TSterbliche Überreste in Horneburg beigesetzt: Die Geschichte der 80 Toten

Beerdigung auf dem Alten Friedhof: Pastorin Dorlies Schulze am neuen Grab der 80 Toten, deren sterbliche Überreste im Jahr 2019 an der Liebfrauenkirche in Horneburg ausgegraben worden sind. Foto: Vasel
Im Jahr 2019 legten die Archäologen im Schatten der Horneburger Liebfrauenkirche einen Friedhof und Fundamente des Vorgängerbaus frei. Die sterblichen Überreste von 80 Menschen sind jetzt beigesetzt worden. Ein Blick in die Geschichte.
Horneburg. Pastorin Dorlies Schulze sprach ein Gebet, dann wurde der Sarg mit den sterblichen Überresten der 80 Menschen heruntergelassen. Unter anderem Horneburgs Bürgermeister Jörk Philippsen und Samtgemeindebürgermeister Knut Willenbockel sowie Vize-Ortsbrandmeister Dennis Dalchau gaben der Beisetzung einen würdigen Rahmen.
Gräber
Straßenbauer entdecken Knochen und Schädel
Die Knochen waren vor fünf Jahren bei einer Ausgrabung bei der Städtebausanierung Ortsmitte Horneburg von der Grabungsfirma Archaeofirm im Bereich der Kirche - an der Kreuzung von Langer Straße, Marschdamm, Vordamm und Bleiche - freigelegt worden.

Gräber im Schatten der Kirche: Blick auf die Ausgrabungsfläche im Jahr 2019 an der Horneburger Kirche, rechts Kreisarchäologe Daniel Nösler. Foto: Vasel
Beim Bau der Behelfsfahrbahn hatten Mitarbeiter der Firma Henn aus Helmste im Frühjahr 2019 unter anderem einen Schädel entdeckt. „Sie waren auf dem Kirchhof auf die oberste Schicht der Gräber gestoßen“, sagt Kreisarchäologe Daniel Nösler.
Archäologischer Sensationsfund in Horneburg
Die Horneburger stapelten ihre Toten im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit aus Platzmangel übereinander. Sogar Brandspuren aus dem Dreißigjährigen Krieg endeckten die Archäologen. So hatten Truppen des obersten Heerführers der Katholischen Liga und des Kaisers, Johann T’Serclaes von Tilly, am 11. Oktober 1627 Horneburg eingenommen. Sie brannten alles nieder.
Auch die Schweden verwüsteten Horneburg im Jahr 1632 bei der Rückeroberung. Doch nicht nur die oberste Gräberschicht, auch Fundamente der mittelalterlichen Vorgängerkirche legten die Archäologen frei. Dieser Fund war eine kleine Sensation.
Die Ur-Kirche war um 1396, die Burg bereits 1255 errichtet worden. Der Mitte des 16. Jahrhunderts errichtete Neubau der Kirche fiel den kaiserlichen Truppen zum Opfer. Der heutige Kirchenbau stammt aus dem 18. Jahrhundert.
Zweite Bestattung auf dem Alten Friedhof
Die Mehrzahl der Toten sei in hölzernen Särgen bestattet worden. Auffällig war laut Nösler der relativ hohe Anteil an Säuglingen und Kindern, was ein Beleg für die hohe Kindersterblichkeit in der Vormoderne sei. 50 Prozent der Kinder erlebten das sechste Lebensjahr nicht. Aus hygienischen Gründen sei der Friedhof an der Kirchenmauer im 18. Jahrhundert aufgegeben worden, die Toten wurden fortan auf dem Alten Friedhof begraben.
Dort fanden die Überreste von 80 Toten aus dem 17./18. Jahrhundert am Freitag ihre letzte Ruhe, ein Grabstein folgt. Thomas Stelzer von Jückmann Bestattungen stellte den Sarg kostenlos zur Verfügung.

Der Sarg mit den Überresten von 80 Menschen aus dem 17./18. Jahrhundert wird heruntergelassen. Foto: Vasel
Die nun Bestatteten liegen neben den Überresten der 1632 zerstörten Gertruden-Kapelle. Horneburg war im Mittelalter bedeutend für tiefgläubige Christen. In der Kapelle am heutigen, 1973 aufgegebenen Alten Friedhof am Auedamm zog eine Reliquie der 659 gestorbenen Äbtissin Gertrud von Nivelles, Ur-Ur-Großtante von Karl dem Großen, die Pilger an.