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Schifffahrt

TSeit 20 Jahren: Er betreibt eine Schnellfähre in Eigenregie

Kapitän Peter Schultze arbeitet seit mehr als drei Jahrzehnten auf der Schnellfähre „Kleinsiel“. Seit genau 20 Jahren betreibt er das Schiff nun in Eigenregie.

Kapitän Peter Schultze arbeitet seit mehr als drei Jahrzehnten auf der Schnellfähre „Kleinsiel“. Seit genau 20 Jahren betreibt er das Schiff nun in Eigenregie. Foto: Iven

Nach der Eröffnung des Wesertunnels sollte der Betrieb der Schnellfähre Brake-Sandstedt 2005 eigentlich eingestellt werden. Doch Kapitän Peter Schultze ist bis heute an Bord.

Von Jan Iven Dienstag, 01.07.2025, 16:50 Uhr

Sandstedt. Ein bisschen Genugtuung schwingt schon mit, wenn Kapitän Peter Schultze von seiner Übernahme des Fährbetriebes von Sandstedt nach Brake vor genau 20 Jahren am 1. Juli 2005 berichtet. „Viele Politiker haben geglaubt, dass wir nach der Eröffnung des Tunnels keine sechs Monate durchhalten. Aber wir sind immer noch da“, sagt der 60-Jährige aus Golzwarden zufrieden.

Mit dem Bau des Tunnels hat niemand mehr an die Fähre geglaubt

Dabei waren die Startbedingungen damals alles andere als optimal. 2004 wurde der Wesertunnel bei Stotel eröffnet, auch um die Fähre bei Sandstedt zu ersetzen. Besser gesagt: Die Fähren. Denn damals pendelten bis zu drei Schiffe zwischen Sandstedt und Brake und transportierten täglich bis zu 3000 Fahrzeuge ans andere Ufer. Heute fährt noch die Schnellfähre „Kleinsiel“ zwischen Sandstedt und Brake mit etwa 300 Fahrzeugen am Tag.

„Mit der Eröffnung des Tunnels hatten wir nur noch 10 Prozent der Kunden“, erzählt Kapitän Schultze. Trotzdem gründete der bis dahin angestellte Kapitän die Firma SBS und übernahm die Fähre von der öffentlichen Hand, die die Verbindung eigentlich einstellen wollte.

„Uns war aber auch klar, dass wir nicht mehr weitermachen konnten wie vorher“, sagt Schultze. Fünf Mitarbeiter allein in der Verwaltung konnte sich der Betrieb nicht mehr leisten. Nun musste der Kapitän den Papierkram selbst nebenbei erledigen. Mit zwei angestellten Kapitänen und ein paar Seeleuten hält er die Fähre „Kleinsiel“ am Laufen.

Schon im Alter von drei Wochen auf dem Wasser zu Hause

Peter Schultze ist bereits sein ganzes Leben auf dem Wasser zu Hause. „Mein Vater war schon Binnenschiffer. Ich war drei Wochen alt, als ich zum ersten Mal auf einem Schiff war“, erzählt er. Der Vater hatte zwei Binnenschiffe, die Schultzes Brüder übernommen haben.

Er selbst heuerte auf anderen Schiffen an. „Ich bin schon auf allen Flüssen gefahren“, sagt er. Elbe, Weser, Rhein. Im Hamburger Hafen hat er eine Zeit lang Kreuzfahrtschiffe betankt.

Doch mit Ende 20 und als junger Vater wollte er zurück in die Heimat nach Brake. Und so landete er 1993 auf der Weser-Fähre, zunächst als gelernter Matrose. „Ich hatte aber schon alle meine Kapitänspatente in der Tasche“, sagt Peter Schultze. Und so dauerte es nicht lange, bis er schließlich auch am Steuer der Fähre stand.

Warum nutzen die Passagiere immer noch die Fähre?

2005 wagte er schließlich den Sprung in die Selbstständigkeit und rettete damit die Fahrverbindung über die Weser. Und bis heute läuft das Geschäft. „Unsere Passagiere sind vor allem Pendler und Überzeugungstäter“, sagt Schultze.

Klar fahren jetzt die meisten Leute mit dem Auto durch den Tunnel. Doch je nach Ziel lassen sich mit der Fähre bis zu einer halben Stunde und 33 Kilometer sparen - pro Fahrt. Im Monat addiert sich das bei zwei Überfahrten täglich auf fast einen ganzen Tag und mehr als 1200 Kilometer. Vor allem Pendler fangen da an zu rechnen. Manche Lkw-Fahrer schaffen dadurch sogar zwei bis drei Touren mehr am Tag.

Und dann ist da natürlich noch die „Bockwurstschmiede“, wie Schultze den Kiosk auf der Fähre nennt, der bis zur Corona-Pandemie von einem Ehepaar betrieben wurde. Die Bockwurst von der Fähre hatte in der Region geradezu Kultstatus erlangt und fast jeder in der Region kann eine Geschichte aus seiner Kindheit erzählen, bei der die Bockwurst von der Fähre eine tragende Rolle spielt.

Wird es jemals wieder eine Bockwurst auf der Fähre geben?

Seit der Pandemie hat es mehrere Versuche gegeben, den Kiosk wieder zu verpachten. Doch dauerhaft funktioniert hat es nicht. Und so sucht Peter Schultze weiterhin einen Pächter, der den Kunden einen schnellen Kaffee und vielleicht auch eine Bockwurst verkauft.

Zumindest zweimal im Jahr, zu Ostern und zum Nikolaus-Tag, wird der Kiosk von der Steuerungsgruppe Fair-Trade aus Hagen geöffnet. Dann gibt es für die Passagiere fair gehandelten Kaffee und Schokolade und natürlich eine Bockwurst aus der Region.

Die Fähre „Kleinsiel“ hat einen Tiefgang von gerade mal 1,4 Meter. Sie kann bei Wind und Wetter, bei Hoch- und Niedrigwasser fahren. „Bei Sturm sperrt die Straßenmeisterei aus Sicherheitsgründen allerdings die Straße zum Anleger. Aber die Fähre könnte eigentlich bei jedem Wetter fahren“, sagt Peter Schultze. Mit vier Antrieben fährt sie immer ruhig über die Weser.

In seiner langen Zeit auf dem Schiff hat er gerade ein einziges Mal erlebt, dass der Betrieb wegen Eisgang eingestellt werden musste. Und auch, wenn er wohl schon zehntausende Male über die Weser gefahren ist, wird ihm dabei nie langweilig. „Es ist immer was los. Ich muss ja alles im Blick behalten“, sagt Peter Schultze.

Erst im November ist ein Lkw-Fahrer rückwärts von der Fähre wieder heruntergefahren, weil er nicht bezahlen wollte. Dabei ist der Laster von der Auffahrt abgekommen und fast in die Weser gefallen. „Die Feuerwehr musste den Lkw bergen“, erzählt Schultze.

Und wenn mal nichts los ist, schaut der Kapitän einfach aufs Wasser. „Das ist auch mal schön“, sagt er.

In der Freizeit tauscht Schultze das Boot gegen das E-Bike

Hat ein Kapitän eigentlich auch privat ein Boot, mit dem er in seiner Freizeit fährt? „Nee, wir haben nur die ‚Klein-Kleinsiel‘. Ein Wartungsboot, wenn wir die Fähre mal streichen oder reparieren müssen“, sagt Schultze. In seiner Freizeit wechselt der Kapitän gern mal aufs Fahrrad und fährt durch die Region. Bis zu 80 Kilometer am Tag, wenn auch mit dem E-Bike.

Und Modell-Eisenbahner ist er auch. Märklin, Spur H0. „Im Winter rüste ich gern alte Lokomotiven auf digitalen Betrieb um“, erzählt Schultze. Allerdings hat er noch gar keine Anlage aufgebaut. „Das mache ich später mal, wenn ich mehr Zeit habe“, sagt der Kapitän. Also irgendwann, wenn er Kapitän a.D. ist. Außer Dienst.

Gut möglich, dass dann auch die Fähre „Kleinsiel“ im Maßstab 1:87 auf der Modelleisenbahn-Platte verewigt wird. „Schließlich bin ich die Fähre so lange gefahren“, sagt er.

Doch wann wird es so weit sein? Wie lange will Peter Schultze noch über die Weser fahren? „Nächstes Jahr kommt die Fähre für eine Woche zur Kontrolle in die Werft“, sagt er. Fünf Jahre später ist es wieder so weit, dann wäre er 66 Jahre alt. Vielleicht kein schlechter Zeitpunkt zum Aufhören, aber wer weiß das schon.

Eventuell möchte jemand von der Besatzung die Fähre übernehmen. Auch der Sohn hält die Familientradition hoch und ist Binnenschiffer geworden. Allerdings fühle er sich auswärts ganz wohl. Für die Region wäre es sicher ein Verlust, wenn der Betrieb irgendwann doch noch eingestellt werden müsste. Doch das wird sich zeigen.

Wie wird das Jubiläum der Schnellfähre gefeiert?

Und wie feiert Kapitän Peter Schultze das 20. Bestehen der Schnellfähre Brake - Sandstedt Anfang Juli 2025? Er hat nichts geplant. Er wird wie immer auf der Brücke stehen und die Fähre steuern. Wie schon seit 20 Jahren.

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