Zähl Pixel
Ministerbesuch

TTonne zu Gast: So vernetzt ist die Chemie-Industrie auf Bützflethersand

Der Minister lässt sich die Dow-Messwarte erklären.

Der Minister lässt sich die Dow-Messwarte erklären.

Das eine hängt mit dem anderen zusammen: Die Betriebe im Stader Chemie-Park sind untereinander Kunde und Lieferant. Dieses Zusammenspiel beeindruckte auch einen Minister.

author
Von Lars Strüning
Freitag, 25.07.2025, 05:50 Uhr

Stade. Grant-Hendrik Tonne (SPD) war jahrelang Kultusminister im Land Niedersachsen, also für die Schulen zuständig. Nach dem Wechsel von seinem Vorgänger Olaf Lies auf den Ministerpräsidenten-Posten rückte er als Wirtschaftsminister nach. Seine Sommertour führte ihn - bei Gewitter und Starkregen - ins Industriegebiet nach Bützfleth.

Die Forderungen der Unternehmen an die Politik

Im Mittelpunkt habe die Frage gestanden: „Wie können wir den Industriestandort weiterentwickeln bei all den Schwierigkeiten, die damit zusammenhängen?“, sagte Tonne auf TAGEBLATT-Nachfrage. Die Leitungsriege der Unternehmen im Chemiepark hat dazu klare Wünsche Richtung Politik geäußert. Die Probleme von Dow, Olin, AOS, Roquette und Co sind bekannt: Zu hohe, international nicht wettbewerbsfähige Energiepreise, zu günstige Konkurrenz aus Asien und lähmende Bürokratie.

Große Versprechungen kann Tonne als Landesminister nicht machen. Immerhin: Das Land finanziert zu 90 Prozent die Stelle von Chemie-Park-Koordinator Stephan Engel. Ansonsten versucht die rot-grüne Regierung in Hannover, für ihre Standorte gute Worte einzulegen in Berlin oder Brüssel, auf Probleme hinzuweisen, Änderungen zu fordern. Ziel: „Wir wollen unsere Wirtschaft schützen“, die sich auf den Weg zur Dekarbonisierung mache.

Tonne wünscht sich bei Genehmigungsverfahren die von seinem Chef Lies gern zitierte „neue Deutschland-Geschwindigkeit“ bei Genehmigungsverfahren. So wie es beim LNG-Terminal oder dem Energiehafen für verflüssigte Gase in Stade gelaufen sei, müsse Standard und nicht die Ausnahme sein.

Minister bezeichnet Chemiepark als „Aushängeschild“

Die Stärken des Standorts sind die Kombinationen der Unternehmen, die Verknüpfung, die Zusammenarbeit, sagte Tonne. „Das hier ist ein wirklich starker Standort mit vielen Beschäftigten und qualifizierten Arbeitsplätzen.“ Tonne nannte den Chemiepark „ein Aushängeschild“. Jetzt gehe es auch darum, neue Ansiedlungen zu ermöglichen.

Das Spannende an den projektierten Vorhaben: Die Betriebe würden ebenso integriert im Chemiepark arbeiten wie die bisherigen, was übrigens nicht nur in Stade ein großes Plus, sondern die Grundidee von Industrieparks ist.

Da ist die gemeinsame Infrastruktur mit Einzäunung, Straßen, Wasserversorgung und -entsorgung. Aber auch gemeinsam genutzte Einrichtungen wie der Werkschutz, die Werkfeuerwehr oder die Ausbildungswerkstatt. Da ist in Stade auch der Seehafen zu nennen, den vorwiegend AOS und Dow nutzen.

Spannend wird es bei der stofflichen Integration, wenn die Produktionen der Unternehmen auf Bützflethersand miteinander verquickt sind. Rik Lehmann ist Industriepark-Manager. Er nennt Beispiele, wie konkret die Kooperation zum Beispiel von Dow und Olin läuft.

Alles beginnt in Harsefeld-Ohrensen, wo Dow das Salz gewinnt für die Chlorproduktion in der Elektrolyse, in der auch Natronlauge und Wasserstoff entstehen. Dow ist laut Eurochlor, dem Verband der europäischen Chlorproduzenten, der größte Wasserstoffproduzent Europas sein. Ein Teil der Natronlauge geht an die benachbarte AOS.

So eng arbeiten die Chemie-Betriebe zusammen

In der MDI-Anlage zum Beispiel wird der Grundstoff für den Schaum produziert, den viele in ihren Matratzen, Autositzen oder Turnschuhen wiederfinden, ohne dass Dow draufsteht. Ein Nebenprodukt dabei ist hochwertiger Chlorwasserstoff. Der geht zu Olin, die daraus Methylchlorid herstellen und es an Roquette weiterleiten für deren Methylcellulose. Ein gutes Beispiel, wie verkettet die Anlagen untereinander sind.

Ein Teil des produzierten Chlors geht von Dow direkt zu Olin, die letztlich daraus Epoxidharze herstellen. Die Harze werden zum Beispiel beim Bau von Windkraftanlagen benötigt.

Die möglichen Ansiedlungen würden auch mit den bestehenden Unternehmen interagieren. Prime Lithium, das Lithium für E-Auto-Batterien produzieren will, würde von Dow auch mit Natronlauge versorgt. Das im Bau befindliche LNG-Terminal im Chemiepark will die Abwärme der Dow nutzen in Form von warmem Wasser, um das tiefgekühlte und damit flüssige Erdgas wieder in Gasform zu versetzen.

Neue Unternehmen passen zum Standort

Hanseatic Hydrogen will im Chemiepark grünen Wasserstoff produzieren. Von der Dow könnte gereinigtes Wasser bezogen werden, das ursprünglich aus der Elbe stammt, für die Elektrolyse. Dow selbst könnte seinen Wasserstoff in das bundesdeutsche Kernnetz einspeisen, um bundesweit genutzt zu werden. So bieten sich also auch hier viele Anknüpfungspunkte, damit sich neue Betriebe niederlassen und die vorhandenen Unternehmen stärken.

Ein Mitarbeiter vom Dow-Werk Stade bei der Arbeit (Symbolbild).

Ein Mitarbeiter vom Dow-Werk Stade bei der Arbeit (Symbolbild). Foto: Fehlbus

Copyright © 2025 TAGEBLATT | Weiterverwendung und -verbreitung nur mit Genehmigung.

Weitere Artikel