wand brachten. Die zehn Beschuldigten im Alter zwischen 18 und 25 Jahren kommen aus der Samtgemeinde Nordkehdingen, der Samtgemeinde Horneburg und aus Hamburg.

HSV-Fans besprühen S-Bahn in Dollern

Noch spektakulärer war eine HSV-Sprayaktion im vergangenen Herbst: Kurz nach 5 Uhr am 28. November 2023 hielten 40 vermummte HSV-Ultras in Dollern eine S-Bahn mitsamt Fahrgästen fest. Sie besprühten den gesamten Zug mit blauer, weißer und schwarzer Farbe.

Ein Polizeibeamter in Zivil, der zufällig in der Bahn saß, konnte einen der Tatbeteiligten festnehmen. Der 22-jährige Hamburger wurde kürzlich vom Amtsgericht Buxtehude wegen Landfriedensbruchs und gemeinschaftlicher Sachbeschädigung zu einer Geldstrafe von 600 Euro und einer Strafe von 3600 Euro für zwei Jahre auf Bewährung verurteilt.

Die Treppenstufen am Pferdemarkt, die hinunter zum Rewe-Markt führen, zeigen die HSV-Farben Schwarz-Weiß-Blau.

Die Treppenstufen am Pferdemarkt, die hinunter zum Rewe-Markt führen, zeigen die HSV-Farben Schwarz-Weiß-Blau. Foto: Josina Carstens

Zurück nach Stade: Die Stufen der Treppe am Pferdemarkt sind jetzt schwarz-weiß-blau. Sie wurden schon zum zweiten Mal angesprüht, berichtet die Polizei. Vorbild der sprayenden Fans dürfte die Treppe an der Hafenstraße in St. Pauli sein, die ebenfalls so gestaltet ist.

Wo besonders viele Graffiti und Aufkleber zu finden sind

Kleinere Schmierereien und Aufkleber sind im Landkreis Stade allgegenwärtig: In Buxtehude und im Alten Land, in Stade oder auf der Geest ist Schwarz-Weiß-Blau praktisch die Standardfarbe für Stromkästen. Auch Ampelpfosten, Verkehrsschilder und Laternenpfähle leuchten in HSV-Farben. Noch häufiger sind Aufkleber zu sehen: Am Obstmarschenweg zwischen Königreich und Jork-Mitte zum Beispiel ist auf dreieinhalb Kilometern kein einziger Laternenpfahl ohne Sticker.

Schwarz-Weiß-Blau ist fast schon die Standard-Farbe für Stromkästen im Landkreis Stade - hier an der Hansestraße in Buxtehude.

Schwarz-Weiß-Blau ist fast schon die Standard-Farbe für Stromkästen im Landkreis Stade - hier an der Hansestraße in Buxtehude. Foto: Richter

Nach Wahrnehmung der Polizei haben die HSV-Schmierereien in den vergangenen Jahren zugenommen, sagt Polizeisprecher Rainer Bohmbach. Belastbare Zahlen dazu gebe es aber nicht, denn nicht alle Taten landen bei den Beamten. Es handele sich um Sachbeschädigung gemäß Paragraf 303 des Strafgesetzbuchs - ein sogenanntes Antragsdelikt, das nur auf Strafantrag des Geschädigten verfolgt wird. Die Staatsanwaltschaft müsse dann entscheiden, ob Anklage vor Gericht erhoben wird.

Der Polizei bleibe nur die Möglichkeit, ebenso wie der Bevölkerung, die Augen offen zu halten, sagt Bohmbach. Bei Hinweisen auf laufende Taten gebe es eine Chance, die Täter zu ermitteln - wie im Fall der Spundwand in Stade am vergangenen Wochenende.

Stadt Stade will sich Kosten von Verursachern zurückholen

Die Geschädigten, im besagten Fall die Hansestadt, müssen zivilrechtlich versuchen, die Kosten für die Beseitigung von den Verursachern einzuklagen. „Wenn sie ermittelt werden können, tun wir das auf jeden Fall“, sagt der Pressesprecher der Hansestadt Stade, Stephan Voigt. Im aktuellen Fall der Spundwand dürfte das klappen.

In der Regel beseitigen die Kommunalen Betriebe Stade die Schmierereien auf städtischem Eigentum. Ebenso ist es in Buxtehude, wo die Fachgruppe Straßen und Grünanlagen versucht, großflächige und störende Schmierereien so schnell wie möglich zu beseitigen, zum Beispiel an Bushaltestellen. Bei jeder Aussicht auf Erfolg bringt Buxtehude Beschädigungen zur Anzeige.

Im Fall der S-Bahn in Dollern ist noch offen, ob und in welcher Höhe der 22-jährige HSV-Fan für den Schaden aufkommen muss. Im Prinzip gilt bei solchen gemeinschaftlich begangenen Taten die gesamtschuldnerische Haftung. Das heißt: Wer erwischt wird, ist dran, stellvertretend für alle.

HSV-Graffitis

Foto: Anping Richter

Schwarz-Weiß-Blau besprüht: Die Backsteinklinker-Spundwand an der Harburger Stra...
Schwarz-Weiß-Blau besprüht: Die Backsteinklinker-Spundwand an der Harburger Straße in Stade leuchtet jetzt auf etwa 30 Metern Länge in den HSV-Farben. Foto: Anping Richter

Foto: Josina Carstens

Die Treppenstufen am Pferdemarkt, die hinunter zum Rewe-Markt führen, zeigen die...
Die Treppenstufen am Pferdemarkt, die hinunter zum Rewe-Markt führen, zeigen die HSV-Farben Schwarz-Weiß-Blau. Foto: Josina Carstens

Foto: Anping Richter

Gleich unter dem roten Kreuz hat sich ein HSV-Fan am Buxtehduer DRK-Gebäude vere...
Gleich unter dem roten Kreuz hat sich ein HSV-Fan am Buxtehduer DRK-Gebäude verewigt. Foto: Anping Richter

Foto: Anping Richter

Die A26-Autobahnbrücke über die Este bei Buxtehude ist ein Lieblingsort der HSV-...
Die A26-Autobahnbrücke über die Este bei Buxtehude ist ein Lieblingsort der HSV-Graffiti-Sprayer. Foto: Anping Richter

Foto: Anping Richter

Graffiti unter der A26-Brücke über die Este bei Buxtehude.
Graffiti unter der A26-Brücke über die Este bei Buxtehude. Foto: Anping Richter

Foto: Anping Richter

Die Autobahnbrücke über die Este bei Buxtehude ist eine beliebte Oberfläche für ...
Die Autobahnbrücke über die Este bei Buxtehude ist eine beliebte Oberfläche für HSV-Fan-Graffiti. Foto: Anping Richter

Foto: Anping Richter

Ein Graffiti an der Autobahnbrücke bei Buxtehude steigert die Rivalität mit dem ...
Ein Graffiti an der Autobahnbrücke bei Buxtehude steigert die Rivalität mit dem FC St. Pauli ins Extreme. Foto: Anping Richter

Foto: Anping Richter

Einer der vielen Mülleimer auf dem Deich zwischen Moorende und Buxtehude, die Sc...
Einer der vielen Mülleimer auf dem Deich zwischen Moorende und Buxtehude, die Schwarz-Weiß-Blau bemalt wurden. Jemand hat mit weißen Stift auf die schwarze Fläcke geschrieben: FCK HSV. Foto: Anping Richter

Foto: Anping Richter

An der Kreuzung Harburger Straße/ Hafenbrücke in Buxtehude ist der HSV mit Klebe...
An der Kreuzung Harburger Straße/ Hafenbrücke in Buxtehude ist der HSV mit Klebestreifen am Laternenmast und Graffiti an der Hauswand präsent. Foto: Anping Richter

Foto: Anping Richter

Schwierig zu entfernen: HSV-Graffiti an einer Hauswand in Buxtehude.
Schwierig zu entfernen: HSV-Graffiti an einer Hauswand in Buxtehude. Foto: Anping Richter

Foto: Anping Richter

Schwarz-Weiß-Böau ist fast schon die Stzandard-Farbe für Stromkästen im Landkrei...
Schwarz-Weiß-Böau ist fast schon die Stzandard-Farbe für Stromkästen im Landkreis Stade - hier an der Hansestraße in Buxtehude. Foto: Anping Richter

Foto: Lars Strüning

Schwarz-Weiß-Blau auch in Nottensdorf am Ortseingang nahe der B73.
Schwarz-Weiß-Blau auch in Nottensdorf am Ortseingang nahe der B73. Foto: Lars Strüning

Foto: Anping Richter

Jetzt Schwarz-Weiß-Blau: Spundwand an der Harburger Straße in Stade.
Jetzt Schwarz-Weiß-Blau: Spundwand an der Harburger Straße in Stade. Foto: Anping Richter

Foto: Anping Richter

Die Castaways Ultras haben an der Glückstädter Straße in Stade ihr Zeichen hinte...
Die Castaways Ultras haben an der Glückstädter Straße in Stade ihr Zeichen hinterlassen. Foto: Anping Richter

So teuer wird die Beseitigung der S-Bahn-Graffiti

Für den HSV-Fan dürfte es teuer werden: Die Deutsche Bahn behält sich vor, ihre zivilrechtliche Forderung geltend zu machen. Für die Reinigung eines Triebwagens benötigen zwei bis drei Fachkräfte einen Arbeitstag, die Neulackierung eines Triebwagens kostet bis zu 30.000 Euro und dauert sieben Tage.

„In dieser Zeit fällt der Zug aus“, erklärt ein Sprecher der S-Bahn Hamburg. Ob sich die HSV-Ultra-Freunde finanziell solidarisch zeigen, wird der HSV-Fan noch herausfinden. Bundesweit entstehen der Deutschen Bahn durch Schmierereien übrigens jährliche Schäden in Höhe von 40 Millionen Euro.

A-26-Brücke ist ein Hotspot für Graffiti-Sprayer

„HSV“ und „Hools“ steht an beiden Enden der A-26-Brücke an der Abfahrt Jork. Autobahnbrücken gehören zu den beliebtesten Orten, wo die Schmierereien hinterlassen werden. Doch die Autobahnmeistereien haben zu viele andere Aufgaben und zu wenig Personal, um alles zeitnah zu entfernen, teilt die Autobahn GmbH des Bundes mit.

Die A-26-Autobahnbrücke über die Este bei Buxtehude ist ein Lieblingsort der HSV-Sprayer.

Die A-26-Autobahnbrücke über die Este bei Buxtehude ist ein Lieblingsort der HSV-Sprayer. Foto: Richter

Die Praxis zeige auch, dass sehr schnell neue Schmierereien auftauchen. Rassistische, homophobe oder beleidigende Inhalte würden aber umgehend entfernt. Bei polizeifeindlichen Inhalten scheint es keine große Eile zu geben: Unter der A-26-Brücke über die Este sind neben den HSV-Graffiti schon länger welche zu sehen.

Polizeifeindliche Schmierereien wie diese und jede Menge Akronyme davon wie „ACAB“ und „1312“ sind an der A-26-Brücke über die Este zu sehen.

Polizeifeindliche Schmierereien wie diese und jede Menge Akronyme davon wie „ACAB“ und „1312“ sind an der A-26-Brücke über die Este zu sehen. Foto: Richter

Die Beseitigung von Graffitis ist kostspielig

In Buxtehude hat es kürzlich das DRK erwischt. Direkt unter dem großen, roten Kreuz prangt die HSV-Farbkombi am Gebäude an der Bleicherstraße. „Das ist nicht schön und kostet Geld“, sagt der DRK-Kreisverbandsvorsitzende Uwe Lütjen. Geld, das letztlich von den DRK-Mitgliedern aufgebracht wird. Die Reinigung der Fassade ist bereits beauftragt worden.

„Was diese Leute wohl sagen würden, wenn ihr Haus angesprüht wird?“, sagt Lütjen. Das Gebäude des DRK wird für Schulungen, von der Kleiderkammer, vom Jugendrotkreuz und für Mietwohnungen genutzt.

„Wir sind der HSV, ein ganzes Leben schwarz, weiß, blau. Wir sind der HSV, nur der HSV“, singen die Fans im Stadion. Doch was genau bringt jemanden dazu, sich nachts mit Spraydosen aufzumachen und das Risiko einer Strafe von bis zu zwei Jahren Gefängnis und sehr hohen Kosten in Kauf zu nehmen?

Weshalb Gefahr und hohe Strafen nicht schrecken

„Die Stadt erstrahlt in unseren Farben“, das sei ein Gefühl, das dahinter stecke, sagt der Buxtehuder Timo Horn. Es gehe darum, Präsenz zu zeigen, zu imponieren, sein Revier gegenüber dem großen Rivalen FC St. Pauli abzustecken. Horn muss es wissen: Er war bis 2020 sechs Jahre lang Abteilungsleiter der HSV-Supporters, der größten Fanorganisation des Clubs, die inzwischen 100.000 Mitglieder zählt.

Rivalität mit St.Pauli: Laut HSV-Insider Timo Horn ist das ein wichtiger Motivationsfaktor bei den Schmierereien, hier an der A-26-Brücke über die Este.

Rivalität mit St.Pauli: Laut HSV-Insider Timo Horn ist das ein wichtiger Motivationsfaktor bei den Schmierereien, hier an der A-26-Brücke über die Este. Foto: Richter

Timo Horn gibt zu bedenken, dass die Ultra-Kultur eine jugendliche Subkultur ist. Der Reiz des Verbotenen, das Austesten von Grenzen und der Adrenalinrausch spielen deshalb eine Rolle. Sein Rat: „Entspannt euch, Leute.“ Schöne Graffiti, die gut gemacht sind, stören ihn überhaupt nicht. Mitunter sehe ein grauer Stromkasten oder eine Betontreppe mit Farbe sogar besser aus. Geschmierten, hingeklatschten Farben, womöglich auf traditionellen Bauwerken, kann aber auch Timo Horn nichts abgewinnen.

Schwarz-weiß-blau besprüht: Die Backsteinklinker-Spundwand an der Harburger Straße in Stade leuchtet jetzt auf etwa 30 Metern Länge in den HSV-Farben.

Schwarz-weiß-blau besprüht: Die Backsteinklinker-Spundwand an der Harburger Straße in Stade leuchtet jetzt auf etwa 30 Metern Länge in den HSV-Farben. Foto: Richter

HSV-Graffiti an der A-26-Brücke über die Este bei Buxtehude.

HSV-Graffiti an der A-26-Brücke über die Este bei Buxtehude. Foto: Richter

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