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Straßenblockaden

TTraktoren, Polizisten und Polit-Prominenz: So lief der zweite Tag des Bauernprotests im Kreis

Die Polizei sperrte den Kreisel an der Schiffertorsstraße.

Die Polizei sperrte den Kreisel an der Schiffertorsstraße. Foto: Vasel

Der zweite Protesttag der Landwirte schloss sich beinahe nahtlos an den ersten an: Wieder war das Chaos programmiert. Durch den Besuch von Ursula von der Leyen war die Polizei gerüstet. Wie die Demonstration verlief - und ob es am Mittwoch weitergeht.

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Von Sophia Ahrens
Dienstag, 09.01.2024, 20:50 Uhr

Landkreis. Um 5.30 Uhr starteten die Mulsumer Landwirte am Dienstag wieder ihre Traktoren. Wieder waren nicht Felder oder Ställe, sondern die Hansestadt Stade das Ziel der Fahrer und ihrer Maschinen. Über die B74 setzten sich von Mulsum aus etwa 35 Trecker in Bewegung. „Bummelfahrt“ nennt Teilnehmer und Landwirt Steffen Bardenhagen den Protestausflug in die Kreisstadt. Er betreibt in Mulsum einen Ackerbaubetrieb und Lohnbetrieb mit Holzhackschnitzel.

Am Montag war Bardenhagen verhindert, am Dienstag wollte er nun seinen Beitrag zum Protest leisten. Die meisten seiner Kollegen in der Kolonne seien aber schon zum zweiten Mal unterwegs gewesen. Über die B73 ging es bis zum Übergang zur A26 - und dort bildeten die Landwirte über Stunden eine Gasse.

Hunderte Traktoren am Dienstag unterwegs

Am Dienstagmorgen waren nach Angaben der Polizei im Landkreis Stade wieder mehrere Hundert Traktoren unterwegs. Nachdem Landwirte schon am Montag das Stadtgebiet Stade und die Bundesstraßen Richtung Hamburg lahmgelegt hatten, knüpften ihre Aktionen am Dienstag nahtlos daran an.

Der Kreisel an der A-26-Auffahrt bei McDonald‘s entwickelte sich in den beiden vergangenen Tagen zum Traktoren-Hotspot. Bis 20 Uhr hatten die Landwirte die Blockade am Montag aufrechterhalten. Am Dienstag habe es zwar in diesem Bereich auch immer wieder Blockaden gegeben - laut Polizei waren diese allerdings weniger starr als am Vortag. Zwischenzeitlich hätten immer wieder Fahrzeuge durch den Kreisel fahren können.

Polizei sichert Veranstaltung im Stadeum

Ein ähnliches Bild bot sich am Kreisel von Schiffertorsstraße/Glückstädter Straße: Landwirte hatten dort mit Blick auf die IHK-Veranstaltung im Stadeum mit der Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, diverse Traktoren abgestellt. Die Polizei sperrte den Kreisel, ebenso wie den Parkplatz vor dem Stadeum, um zu verhindern, dass die Zufahrt blockiert wird. Im Laufe der Veranstaltung hätten die Landwirte laut Polizeisprecher Rainer Bohmbach die Lage dort aber aufgeweicht, so dass Autofahrer trotz abgestellter Maschinen den Kreisel passieren konnten.

„Dank des engagierten Einsatzes aller über 100 Kräfte von Polizei und Rettungsdienst konnten Zwischenfälle verhindert und ein reibungsloser Ablauf der Veranstaltung und der Demonstrationen gewährleistet werden“, so Bohmbach. Unterstützung gab es für die Stader Beamten von der Lüneburger Bereitschaftspolizei. Auf der B73 in Höhe des Gewerbegebiets habe es eine Blockade von etwa 20 Minuten mit entsprechendem Rückstau gegeben. Die Kreuzung B73/B74 sei von langen Blockaden wie am Montag verschont geblieben.

Am zweiten Tag der bundesweiten Aktionswoche war - neben dem Empfang von Ursula von der Leyen - vor allem der Übergang von der B73 zur A26 Treffpunkt vieler Treckerfahrer. Dort, wo auch die Mulsumer versammelt waren, fand „friedlicher und gemütlicher“ Protest statt, so Bardenhagen. Eine mittelständische Firma aus dem Nachbarkreis hatte einen Container aufgestellt und verteilte Gegrilltes in Brötchen.

Ein ähnliches Bild noch am späten Dienstagabend am B73-Kreisel in Himmelpforten, einem weiteren Schwerpunkt der Proteste. Dort harrten die Landwirte auch bei Minusgraden aus. Sie organisierten sich eine Feuertonne zum Warmhalten. Für leibliche Wohl gab‘s Pizza.

Lkw können durch Gasse auf A26 fahren

„Hinter uns standen ohnehin fast nur Lkw“, berichtet Bardenhagen. Die meisten Autofahrer hätten sich bereits einen anderen Weg um die Stadt gesucht. Die Lastwagen hätten die Landwirte paarweise durchgelassen - und dazwischen überprüft, ob kein Martinshorn oder Blaulicht in Sichtweite war, das in der Gasse Vorrang gehabt hätte. „Wir wollten nicht komplett blockieren, sondern ein Zeichen setzen.“ Trotz der größtenteils zugewandten Bevölkerung: Von einigen Passanten hätten die Landwirte Beschimpfungen einstecken müssen, so Bardenhagen. „Aber wir machen das hier auch nicht aus Spaß daran, die Leute zu ärgern.“

Autofahrer nutzten die Gelegenheit, um hinter den Lkw die Gasse der Traktoren zu passieren.

Autofahrer nutzten die Gelegenheit, um hinter den Lkw die Gasse der Traktoren zu passieren. Foto: Vasel

Viele der Landwirte seien seit 3.30 Uhr auf den Beinen gewesen, um Tiere zu versorgen oder Pflichtaufgaben zu erledigen, weiß der Landwirt. Als die Gruppe gegen Mittag die B73 wieder räumte, wartete auf die Bauern auf ihren Höfen wieder dasselbe Spiel. Aber es sei Zeit gewesen, auf sich aufmerksam zu machen. „Jedes Jahr versuchen wir immer wieder, unseren Betrieb zu optimieren. Aber es geht einfach nicht mehr“, so Bardenhagen. „Wir können unsere Kosten eben nur begrenzt an die Verbraucher weitergeben.“

Für den Protest: Ritt von Mulsum bis Stade mit Pony

Ungewöhnliche Protest-Unterstützung gab es am Dienstag auch von Thalea Sonesson aus Mulsum und ihrem Pony Merle: Um 7 Uhr morgens ritt sie gut beleuchtet los, um es die ganzen 16 Kilometer bis zum Stadeum-Parkplatz zu schaffen. Auf ihrem Hof in Mulsum hält sie Pferde und Katzen - und verkauft aus ihrer kleinen privaten Landwirtschaft Bio-Eier „Wir müssten heute eigentlich schon 6 bis 7 Euro pro 10er-Packung nehmen, damit es sich rechnet. Aber das bezahlt keiner.“ Auch als Pferdehalterin spüre sie die landwirtschaftliche Entwicklung der vergangenen Jahre. „Unser Hobby geht kaputt.“ Für Pony Merle hatte ein Landwirt Wasser und Futter im Gepäck.

Thalea Sonesson unterstützte mit ihrem Pony Merle den Protest der Bauern.

Thalea Sonesson unterstützte mit ihrem Pony Merle den Protest der Bauern. Foto: privat

250 Traktoren am Donnerstag auf B73 erwartet

Am Mittwoch wird es im Landkreis Stade keine offiziell von Verbänden organisierten Proteste geben, sagt Kreislandwirt Johann Knabbe. „Wir machen Ruhetag. Jetzt muss die Politik ihre Hausarbeit machen.“ Am Donnerstag wollen die Landwirte mit den Parteien in den Kreiswahlbüros sprechen - zumindest, wenn sie empfangsbereit sind.

Gleichwohl warnt die Stadt Buxtehude vor Trecker-Konvois, die am Donnerstag in Richtung Hamburg fahren. In einer Pressemitteilung heißt es: „Aufgrund einer für Donnerstag, 11. Januar, angemeldeten Konvoifahrt mit erwarteten 250 Traktoren über die B73 Richtung Hamburg ist in den Morgenstunden mit erheblichen Verkehrsbehinderungen zu rechnen. Treffpunkt ist auf dem Pfingstmarktplatz in Neukloster, von dort soll die Protestfahrt gegen 8 Uhr starten.“

Auf der B73 im Landkreis Cuxhaven sind bereits für Mittwoch weitere Treckerkonvois angekündigt. Es sollen wieder vermehrt landwirtschaftliche Fahrzeuge auf den Straßen im Nachbarkreis unterwegs sein. Die Polizei Cuxhaven rechnet erneut mit Blockaden der Autobahnanschlussstellen an der A27 im gesamten Kreisgebiet.

Niedersachsenweit kündigten auch die Protestler von „Land schafft Verbindung“, einer deutschlandweiten Bewegung von Landwirten, großere Aktionen für diesen Mittwoch an. Was genau geplant ist, wollten die Organisatoren nicht verraten. Man setzt wohl auf den Überraschungseffekt.

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