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Bank-Ärger

TSchwestern das Konto gesperrt: Fall löst Entrüstung aus – Beschwerde bei Bafin

Christine (li.) und Katharina Middendorf können mit ihren Bankkarten kein Geld mehr abheben.

Christine (li.) und Katharina Middendorf können mit ihren Bankkarten kein Geld mehr abheben. Foto: Dührkop

Seit August können die Zwillinge kein Geld mehr bei der Volksbank im Elbe-Weser-Dreieck abheben, der Inklusionsberater Jürgen Wintjen setzt sich für sie ein. Und es gibt weitere Betroffene.

Von Julia Dührkop Freitag, 30.08.2024, 15:00 Uhr

Drangstedt. Die Empörungswelle ist groß, nachdem die Nordsee-Zeitung und das TAGEBLATT über die Sperrung des Bankkontos der Zwillinge Christine und Katharina Middendorf aus Drangstedt berichtet hatten. Es ist kein Einzelfall. Weitere betroffene Familien haben sich mit ihren Einschränkungen bereits in der Redaktion gemeldet. Sie fühlen sich alle stark diskriminiert.

Der Vorfall schlägt nun höhere Wellen: Der Vorsitzende des Inklusionsbeirates vom Landkreis Cuxhaven, Jürgen Wintjen, der sich für die Rechte beeinträchtigter Menschen einsetzt, sieht einen klaren Fall von Diskriminierung, einen Verstoß gegen Artikel 3 des Grundgesetzes. Niemand dürfe aufgrund einer Behinderung benachteiligt werden.

Auch der beim Sozialverband VdK angesiedelte Deutsche Behindertenrat meint auf Anfrage der Nordsee-Zeitung, dass es schwer vorstellbar sei, „dass aufgrund der Tatsache, dass Deutschland die UN-Behindertenrechtskonvention ratifiziert hat und es auch ein Diskriminierungsverbot nach dem allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz gibt, im Bankenrecht eine solche Rechtsgrundlage überhaupt vorgelegt oder gar beschlossen werden könnte“.

Jürgen Wintjen, Vorsitzender des Beirates für Inklusion im Landkreis Cuxhaven, setzt sich für Gleichbehandlung ein.

Jürgen Wintjen, Vorsitzender des Beirates für Inklusion im Landkreis Cuxhaven, setzt sich für Gleichbehandlung ein. Foto: ls

Antidiskriminierungsstelle rät zu Beschwerde bei der Bankenaufsicht

Wintjen hat sich mit dem Fall an die Antidiskriminierungsstelle des Bundes gewandt, die das „Unverständnis über das Vorgehen der Bank gut verstehen kann“. Sie bezieht sich auf das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, das Benachteiligungen aus rassistischen Gründen verbietet, wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder sexuellen Identität im Erwerbsleben und bei bestimmten privaten Rechtsgeschäften.

Die Antidiskriminierungsstelle darf eine erste rechtliche Einschätzung geben, aber ersetzt keine ausführliche und persönliche Rechtsberatung, darauf weist sie hin. Dennoch wurde Wintjen geraten, sich an die Bankenaufsicht, die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin), zu wenden. Dort hat der Inklusionsbeauftragte nun Beschwerde eingelegt.

Die Volksbank im Elbe-Weser-Dreieck äußert sich aus Datenschutzgründen nicht zu dem konkreten Fall und beruft sich auf das Bankgeheimnis.

Die Geschichte der Zwillinge aus Drangstedt

Volksbank beruft sich auf Information durch Brief an die Kunden mit Betreuer

Allerdings ist der Vorgang kein Einzelfall, wie deutlich wurde, da die Volksbank nach eigenen Angaben bereits im Juni Kunden mit Betreuer über ein neues Vorgehen informiert habe. Doch dieses Schreiben ist bis heute nicht bei Familie Homann angekommen. Durch die Berichterstattung wollte die Voba erneut einen Brief schicken.

„Ein Kreditinstitut, das mit dem Slogan ,Wir beraten Sie gern - Morgen kann kommen. Wir machen den Weg frei‘ wirbt, sollte ihren Kunden doch eine persönliche Beratung mit Erklärung der Maßnahme zuteilwerden lassen“, meint Wintjen, „zumal es sich hier um behinderte Menschen handelt, mit deren Geld die Bank jahrelang gut gearbeitet hat.“

Er hätte sich Lösungen zum Wohle der Betroffenen gewünscht. „Wer Inklusion will, findet Wege, wer nicht, sucht Ausreden.“ So seine harsche Kritik. Hier mache die Voba den Weg nicht frei, sondern errichte Barrieren.

Vertragsmodalitäten ohne Zustimmung der Kunden geändert

Zunächst hat sich Wintjen direkt nach dem Grund für die Kontosperrung erkundigt. Ihm teilte der Vorstand der Volksbank mit, dass Mitte Juni alle Betreuer von Kunden, „die unter gesetzlich festgesetzter Betreuung mit Einwilligungsvorbehalt stehen, schriftlich darüber informiert wurden, dass zum 15. Juli alle bisherigen Sondervereinbarungen aufgehoben werden, und eine automatische technische Umstellung der Kontosteuerung erfolgt“. Eine Erklärung, auf welche Gesetzeslage sich die Bank beruft, blieb sie Wintjen, aber auch der Nordsee-Zeitung bis dato schuldig.

Da die Vertragsmodalitäten einseitig geändert wurden, sei es ein klarer Verstoß seitens der Bank, so Wintjen und pflichtet damit Paul Stich, Richter und Pressesprecher am Amtsgericht Langen bei, dass eine gesetzliche Grundlage für die Maßnahme fehle.

Wintjen zeigt viel Engagement, um Familien zu ihrem Recht zu verhelfen

Wintjen bedauert, dass das Menschliche leider wieder einmal auf der Strecke bliebe. Dabei weiß er um das soziale Engagement der Bank, sie fördere finanziell oft und viel für soziale Bereiche, lässt der Inklusionsbeauftragte nicht außer Acht.

Um den betroffenen Familien zu ihrem Recht zu verhelfen, zeigt der Inklusionsbeauftragte viel Einsatz. Er sucht Unterstützung beim Landesbehindertenbeauftragten und dem Behindertenbeauftragten des Bundes sowie beim Bundesverband der Volksbanken, die ihm ein Schlichtungsverfahren mit der Volksbank im Elbe-Weser-Dreieck vorschlagen.

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