TStreit unter Freunden eskaliert – Messerstiche waren Notwehr

Im Prozess um den versuchten Totschlag in der Bremerhavener Batteriestraße fiel am Montag ein Urteit. Foto: Sina Schuldt
Ein Hammer, ein Knüppel, ein Messer und ein Hund, das sind die Waffen, die aus einem Streit einen Prozess wegen versuchten Totschlags machten. „Mackers“ sorgen vor Gericht für Schmunzeln.
Bremerhaven. Durch den Verhandlungssaal 218 des Bremer Landgerichts hallen Worte, die im Mittagsprogramm des Fernsehens zensiert werden müssten. Sie sollen gefallen sein, als das spätere Opfer den mutmaßlichen Täter im Fall um zwei Messerstiche in der Bremerhavener Batteriestraße aus seiner Wohnung zitieren wollte. Der Vorsitzende Richter muss sie bei seiner Urteilsverkündung erneut verlesen und tut das unter allgemeinem Schmunzeln.
Die Geschichte ist auch im Ganzen ein wenig bizarr: Zwei selbst ernannte „Mackers“, die sich prügeln wollten, um einen alten Streit zu klären. Der eine hat angeblich der Ex-Frau des anderen vor die Füße gespuckt, woraus ein schwelender Streit eskalierte. Der Ex-Mann, das spätere Opfer, packte daraufhin besagte Frau sowie deren neuen Partner ins Auto und fuhr zur Wohnadresse des Angeklagten. „Ein bisschen boxen“ wollte man sich, erzählte er freimütig während seiner Zeugenaussage. Auch dass er selbst als reizbar und aggressiv bekannt sei, gab er offen zu. Er zitierte also seinen ehemaligen Freund aus der Wohnung, um die Sache zu klären. Der spätere Angeklagte Patrick B. verweigerte zunächst das „Boxen“ und kehrte nach dem Austausch einiger Beschimpfungen zurück in seine Wohnung.
Aussagen widersprüchlich, Sachverständiger klärt auf
Die Begleiter des späteren Opfers, die als Zeuge und Zeugin gehört wurden, sind an dieser Stelle widersprüchlich; die Ex-Frau des Opfers hatte sogar ihre Anwesenheit am Tatort bestritten. Nachbarn sagten dagegen aus, dass alle drei vor der Tür standen und am Ende einer schwer verletzt war. Das Opfer selbst trat im Prozess als Nebenkläger auf und belastete sich nicht unerheblich selbst. Der 46-jährige Bremerhavener gab etwa zu, dass er selbst den ersten Schlag ausgeführt habe, nachdem der Angeklagte zurück auf die Straße gekommen war. Bewaffnet mit einem Hammer, einem Messer und seinem Hund, einem Bulli-Mix, wollte er die Sache „endgültig klären“.
Einen Schlag mit dem Knüppel, zwei Hammerschläge, einen Leberhaken und zwei Messerstiche später liegt das Opfer am Boden, muss als Notfall ins Krankenhaus gebracht werden. Wie das passiert ist, daran kann sich keiner der beiden so richtig erinnern.
Ein Rechtsmediziner soll als Gutachter Klarheit schaffen. Einen Pneumothorax, also eine kollabierte Lunge, habe das Opfer gehabt, berichtet er. Das kann schnell lebensgefährlich werden und musste intensivmedizinisch behandelt werden. Die beiden Messerstiche landeten mit ruhiger Hand im Rücken des Opfers - schwierig, während eines laufenden Gerangels. Der Hammerschlag am Kopf des Opfers sei dagegen nicht so schwer gewesen; möglicherweise sei der Hammer abgerutscht. Auch die Verletzung des Angeklagten durch den Knüppel-Schlag schätzt der Experte als nicht schwer ein. Dass der Angeklagte sich an den Messerstich nicht erinnern könne, sei möglich, denn Patrick B. konsumierte sowohl kurz vor der Tat als auch regelmäßig Cannabis. Das habe sein Blutbild ergeben.
Notwehr oder nicht? Davon hängt das Urteil ab
In der Geschichte an sich sind sich also nach wie vor alle Beteiligten und der Gutachter einig. Aber handelte Patrick B. aus Notwehr, wollte also den „gegenwärtigen und rechtswidrigen Angriff“ des späteren Opfers von sich abwenden?
Nein, sagt der Staatsanwalt in seinem Plädoyer. Die Bewaffnung mit Hammer, Messer und Hund, die freiwillige Rückkehr an den Ort des Geschehens und nicht zuletzt die Messerstiche in den Rücken sprächen dagegen. Am Ende des Plädoyers stehen als Forderung 2 Jahre und 9 Monate wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit schwerer Körperverletzung.
Der Verteidiger des Angeklagten sah das naturgemäß anders: Das Opfer sei als aggressiv bekannt gewesen. Patrick B. habe sich zur Abschreckung bewaffnet, wollte den Streit verbal klären und sah sich einem rasend wütenden Mann gegenüber, der es schaffte, ihn zu entwaffnen und zu Boden zu bringen.
„Wenn Mackers sich prügeln, dann geht das nicht gut aus“
Die Sichtweise des Verteidigers teilte auch das Gericht größtenteils. „Wenn Mackers sich prügeln, dann geht das nicht gut aus!“, sagte der Vorsitzende Richter nach der Verkündung des Freispruches. Patrick B. habe aber aus Notwehr gehandelt, die beiden Messerstiche seien das passende Mittel gewesen, um den Angriff sofort zu beenden. „Letztlich war das ein überflüssiger Vorfall. Das hätte verbal geklärt werden müssen“, schloss der Vorsitzende den Prozess. „Aber wir urteilen hier strafrechtlich, nicht moralisch.“
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, binnen eines Monats kann Revision eingelegt werden.