TToter am Stader Bahnhof: Fünf Männer vor dem Landgericht angeklagt

5. März 2024: Blick auf die vom Spezialeinsatzkommando (SEK) gesprengte Tür eines Gebäudes an der Altländer Straße in Stade. Dort wurde nach den Tätern gesucht. Foto: Vasel
Schläge und Tritte, immer und immer wieder: Fünf Männer sollen einen 44-Jährigen so schwer misshandelt haben, dass dieser an den Folgen starb. Darum geht es in dem Fall.
Stade. Unter großen Sicherheitsvorkehrungen hat am Freitagmorgen der Parkhaus-Prozess am Landgericht Stade begonnen. Kurz nach 9.15 Uhr betrat Yunus K. (27) den Schwurgerichtssaal in Handschellen. Der Kurde sitzt als einziger der fünf 25 bis 36 Jahre alten Angeklagten in der Untersuchungshaft, weil er sich nach Bosnien abgesetzt hatte.
Bei dem Prozess geht es um den Tod von Mehmet S. aus Hamburg am 22. Januar 2024. Der 44-Jährige starb im Stader Elbe Klinikum an den Folgen seiner lebensgefährlichen Verletzungen, die ihm die fünf Angeklagten zugefügt haben sollen.
Die 3. Große Strafkammer unter Vorsitz von Marc-Sebastian Hase hat sechs Verhandlungstage angesetzt. Im Mittelpunkt stand am Freitag die Verlesung der Anklageschrift durch den Staatsanwalt Johannes Oertelt. Was war passiert, was war der Auslöser?
Vergeltung für den Messerangriff von Horneburg
Das spätere Opfer Mehmet S. hatte am 23. November 2023 den Angeklagten Yunus K. aus Stade am Horneburger Bahnhof mit einem Messer angegriffen. Der 44-Jährige habe ihm „erhebliche Verletzungen“ zugefügt - unter anderem stach er ihm mit seiner Waffe „in den Oberschenkel“.
Der Hamburger war der Polizei wegen Körperverletzungen und Drogendelikten bekannt. Yunus K. habe „Vergeltung nehmen und ihn zu Rede stellen wollen“, ist der Staatsanwalt überzeugt. Gemeinsam mit den Mitangeklagten lauerte der heute 27-Jährige am 21. Januar 2024 in Stade Mehmet S. auf. Der in U-Haft sitzende Angeklagte hatte mitbekommen, dass der Hamburger in der S-Bahn auf dem Weg nach Stade war.

Polizeisprecher Rainer Bohmbach steht am Tatort. Links ist das Parkhaus am Bahnhof zu sehen. Foto: Vasel
In einem Telefongespräch mit einem Mitangeklagten soll Yunus K. mehr als eine Stunde vor der Tat angekündigt haben, dem 44-Jährigen die Nase brechen zu wollen. Gegen 17.30 Uhr an jenem 21. Januar trafen die Angeklagten ihr Opfer vor dem Bahnhofsparkhaus an.
Hasan S. (25) habe dem Hamburger „unvermittelt“ einen Schlag gegen den Kopf versetzt, auch Yunus K. soll ihn getreten haben. Durch wiederholte Schläge und Tritte verletzten sie Mehmet S. schwer. Das Opfer erlitt eine Schädelfraktur. Einige der Angeklagten sind Kickboxer, so die Polizei nach der Festnahme.
Opfer wurde im Grünstreifen abgelegt
Damit er nicht von einem Auto überfahren wird, hätten die Angeklagten Mehmet S. in den Grünstreifen vor dem Parkhaus abgelegt. Isa K. (36) habe kurz vor seinem Eintreffen noch einen Stein aus dem Gleisbett geholt, um damit auf das Opfer einzuschlagen, so Staatsanwalt Oertelt. Doch dazu kam es nicht mehr, denn Mehmet S. lag bereits bewusstlos im Beet. Es herrschten Temperaturen um den Gefrierpunkt.
Ob das Opfer sich die lebensgefährlichen Verletzungen durch Tritte gegen den Kopf oder durch den Wurf in den Grünstreifen zugezogen hatte, konnten Rechtsmediziner nicht mehr klären. Ein Passant entdeckte den 44-Jährigen und wählte den Notruf. Die Ärzte konnten sein Leben nicht mehr retten, er starb tags drauf im Krankenhaus.
„Die Tötung war nicht beabsichtigt“, sagte Staatsanwalt Oertelt bei der Verlesung der Anklageschrift. Yunus K. und Hasan S. müssen sich wegen gemeinschaftlicher Körperverletzung mit Todesfolge vor dem Gericht verantworten, die anderen Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung und Beihilfe. Hinzu kommen unerlaubter Waffenbesitz und Besitz illegaler Dopingmittel. Hintergrund: Isa K. hatte eine Schusswaffe samt Munition sowie Butterflymesser, einen Schlagring und Dopingmittel zum Teil im Kinderzimmer versteckt.
Die Anklage strebt dennoch eine Verurteilung wegen Totschlags an. Doch „zunächst“ sehe die Kammer „keinen hinreichenden Tatverdacht“ für gemeinschaftlichen Totschlag durch Unterlassen, so der Vorsitzende Richter Hase. Bei Totschlag würde laut Strafgesetzbuch eine Freiheitsstrafe von mindestens fünf Jahren im Raum stehen. Die Anwälte kündigten an, dass ihre Mandanten frühzeitig Erklärungen abgeben wollen.
Spezialkräfte nehmen fünf Tatverdächtige fest
Die Hintergründe der Tat liegen im Dunkeln. Die Polizei hatte während ihrer Ermittlungen betont, dass es ihr seinerzeit „in erster Linie nicht um Drogengeschäfte und um Clan-Kriminalität, sondern um ein brutales Gewaltverbrechen“ gegangen sei. Die Mordkommission stellte umfangreiche Ermittlungen an, Taucher suchten den Burggraben ab.
Am 5. März 2024 stürmten das Spezialeinsatzkommando Niedersachsen und die Bundespolizei sieben Objekte in Stade an der Altländer Straße und in Mölln. Es gelang ihnen, die fünf Angeklagten festzunehmen. Ein sechster Mann, der ebenfalls an der Tat beteiligt gewesen sein soll, ist bis heute abgetaucht.
Das SEK kam damals deshalb zum Einsatz, weil die Polizei von Schusswaffen in den Wohnungen ausgegangen war. Zwei der Gebäude hatte sie bereits im Mai 2023 gestürmt. Der Vorwurf damals lautete Drogenhandel, Geldwäsche, Schwarzarbeit, unerlaubter Waffenbesitz und illegales Glücksspiel.
100.000 Euro an Bargeld, Luxusuhren, Gold, Schusswaffen und Drogen wurden beschlagnahmt. Ein Stader Clan-Mitglied wurde vom Landgericht zu zweieinhalb Jahren verurteilt. Weitere Clan-Mitglieder hatten seinerzeit versucht, eine Richterin einzuschüchtern.

SEK-Kräfte bei der Razzia in der Altländer Straße am 5. März 2024. Foto: Vasel
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