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Nahverkehr

TSo unpünktlich ist die S-Bahn S5: Pendler packen aus

Zugausfälle am Bahnhof Buxtehude: Wer am Mittwoch, 26. März, am frühen Abend mit der S-Bahn aus dem Landkreis Stade nach Hamburg fahren wollte, musste Geduld aufbringen.

Zugausfälle am Bahnhof Buxtehude: Wer am Mittwoch, 26. März, am frühen Abend mit der S-Bahn aus dem Landkreis Stade nach Hamburg fahren wollte, musste Geduld aufbringen. Foto: Sulzyc

95,6 Prozent pünktliche Züge auf der Linie S5 zwischen Stade und Hamburg - das behauptet die aktuelle Statistik. Der Alltag zeigt ein anderes Bild. Fahrgäste sagen, was sie nervt.

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Von Thomas Sulzyc
Montag, 07.04.2025, 05:50 Uhr

Buxtehude. Pendler aus dem Landkreis Stade kennen das: Die Fahrt mit der S-Bahn auf der Linie S5 endet unplanmäßig in Neugraben. Wieder mal. Wegen einer Signalstörung, einer technischen Störung - oder aus einem anderen Grund.

Gestrandet in Neugraben. Hoffnung verbreitet zunächst die Zuganzeige auf dem Bahnsteig: In einer Minute fahre eine S-Bahn in Richtung Stade. Ob sie darauf vertrauen könne, fragt eine Frau in das Mikrofon der rot-grauen Informationssäule. Antwort: Ein kurzes Zögern, dann: „Ja, der Zug kommt gleich.“

„Mit dem Pferd bin ich schneller in Neu Wulmstorf“

In diesem Moment schallt aus den Lautsprechern über dem Bahnsteig eine gegenteilige Information: Der Zugverkehr zwischen Neugraben und Stade sei unterbrochen. S-Bahngäste sollen den Regionalzug nehmen. Dieser halte ausnahmsweise an jedem Bahnhof auf der Strecke. Erwartete Abfahrt in mehr als 20 Minuten. „Mit dem Pferd bin ich schneller in Neu Wulmstorf“, sagt die Gestrandete hörbar frustriert. „Oder noch besser - mit dem Esel.“

Der Dialog zeigt das Dilemma auf der Linie S5 zwischen Neugraben und Stade: Störanfälligkeit des Bahnbetriebs. Widersprüchliche Kommunikation. Und am schlimmsten: Viele Fahrgäste aus dem Landkreis Stade haben offenbar das Vertrauen in die Zuverlässigkeit der „Niedersachsen-Linie“ S5 verloren.

Marie-Sophie Jäschke (25) lebt in Buxtehude und fährt täglich mit der S-Bahn zu ihrem Arbeitsplatz nach Hamburg. Auf die Linie S5 verzichtet die medizinische Fachangestellte. Stattdessen fährt sie mit dem Auto zum S-Bahnhof Neugraben und von dort weiter mit der S-Bahnlinie S3.

Pünktlich wie die Eisenbahn? Das sehen Pendler anders

Zwei Vorteile habe das: Ihr bleibe das Umsteigen in der Masse an Menschen am Hauptbahnhof erspart. „Und ich werde in Neugraben nicht rausgeschmissen.“ Von Rausschmiss sprechen Fahrgäste der S5, wenn S-Bahn-Züge auf der Fahrt nach Buxtehude unplanmäßig vorzeitig in Neugraben enden und sie den Zug verlassen müssen.

Nicht immer hat der Stillstand der S-Bahn einen so tragischen Grund wie hier nach einem Unfall zwischen Buxtehude und Neukloster. Die vielen Bahnübergänge zwischen Stade und Neugraben machen den Betrieb für Störungen anfällig.

Nicht immer hat der Stillstand der S-Bahn einen so tragischen Grund wie hier nach einem Unfall zwischen Buxtehude und Neukloster. Die vielen Bahnübergänge zwischen Stade und Neugraben machen den Betrieb für Störungen anfällig. Foto: Vasel

Pünktlich wie die Eisenbahn - diese Redewendung haben viele Berufspendler aus dem Landkreis Stade mittlerweile aus ihrem Sprachschatz gestrichen.

Dabei fahren die S-Bahn-Züge auf der Linie S5 zwischen Stade und Elbgaustraße laut Statistik zu 95,6 Prozent pünktlich. Das ist der Februar-Wert, der aktuellste. Im Januar war die Pünktlichkeitsquote sogar noch höher: 96,7 Prozent. Pünktlich bei der S-Bahn Hamburg bedeutet, weniger als drei Minuten Verspätung.

Monatliche Statistik zur Pünktlichkeit

Der Hamburger Verkehrsverbund veröffentlicht monatlich im Internet die Pünktlichkeit der S-Bahn Hamburg: www.hvv.de/de/ueber-uns/der-hvv/zahlen-daten-fakten/qualitaetsmonitor/s-bahn

Was die Statistik verzerrt: Eine ausgefallene Bahn wird nicht dazugezählt, weil sie eben nicht unpünktlich gekommen ist - sondern gar nicht.

Das Foto zeigt die niedersächsische Landtagsabgeordnete Birgit Butter (CDU) an den Bahngleisen zwischen Neukloster und Horneburg.

Das Foto zeigt die niedersächsische Landtagsabgeordnete Birgit Butter (CDU) an den Bahngleisen zwischen Neukloster und Horneburg. Foto: Butter

Die niedersächsische Landtagsabgeordnete Birgit Butter (CDU) aus Buxtehude-Hedendorf zweifelt die Aussagekraft nicht nur an - sie sammelt mit Hilfe von Fahrgästen Fakten gegen die ihrer Meinung nach geschönte Pünktlichkeitsstatistik.

Die Politikerin hat S-Bahngäste aufgerufen, ihr Unregelmäßigkeiten auf der Strecke zwischen Stade und Hamburg per E-Mail zu melden. Das Ergebnis einer vorläufigen Auswertung: In der Zeit vom 17. Dezember 2024 bis 21. März haben Fahrgäste 1083 Zugverspätungen und 141 Zugausfälle gemeldet.

Rund 400 Fälle pro Monat - Birgit Butter sieht damit die Pünktlichkeitsstatistik als widerlegt an. „Die S5 bringt nicht die Verlässlichkeit, die uns versprochen wurde“, sagt die Parlamentsabgeordnete.

Das antwortet die S-Bahn Hamburg

Wie bewertet die S-Bahn Hamburg diese Zahlen? Diese Frage beantwortete das Unternehmen dem TAGEBLATT nicht. Nur so viel: „Die Gründe für Verspätungen sind vielfältig und immer auch im Einzelfall zu prüfen. Fakt ist, ein Großteil der Störungen auf der Strecke S5 sind infrastrukturbedingt“, antwortete eine Sprecherin der S-Bahn Hamburg.

Wenn Marketingmanagerin Daniela Schubert im Beruf einen Termin einzuhalten hat, fährt sie 45 Minuten früher los, als eigentlich laut Fahrplan nötig. „Weil ich nicht darauf vertraue, dass die S-Bahn pünktlich kommt“, sagt sie.

An zwei bis drei Tagen in der Woche fährt die 42-Jährige aus Buxtehude mit der S-Bahn S5 zu ihrem Arbeitsplatz nahe dem S-Bahnhof Stadthausbrücke. Nicht alles sei schlecht am S-Bahnbetrieb. Der Zehn-Minuten-Takt zum Beispiel. Und dass die Züge an vielen Tagen eben doch pünktlich fahren. Mit der Schulnote 3, befriedigend, bewertet sie deshalb die S5.

Für unzureichend hält die Kommunikationsexpertin aber die Information der Fahrgäste bei Störungsfällen. Die Bahn biete den Menschen keine Hilfe, wenn die sich fragen: „Lohnt es sich, am Bahnhof zu warten? Oder hole ich das Auto?“

Mit der S5 fahren? Chef erlaubt Homeoffice

Seine eigene Antwort darauf hat Christian Martin (38) aus Horneburg gefunden. Der Salesmanager arbeitet zu Hause und fährt lediglich an zwei Tagen mit der S5 zur Arbeit nach Hamburg und wieder zurück. Das habe er bei seinem Arbeitgeber beantragt und die Erlaubnis erhalten. „Weil alles andere auf der Strecke unzumutbar ist“, sagt er.

Aus Horneburg fährt Christian Martin mit der S-Bahn bis zum Bahnhof Dammtor. „Der gravierendste Mangel ist die Unzuverlässigkeit, das habe ich nirgends erlebt“, sagt er. Die Länder Niedersachsen und Hamburg sollten endlich gemeinsam die Probleme auf der Linie S5 lösen.

Christian Martin bewertet die S-Bahnlinie S5 mit der Schulnote 5 - mangelhaft. „Weil ich bei insgesamt vier Fahrten in der Woche, zwei Hin- und zwei Rückfahrten, nur einmal pünktlich ans Ziel komme.“

Nicht alle Berufstätigen haben das Privileg, zu Hause arbeiten zu können. Schichtarbeiter Alex Eglien aus Neukloster hat nach eigenen Angaben in den vergangenen drei Monaten „locker zehn Mal Probleme mit der Bahn gehabt“, schrieb er dem TAGEBLATT in einer E-Mail. Deshalb sei er nach der Schicht mehrere Male von Neugraben aus 22 Kilometer mit dem Fahrrad nach Hause gefahren.

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