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Prozessauftakt

TSchwerer Raub mit Körperverletzung: Frau steht in Stade vor Gericht

Vor dem Landgericht Stade begann am Freitag der Prozess gegen eine Bremervörderin.

Vor dem Landgericht Stade begann am Freitag der Prozess gegen eine Bremervörderin. Foto: dpa

Harmlose Geldübergabe oder ein besonders schwerer Raub inklusive gefährlicher Körperverletzung? Das muss am Landgericht geklärt werden.

Von Theo Bick Dienstag, 17.09.2024, 12:40 Uhr

Stade. Wenig Aufklärendes, dafür widersprüchliche Aussagen und eine dem Prozess fernbleibende Zeugin prägten den Prozessauftakt am Freitag.

Klar ist indes der Tatvorwurf: In der Nacht vom 30. auf den 31. Juli 2023 wird ein zum Tatzeitpunkt 29-jähriger Bremervörder auf dem Parkplatz des Modehauses Burfeind offenbar Opfer eines brutalen Raubüberfalls. Eigenen Angaben zufolge war der Mann - gegen den wiederum der Vorwurf des Drogenhandels im Raum steht - gegen 1 Uhr unerwartet von einem bis heute unbekannten Mann mit einem Baseballschläger attackiert und durch mehrere Schläge, unter anderem auf den Kopf, verletzt und anschließend ausgeraubt worden. Der Verletzte musste im Krankenhaus behandelt werden. Die Angeklagte steht unter Verdacht, das mutmaßliche Opfer mit einem Anruf auf den Parkplatz gelockt zu haben.

So schildert die Angeklagte das Geschehen

Die 45-Jährige bestritt am Freitag nicht, das Überfallopfer in besagter Nacht auf dem Parkplatz getroffen zu haben. Die Bremervörderin streitet jedoch jede Beteiligung an einem Überfall ab. Sie habe ihrem Bekannten 20 Euro geschuldet und ihn an besagtem Tag mehrfach angerufen, um ein Treffen zur Geldübergabe zu vereinbaren. Sie sei von ihm wiederholt vertröstet worden, bis sie sich spät am Abend telefonisch drauf verständigt hätten, sich „wie immer“ auf dem Parkplatz neben dem Modehaus zu treffen, schilderte die Angeklagte.

Nachts habe sie ihren Bekannten getroffen, ihm das Geld gegeben und sei dann umgehend mit dem Fahrrad nach Hause gefahren.

„Das hört sich auf den ersten Blick nicht so plausibel an“, kommentierte Marc-Sebastian Hase, der Vorsitzende Richter, die Einlassungen der Angeklagten. Widersprüche gab es insbesondere bei den Zeitangaben. Anrufe der Angeklagten beim späteren Opfer sind unter anderem um 0.47 Uhr und 0.50 Uhr in den Telefondaten verzeichnet. Der Überfall soll sich gegen 1 Uhr ereignet haben. Ein weiterer Anruf der Angeklagten auf dem Handy des Opfers ist um 1.50 Uhr verzeichnet. Die 45-Jährige bestreitet, dieses Telefonat getätigt zu haben. Womöglich habe ihr drogenabhängiger Sohn angerufen, so die Frau.

„Loslegen und gucken, wo wir hinkommen“

Hase wandte sich nach der Aussage der Angeklagten im Rahmen einer offenen Verhandlungsführung noch einmal an die 45-Jährige und ihren Rechtsbeistand. Für den im Raum stehenden Tatvorwurf des besonders schweren Raubes sehe der Gesetzgeber eine Mindeststrafe von fünf Jahren vor. Dazu sei die Angeklagte bereits erheblich vorbestraft, müsse also im Falle einer möglichen Verurteilung mit einem höheren Strafmaß rechnen, führte der Richter aus. Mit besonderer Betonung wies Hase jedoch auch darauf hin, dass er der Akte gewisse Anhaltspunkte dafür entnehmen könne, dass die Angeklagte etwas mit den Tatvorwürfen zu tun haben könnte, jedoch nicht unbedingt „die treibende Kraft bei der ganzen Geschichte“ sein müsse. Sollte es so sein, dass die Angeklagte nur als Gehilfin beteiligt gewesen sei, stünde ein deutlich niedrigerer Strafrahmen zur Diskussion, stellte der Richter in den Raum. Die Angeklagte beteuerte jedoch ihre Unschuld in der Sache: „Ich habe schon viele Straftaten begangen. Das habe ich auch zugegeben.“

„Ich habe so deutlich, wie ich das eigentlich nie mache, alles gesagt, was ich von diesem Fall denke“, betonte Hase. „Dann müssen wir jetzt mit der Beweisaufnahme loslegen und gucken, wo wir hinkommen.“

Würfelspiel oder harte Drogen?

Begonnen wurde mit der Vernehmung einer Bremervörder Polizeibeamtin, die mit ihrem Kollegen in der Tatnacht zum Wohnort des Opfers alarmiert worden war. Beim Eintreffen der Streifenwagenbesatzung sei das Überfallopfer bereits vor dem Haus im Krankenwagen ärztlich versorgt worden. Der Mann habe stark am Hinterkopf geblutet und über Schmerzen geklagt. Als gestohlen meldete er Bargeld sowie ein „Kniffel-Spiel“.

Vor Ort habe sie den Eindruck gehabt, der Überfallene habe etwas verbergen wollen, so die Polizistin. Hinweise darauf, worum es sich dabei handeln könnte, lieferte eine 39-jährige Zeugin aus Bremervörde. Sie und eine Freundin seien von dem Opfer angerufen worden, hätten ihn blutig im Badezimmer seiner Wohnung angetroffen und daraufhin einen Krankenwagen gerufen - gegen den Willen des Mannes. So sei zwischen dem mutmaßlichen Überfall und dem Absetzen des Notrufes eine Zeitspanne von fast 45 Minuten vergangen.

Gestohlen worden sei ihrem Bekannten unter anderem Koks, berichtete die Zeugin. In weiten Teilen widersprachen die Aussagen der Frau, die sich selbst als alkoholkrank beschrieb, jedoch früheren Angaben bei der Polizei. Damals hatte sie zu Protokoll gegeben, dass die Angeklagte sich nach dem Überfall telefonisch bei dem Opfer gemeldet hatte, mutmaßlich um den Mann einzuschüchtern. Nun berichtete die Zeugin vor Gericht, dass der damals 29-Jährige an vier aufeinanderfolgenden Tagen unterschiedliche Versionen des Tatvorganges geschildert habe.

Zum Teil sei gar von zwei Männern als Tätern die Rede gewesen. Auch zuvor beschriebene Telefonate zwischen Opfer und Angeklagter bestätigte sie vor Gericht nicht. Sie habe nicht mitbekommen, ob die Angeklagte oder überhaupt jemand am Telefon gewesen sei. Womöglich habe der Mann das Telefonat einfach vorgetäuscht, nachdem er zuvor den Handywecker habe klingeln lassen, mutmaßte die Frau im Zeugenstand.

Verbindungen zum Drogenmilieu?

Immer wieder klangen im Zuge der Beweisaufnahme Verbindungen in die Drogenszene an. So gab die Angeklagte zu Protokoll, bereits im Alter von 17 Jahren harte Drogen konsumiert zu haben. Heute sei sie clean. Beim mutmaßlichen Opfer, das ebenfalls als Zeuge gehört werden soll, soll es sich um einen bekannten Drogendealer handeln. Außerdem behauptete die Angeklagte, am Tag nach dem Überfall vom 29-Jährigen in Begleitung eines anderen Mannes zu Hause aufgesucht worden zu sein. Sie sei aufgefordert worden, 1.500 Euro zu zahlen und geschlagen worden. Namen wollte sie jedoch keinesfalls nennen, aus Angst vor dem Begleiter des Überfallopfers und dessen Familie.

Ein Kuriosum: Die zweite Bekannte des Opfers, die ebenfalls am Freitag vor Gericht hätte aussagen sollen, war nicht erschienen. Stattdessen hatte sie den Vorsitzenden Richter vor der Verhandlung am Telefon beschimpft und ihm Nötigung vorgeworfen, schilderte Hase das Telefonat.

Die nächsten Verhandlungstermine: 26. und 27. September sowie 18. Oktober, jeweils um 9 Uhr. (bz/js/axt)

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