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Tradition

TSkurrile Rituale und Wolpertinger Trudi: Wenn die Jungschützen in Altkloster feiern

Die Majestäten der Jungschützen in Altkloster: Angelina Pikos und Tjark Effenberger.

Die Majestäten der Jungschützen in Altkloster: Angelina Pikos und Tjark Effenberger. Foto: Richter

Manche denken, es gehe beim Schützenwesen nur ums Trinken und Schießen. Doch für die Unesco ist es ein „wichtiger, historisch gewachsener und lebendiger Teil der regionalen wie lokalen Identität“. Ein Besuch in Altkloster gibt Einblick.

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Von Anping Richter
Sonntag, 04.08.2024, 19:20 Uhr

Buxtehude. Mario und Luigi sind da. Die Nintendo-Helden sehen anders aus als sonst: Luigi heißt sonst Sophie Krause und trägt ein Diadem auf der grünen Mütze. Mario alias Tim Langebartels hat eine Riesen-Kette aus Silberblech auf der Brust.

Die Mützen haben sich ihre Adjutanten als Gag zum Abschied ausgesucht, denn die Königin und der König der Jungschützen von Altkloster erleben heute den Höhepunkt ihrer Amtszeit: den Empfang am letzten Tag. Hunderte sind gekommen, jeden begrüßen sie mit netten Worten, einer Umarmung oder Händeschütteln. Das dauert.

Warteschlange von Jahnstadion bis zur Apensener Straße

Die Menge der Wartenden reicht vom Schießstand im Jahnstadion bis zur Apensener Straße. Der Schützenverein Altkloster hat 430 Mitglieder. Auch Gäste aus befreundeten Vereinen sind eingeladen. Besonders von der Buxtehuder Gilde, der die Altklosteraner in liebevoller Rivalität verbunden sind.

Als sie dicht an dicht auf den Bänken sitzen und Präsident Uwe Gährs alle begrüßt hat, übernimmt Jungschützenkommandeur Thoralf Lemmel. Er verteilt Pöbelstrafen.

Heute wird viel gepöbelt - mit voller Absicht

Gepöbelt wird viel und mit Absicht: Laute Zwischenrufe, grenzwertige Witze und undiszipliniertes Verhalten werden heute vom Kommandeur mit Strafen geahndet, die Geld für die nächsten Jungschützenmajestäten in die Kasse spülen - für die kostspielige Ausstattung, Medaillen zum Beispiel. Lemmel hat besonders die Mitglieder der Buxtehuder Gilde auf dem Kieker, und die zeigen sich nicht knauserig.

Auch der Empfang geht ins Geld, sagt Tambourmajorin Denise Bohn. Der muss von den Majestäten selbst bezahlt werden. Sie war 2015/16 selbst Jungschützenkönigin und hat zusammen mit dem Jungschützenkönig 2500 Euro ausgegeben - inklusive Getränken, Snacks, Deko und DJ. „Wenn man als Schülerin jeden Monat 100 Euro zurücklegt und nebenbei jobbt, geht das.“

Die besondere Rolle eines Wolpertingers

„Ooooh Trudiiiie“: Diesen Ruf stimmen die Festgäste jetzt auf Geheiß des Kommandeurs an. Mit lauter Marschmusik hält ein Fabelwesen Einzug: Wolpertinger Trudi, das Maskottchen der Jungschützen.

Ihre Betreuung während des Schützenfestes kann von den Rotts ersteigert werden - wieder Geld für die Kasse.

Alexandra Kappel und Josefine Gehlken (rechts) mit Trudi, dem Wolpertinger.

Alexandra Kappel und Josefine Gehlken (rechts) mit Trudi, dem Wolpertinger. Foto: Richter

Der Verein hat in diesem Jahr fünf Neuzugänge, die in deftigster Schützenmanier aufgenommen werden: Auf zwei Stühlen stehend, müssen sie eine riesige Kelle leeren. Sie dürfen auch Wasser wählen, die meisten nehmen aber den traditionellen Wein. Ist die Kelle nicht komplett leer, wird das mit Schlägen auf den Hintern bestraft - und natürlich findet sich immer noch ein Tropfen.

Nicht alle haben Zeit zum Feiern. Wer die Schießwettkämpfe vorbereitet, hat richtig viel zu tun: Nicole Nodop, die erste Vorsitzende der Sportabteilung, isst in der Kabine des Schießstands gerade ein Stück Pizza im Stehen. Sie und Maren Matho schreiben alle Ergebnisse auf.

Die Fachleute in der Kabine überwachen den Wettkampf: Maren Matho, Nicole Nodop, Jörn Rademacher und Marco Lemmel (von links).

Die Fachleute in der Kabine überwachen den Wettkampf: Maren Matho, Nicole Nodop, Jörn Rademacher und Marco Lemmel (von links). Foto: Anping Richter

„Damit sich keiner mit der geladenen Waffe umdreht“

Vereinssportsleiter Marco Lemmel führt die Oberaufsicht, Björn Bösch und Jörg Rademacher behalten die Schießenden im Blick. „Zum Beispiel, damit sich keiner mit geladener Waffe in der Hand umdreht“, erklärt Marco Lemmel. Außer den genannten, die alle einen Waffenkunde-Schein haben, dürfen nur die Schützen in die Kabine, die gerade dran sind, immer zwei zur Zeit.

Janna Meinking und Marius Stackmann im Schießstand.

Janna Meinking und Marius Stackmann im Schießstand. Foto: Richter

Denise Bohn und Arne Drusenka müssen in den Bunker. Der liegt am anderen Ende des gut 100 Meter langen Schießstands. „Lebensgefahr“ steht an der Tür, hinter der die beiden eine Leiter hinuntersteigen, die auf feuchtem Beton steht.

Der Schützenverein hat auch Stände mit automatischer, digitaler Anzeige. Doch heute wird traditionell geschossen - das ist spannender, denn so weiß bis zuletzt niemand, wer wie abgeschnitten hat. Auch nicht Denise und Arne, die unten im Betonbunker jetzt je einen „Fleck“, eine runde schwarze Pappscheibe mit Ringen, auf die Scheibe montieren und hochziehen. Die Flecke sind nummeriert, ohne Namen.

Hier geht es hinunter in den Bunker – Arne Drusenka öffnet die Tür.

Hier geht es hinunter in den Bunker – Arne Drusenka öffnet die Tür. Foto: Richter

Nicole Nodop dirigiert von der Kabine am anderen Ende des Schießstands aus per Walkie-Talkie. Es knallt, Holzsplitter fliegen. „Keine Angst, hier unten kann nichts passieren“, sagt Denise Bohn. Das Schießen ist eröffnet. Diese Ehre gebührt immer Königin und König des letzten Jahres.

Genug junge Bewerber für die Königsscheibe

Auf die Königsscheibe dürfen sie ein Jahr lang nicht schießen. Aber es gibt genug andere Bewerber. Alexandra Kappel zum Beispiel, die das Königsjahr am liebsten zusammen mit Tjark Effenberger erleben möchte, weshalb auch beide zusammen in den Schießstand gehen.

Wer bei den Jungschützen ist, kann jedes Wochenende von Mai bis Oktober feiern gehen - irgendwo ist immer Schützenfest, sagt Alexandra Kappel. Aber das ist es nicht allein, was sie so schätzt. Sie mag den Zusammenhalt: „Wir gehen immer zusammen los und gucken auch, dass jeder gut nach Hause kommt“. Die Uniformen: „Man muss nie übers Outfit nachdenken und es macht irgendwie auch alle gleich“. Die Kontakte: „Man lernt auch in den anderen Vereinen viele Leute kennen“.

Alexandra hat es am Ende nicht geschafft. Doch als am Abend im Festzelt an ihrer Stelle Angelina Pikos als neue Jungschützenkönigin neben Tjark Effenberger steht, wirkt sie nicht enttäuscht. Sie weiß: Es wird wieder ein gutes Party-Jahr.

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Das Schützenjahr im Landkreis Stade bietet viele Gelegenheiten, schöne Feste zu feiern. Ein Überblick: