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Phänomene der Natur

TTausende Exemplare in mehreren Kilometern Höhe: Rasenameisen mit Flügeln

An warmen Tagen verlassen fliegende Ameisen das Nest.

An warmen Tagen verlassen fliegende Ameisen das Nest. Foto: Reinhard Paulin

Ein warmer Nachmittag im Sommer. Es ist windstill, kein Blatt bewegt sich. Vor dem Nesteingang der Rasenameisen herrscht wenig Betrieb. Plötzlich erscheinen außer den ungeflügelten Arbeiterinnen auffällig große, geflügelte Ameisen.

Von Wolfgang Kurtze Montag, 15.07.2024, 02:50 Uhr

Landkreis. Sie laufen am Boden ein paar Zentimeter umher. Dann klettern sie auf einen Grashalm. Der wirkt wie eine Startbahn. Die Ameisen heben ab und fliegen hoch in die Luft.

Immer mehr geflügelte Ameisen krabbeln aus dem Ameisennest. Sie zeigen das gleiche Verhalten. Hunderte von ihnen fliegen nun umher. Doch diese gewaltige Flugschau ist noch lange nicht beendet.

Flugunfähige Arbeiterinnen bleiben am Boden

Aus einem anderen Nest kommen ebenfalls geflügelte Ameisen hervor. Bald ist die Luft angefüllt mit Abertausenden von ihnen, die alle auf Flugreise sind. Oft tragen Aufwinde die Ameisen in mehrere Kilometer Höhe. Es sind nur männliche und weibliche Rasenameisen. Sie sind auf ihrem Hochzeitsflug, während die flugunfähigen Arbeiterinnen am Boden bleiben.

Die Hochzeitsflüge der Rasenameisen werden gut vorbereitet. Zunächst schlüpfen im Ameisenstaat die geflügelten Männchen. Sie geben Hormone ab, die weibliche Tiere zum Schlüpfen und Fliegen anregen. Ist das Wetter aber schlecht, dann bleiben die geflügelten Ameisen im Erdnest.

Auf Nahrungssuche gehen die geflügelten Tiere nicht

Bieten sich während des Jahres keine Möglichkeiten zum Fliegen, dann überwintern sie sogar und warten auf ihre Chance im nächsten Jahr. Auf Nahrungssuche gehen die geflügelten Tiere nicht. Sie werden von ihren Arbeiterinnen mit Futter versorgt.

Doch irgendwann ist für die geflügelten Ameisen bestes Flugwetter und los geht der Hochzeitsflug. Duftstoffe sorgen dafür, dass jetzt alle geflügelten Ameisen aus ihren Nestern herauskrabbeln und zur gleichen Zeit fliegen.

Die Paarung erfolgt fast immer hoch oben in der Luft. Dann landen sie irgendwo am Boden. Ihre Flügel brechen bald an Sollbruchstellen ab. Die kleineren geflügelten Männchen hatten nur ein kurzes Vergnügen. Ihre Aufgabe ist nach der Paarung erfüllt und sie sterben.

Eine Paarung reicht für den Rest des Lebens

Die befruchteten Weibchen gründen nun einen neuen Staat und werden zur Königin. Sie haben während der Paarung so viele Spermien bekommen, dass diese für ihr ganzes Leben ausreichen, um genügend Eier zu legen.

Aber der Anfang ist für die Königin extrem schwierig: Sie muss eine geeignete Höhle finden, Eier legen und pflegen, die Larven umsorgen und sich selbst Futter beschaffen. Der Rest der Flugmuskulatur bietet ihr nur für ein paar Tage etwas Reserve.

Nur die wenigsten können einen Staat gründen

Diese Mammutaufgabe können die allermeisten Jungköniginnen nicht bewältigen. Schätzungen ergeben, dass von fünf- oder zehntausend Jungköniginnen es nur eine einzige schafft, einen neuen Staat zu gründen. Erst wenn sich ein kleiner Staat entwickelt hat, ist das Gröbste überstanden.

Doch auch das ist nicht die Gewähr dafür, dass der Staat gedeihen kann. Grünspechte fressen Rasenameisen für ihr Leben gern und suchen sie mit ihrer langen Zunge in der Erde. Parasiten können Ameisenstaaten erheblich schädigen. Die größte Gefahr für Rasenameisen ist aber ihr Hochzeitsflug.

Wenn die Luft mit geflügelten Tieren erfüllt ist, befinden sich Schwalben, Mauersegler oder Grauschnäpper in einem wahren Schlaraffenland. Nie ist es so leicht, sich den Vogelmagen mit Nahrung vollzuschlagen.

Serie und Buch

Was kreucht und fleucht denn da in der Region? Wolfgang Kurtze, Vorsitzender der Lions-Naturschutz-Stiftung, schreibt über Phänomene und Kuriositäten in der Natur. Das TAGEBLATT veröffentlicht die Artikel des promovierten Biologen in loser Reihenfolge.

Die TAGEBLATT-Serie „Phänomene der Natur“ rückt kurzweilig Wissenswertes aus der Natur in den Mittelpunkt. Jetzt ist der zweite Band von Wolfgang Kurtze im Buchhandel erhältlich. Herausgeber ist die Lions Stiftung Stade zur Förderung des Natur- und Umweltschutzes. Erhältlich ist das reich illustrierte und in Jahreszeiten gegliederte Werk im Buchhandel für 19,90 Euro.

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