TSpinnen kleben Horneburger Orgel zu – Instandsetzung kostet 72.000 Euro

Beim Advents- und Weihnachtssingen blieb die Orgel der grundsanierten Liebfrauenkirche in Horneburg am Sonntagabend still. Im Februar soll der Orgelbauer anrücken. Foto: Vasel
Nach Ende der Grundsanierung der Horneburger Kirche musste Pastorin Dorlies Schulze eine Hiobsbotschaft verkünden: Die Orgel darf nicht mehr gespielt werden. Schuld sind Achtbeiner, die bei den biblischen Plagen keine Erwähnung fanden. Das ist die Geschichte.
Horneburg. „Eine Kirche ohne Orgel ist wie ein Körper ohne Seele.“ Mit diesem Zitat des Arztes und Theologen Albert Schweitzer (1875-1965) haben die Pastorinnen Dorlies Schulze und Heike Kirchner mit Dorothee Kröger vom Kirchenvorstand einen Spendenaufruf gestartet.
Organist Klaus-Jürgen Buchroth musste am Sonntagabend auf ein E-Piano ausweichen. Die stimmgewaltigen Sängerinnen und Sänger kamen beim Adventssingen der Kantorei, der Hornelujas, des Posaunenchors Bliedersdorf und der Männergesangvereine Treue und Eintracht aus Hedendorf beziehungsweise Nottensdorf ohne Orgel aus.
Sanierung der Horneburger Kirche zog sich über drei Jahre hin
Die Orgel, sozusagen die Seele der Kirche, war im Oktober 2020 hinter Platten staubdicht eingehaust worden - gemeinsam mit weiteren Kunstschätzen. Allerdings hatten die Handwerker, die Denkmalschützer vom Amt für Bau- und Kunstpflege der Landeskirche und der Kirchenvorstand nicht damit gerechnet, dass die Sanierung des 1729 bis 1739 errichteten barocken Gotteshauses so lange dauern werde, erklärt Kröger. Auch sie hatte gehofft, dass das Kapitel Baustelle vorerst geschlossen ist.
Ende August war das Ende der Kirchensanierung von 2020 bis 2023 mit einem Festgottesdienst gefeiert worden. Turm und Dach waren erneuert worden, im Inneren hatte die Kirche dem Gebäude eine umfassende Schönheitskur gegönnt - verbunden unter anderem mit einer energetischen Sanierung. Der Bröckelputz ist Geschichte, Wände und Tonnengewölbe der Kirche strahlen, auch dank neuer Lichttechnik, in hellem Weiß. Doch beim Abbau der Einhausung tat sich eine neue Baustelle auf.
Eine eingehauste Orgel: Ein Paradies für Spinnen
Für die Spinnen war die Zeit der Einhausung das Paradies auf Erden. „Sie haben die Orgel innen und außen massiv mit ihren klebrigen Netzen und einem zähen Dreck überzogen“, sagt Kröger. Aufgrund des Schmutzfilms müssten jetzt alle Pfeifen ausgebaut und gereinigt werden. Das sei mit einem enormen Aufwand verbunden.

Im Oktober 2020 war die Orgel - vor der Renovierung - staubdicht - eingehaust worden. Foto: Vasel
In der Kirche muss - voraussichtlich im Februar kommenden Jahres - wieder ein Gerüst aufgebaut werden. Der Orgelbauer wird die Pfeifen vor Ort vom Schmutz der Spinnen befreien. Des Weiteren soll der Orgelklang nach der Säuberung auch an die neue Raumakustik angepasst werden, damit Organist Buchroth bei Gottesdiensten und Konzerten die ganze Bandbreite seines Könnens und des Instrumentes ausspielen kann. Kurzum: Die Gemeinde habe zurzeit „einen tollen Organisten, aber keine bespielbare Orgel“, klagt Kröger.
Spenden sollen Orgel wieder erklingen lassen
Damit sich das ändert, muss die Kirchengemeinde viel Geld in die Hand nehmen. 72.000 Euro werde die Orgel-OP kosten, sagt die Vorsitzende des Kirchenvorstandes. Davon müssen die Horneburger 25.650 Euro aufbringen. Auch Landeskirche und Kirchenkreis sowie an der Sanierung beteiligte Firmen haben Hilfe zugesagt. Allein für die Reinigung der großen, sichtbaren Prospekt-Pfeifen werden 200 Euro und mehr in Rechnung gestellt.

Blick auf die staubdicht eingehauste Orgel der Liebfrauenkirche während der Sanierung 2020/2023. Foto: Vasel
Weil Ebbe in der Baukasse herrscht, könne das Instrument ohne Spenden nicht erhalten werden. Der Orgelbauer stehe in den Startlöchern. Im Februar soll dieser loslegen. Heiligabend 2024 wird die Orgel wieder erklingen, vielleicht schon in der ersten Jahreshälfte, so Schulze. Dafür müssen rund 1100 Pfeifen gereinigt werden, so der Orgelsachverständige der Landeskirche und künstlerische Leiter der Orgelakademie Stade, Martin Böcker. Die Kirchengemeinde hat ein Spendenkonto eingerichtet: Kreissparkasse Stade; IBAN DE43 2415 1116 0000 4116 11; Verwendungszweck: Orgel.
Orgel von 1755 stammt von einem Schnitger-Jünger
Horneburg verfügte bereits 1669 über eine eigene Orgel im Vorgängerbau der Kirche. Von der Orgel von 1755 ist nur der denkmalgeschützte Prospekt (Vorderseite) mit historischen Pfeifen erhalten. Dieser soll vom Orgelbauer Johann Matthias Schreiber stammen. Er hatte sich 1750 in Glückstadt als Orgelbauer und Weinhändler niedergelassen und soll Geselle des Stader Orgelbauers Gloger gewesen sein. Schreiber wird der Schule von Arp Schnitger (1648-1719) zugerechnet, der Glückstadter baute laut Böcker 1750/1753 die Mittelnkirchner Orgel um.
Der Pastor i.R. Christian Fuhst ist bei Recherchen auf einen Artikel der Horneburger Zeitung vom 2. März 1906 gestoßen. Damals war ein Neubau geplant. In dem Artikel heißt es, dass die Orgel vor 180 Jahren entstanden sei und „damals schon in Dienste einer Hamburger Kirche alt geworden“ sei. Doch in das Gehäuse der historischen Recycling-Orgel wurde von den Gebrüdern Hillebrand (1974/1987) und von Amadeus Junker (1999) in mehreren Bauabschnitten eine neue Orgel eingebaut.

Blick auf die Horneburger Orgel im Dezember 2023. Foto: Vasel