TSo reagieren die Menschen im Kreis Stade auf den Krieg in Israel

Am historischen Rathaus in Stade weht die Flagge Israels als Zeichen der Solidarität und Anteilnahme. Foto: Stadt Stade
Der Krieg in Israel treibt viele Menschen auch im Landkreis um. Stade ist in Gedanken bei seiner Partnerstadt. Und Frauen aus dem Westjordanland waren vor kurzem noch hier zu Gast - jetzt sind sie in ihrem Dorf eingeschlossen.
Stade. Stade pflegt seit 1987 eine Städtepartnerschaft mit Givat Shmuel nahe Tel Aviv. Bürgermeister Sönke Hartlef hat sich am Montag mit einem Brief an den Bürgermeister von Givat Shmuel, Yossi Brodny, gewandt. Er schreibt von einer engen Beziehung zwischen beiden Städten, die sich zuletzt in der Trinationalen Jugendbegegnung mit jungen Menschen aus Givat Shmuel, Stade und Goldap (Polen) widerspiegelte.
„Grausamkeit ... lässt uns schockiert zurück“
Der Schock über die Nachrichten des Wochenendes sei entsprechend groß, so Hartlef. „Mit größter Sorge sehen wir die Nachrichten, die uns seit Samstagmorgen aus Israel erreichen“, heißt es in dem Brief. Und weiter schreibt Hartlef: „Die Grausamkeit, mit der die terroristische Hamas Israel aus dem Gazastreifen heraus attackiert hat, lässt uns schockiert und fassungslos zurück.“ Hunderte unschuldige israelische Zivilisten seien von Terroristen verschleppt, misshandelt und kaltblütig ermordet worden. Für diese Taten gebe es keinerlei Rechtfertigung.
Hartlef schreibt: „Wir möchten den Bürgerinnen und Bürgern unserer Partnerstadt Givat Shmuel und ganz Israel unsere Solidarität ausdrücken. Wir trauern um die vielen Opfer dieses Angriffs und sind in unseren Gedanken bei unseren Freunden und Bekannten in Israel. Wir wünschen den Menschen in Israel die Kraft, diese schwierigste Zeit zu überstehen und die Hoffnung auf eine Zeit, in der Frieden herrscht, nicht zu verlieren.“
Die Leidtragenden in diesem Krieg sind auf beiden Seiten Menschen, die nichts wollen als friedlich zu leben. Wie die sieben Frauen aus Al Walajah im Westjordanland, die erst vor vier Wochen auf Einladung des evangelischen Frauenwerks zu Besuch in Stade waren und in St. Johannis vor 70 Zuhörern von ihrem Leben im Schatten des Nahostkonflikts berichteten.
Rakete schlägt nahe dem Dorf ein
Der Großangriff der Hamas habe sie völlig überrascht. In unmittelbarer Nähe ihres kleinen Dorfs, das vier Kilometer südwestlich von Bethlehem liegt, schlug am Sonnabend eine Rakete ein, berichtet Angelina Höher aus ihrem Büro in Bethlehem. Für den Verein Kurve Wustrow, ein Zentrum für gewaltfreie Aktion, koordiniert sie ein Gemeinschaftsprojekt der Frauen, die mit Gärtnern und Kunsthandwerk versuchen, den Lebensunterhalt ihrer Familien zu sichern. Zurzeit seien die Menschen in Al Walajah völlig von der Außenwelt abgeschnitten: „Keiner kann rein, keiner kann raus.“
Vorräte gehen langsam zur Neige
Die beiden Läden, die es gibt, seien ausverkauft. Weder Reis noch Mehl noch Obst und Gemüse seien zu bekommen, die Bäckerei könne nicht backen. Da sie nicht darauf vorbereitet waren, machen sich die Frauen Sorgen, wie lange ihre Vorräte noch reichen. Auch Benzin gibt es nicht mehr. Zu fliehen ist ohnehin fast unmöglich: Das israelische Militär habe schon kurz nach den Angriffen am Sonnabendmorgen alle Zugänge gesperrt. Auch zu Fuß dürfe niemand das Dorf verlassen.
Angelina Höher rechnet damit, dass Hilfsorganisationen in den nächsten Tagen eintreffen und sich um die Versorgung der Menschen kümmern werden. Auch in der Nähe ihres Büros in Bethlehem gab es am Sonnabend Luftalarm und Explosionen. Zurzeit verlasse fast niemand das Haus. Sie und viele Bekannte befürchten eine Bodenoffensive und sprechen darüber, was sie jetzt tun sollen. Niemand habe so eine Situation in Israel bisher erlebt, alles sei auf Standby: „Es fühlt sich an wie die Ruhe vor dem Sturm.“
Viele Verbindungen aus dem Landkreis Stade nach Israel
In Stade ist Susanne Decker-Michalek jetzt im Austausch mit ihren Mitstreiterinnen vom evangelischen Frauenwerk, das die Gruppe aus Al Walajah nach Stade eingeladen hatte, weil der Weltgebetstag 2024 in den Händen palästinensischer Christinnen liegt: „Wir suchen zusammen nach Friedensgebeten und Fürbitten für die vielen Toten, die zu beklagen sind.“
Der Buxtehuder Stadtjugendring organisiert seit 2014 einen regelmäßigen Jugendaustausch mit Israel. „In den vergangenen Jahren sind hier viele Freundschaften über den Austausch hinaus entstanden“, sagt Achim Biesenbach, Vorsitzender des Stadtjugendrings. Er war im März zuletzt privat in Israel.
Aus dem Umfeld des Austauschprogramms wurde auch eine Arbeitsgruppe der Deutsch-Israelischen Gesellschaft gegründet. Davon gibt es sechs in Niedersachsen. Der offizielle Austausch fand im August statt. „Ich konnte zuerst nicht glauben, was passiert“, sagt Achim Biesenbach. Er habe wie viele andere aus dem Umfeld des Austauschprogramms erst einmal in großer Sorge bei den Freunden und Bekannten in Israel nachgefragt, wie es ihnen aktuell gehe.
„Es gab unter unseren Bekannten keine direkten Opfer, aber jeder kennt jemanden, der jetzt tot oder verletzt ist“, so Biesenbach. Israel sei ein kleines Land und bestehe zu 60 Prozent aus Wüste. Deshalb gebe es viele Beziehungen untereinander. Zum Vergleich: Israel ist nicht einmal halb so groß wie Niedersachsen.
So schätzt die Polizei die Lage ein
Eine besondere Gefährdungslage im Landkreis Stade sieht die Polizeidirektion Lüneburg derzeit nicht. Hintergrund: Außer zwei jüdischen Friedhöfen gibt es in der Region keine Einrichtungen, wo jüdischer Glauben gelebt wird. Hier vor Ort, so formuliert es die Polizei, gebe es derzeit keine „schutzwürdigen Objekte“.