Zähl Pixel
Jagen

TJagd-Trend im Kreis Stade: Immer mehr haben Bock auf Böcke schießen

Charlotte Rehmke hat in diesem Jahr den ersten Bock ihres Lebens geschossen. Hier zeigt sie das Gehörn.

Charlotte Rehmke hat in diesem Jahr den ersten Bock ihres Lebens geschossen. Hier zeigt sie das Gehörn. Foto: Anping Richter

In Deutschland haben rund 436.000 Menschen einen Jagdschein - so viele wie noch nie. Immer öfter sind es Frauen. Auch im Kreis Stade, wie beim Jägertag zu hören war. Warum die Jagd fasziniert, erklärt die 18-jährige Charlotte Rehmke aus Oederquart.

author
Von Anping Richter
Sonntag, 17.03.2024, 19:20 Uhr

Landkreis. Charlotte Rehmke ist 18 Jahre alt und steckt gerade mitten im Abitur. Das sogenannte grüne Abitur hat sie aber schon seit einem Jahr in der Tasche: den Jagdschein. Dabei gilt es als sehr anspruchsvoll, ihn zu machen.

Welches Abi wohl schwieriger ist? „Beides ist schwer, man muss sehr viel lernen.“ Über die Jagd hatte sie allerdings schon reichlich Vorwissen: Mit ihrem Vater und ihrem Opa ist sie schon als Kind auf die Pirsch gegangen.

Mehr als Schießkünste gefragt

Wer die Jagdprüfung bestehen will, muss nicht nur Schießkünste beweisen, sondern auch umfangreiches Fachwissen. „Manche denken, wir schießen einfach wild drauflos“, sagt Charlotte Rehmke.

Dabei gehe es immer nach Abschussliste. Laut Hegerichtlinien ist im Jagdrevier ein biologisches Gleichgewicht anzustreben. Artenvielfalt soll erhalten und durch die Jagd ein gesunder Bestand erreicht werden.

Was Jäger am Gehörn ablesen können

Davon künden auch die Trophäen, die an Schauwänden in der Harsefelder Festhalle zu sehen sind: Damwild, Rehwild und Schwarzwild. Bei einigen Exemplaren ist der ganze Kopf präpariert, bei den meisten nur Gehörn, Schädel und Kiefer. Das Alter des Tiers ist an der Ausbildung der Rosen - Verdickungen am unteren Ende des Gehörns -, an der Schädelnaht und an den Zähnen ablesbar, erklärt Charlotte Rehmke.

Auch sie zeigt eine Trophäe: Der erste Bock, den sie selbst geschossen hat, hängt an der Schauwand des Hegerings Kehdingen-Nord. „Ich weiß noch, wie das damals bei mir war“, sagt Peter Hatecke versonnen lächelnd. Der Vorsitzende der Kreisjägerschaft freut sich, dass die Kurse der beiden Jagdschulen im Landkreis in den letzten Jahren immer sehr schnell ausgebucht sind.

Zum Kreisjägertag gehört die Hegeschau: An Schautafeln stellen die Hegeringe die Trophäen der erlegten Tiere aus.

Zum Kreisjägertag gehört die Hegeschau: An Schautafeln stellen die Hegeringe die Trophäen der erlegten Tiere aus. Foto: Anping Richter

Frauenanteil in der Jägerschaft steigt seit Jahren

1620 Mitglieder hat die Jägerschaft im Kreis Stade, 78 neue sind im vergangenen Jahr dazugekommen. 2023 gab es 41 erfolgreiche Jägerprüfungen, davon 21 bei Frauen. Laut Deutschem Jagdverband steigt der Frauenanteil seit Jahren und liegt in den Jagdschulen inzwischen bei 24 Prozent.

„Wir kaufen kein Fleisch im Supermarkt, nur solches, von dem wir wissen, woher es kommt“, sagt Charlotte Rehmke. Sie findet, dass Wild das nachhaltigste Fleisch ist. Wer Fleisch esse, sollte das Tier auch erlegen können. Sie kann das Wild übrigens auch zerlegen. „Aufbrechen“, heißt das in der Fachsprache der Jäger.

Jagen heißt auch küchenfertig zerlegen

„Einen Hasen fertigmachen - das kann heutzutage kaum noch jemand“, sagt Kreisjägermeister Axel Schuldt in seinem Bericht zur Jahreshauptversammlung. Sein Tipp: Jäger, die ihr Wildbret loswerden wolle, sollten es am besten komplett küchenfertig zerlegen und gleich vakuumverpacken.

Das Fleisch wird geschätzt, ist aber nicht das primäre Ziel. „Der Jagdverband ist der größte anerkannte Naturschutzverband“, erklärt Landrat Kai Seefried in seinem Grußwort.

Jens Hariefeld, zweiter Vorsitzender und Naturschutz-Obmann der Kreisjägerschaft, berichtet vom Rebhuhnschutzprojekt: Es geht darum, die Rebhuhn-Populationen nachhaltig zu sichern und die Artenvielfalt von Agrarlandschaften zu fördern, wobei Jäger und Landwirte eng zusammenarbeiten.

Die Jagdhornbläser sorgen beim Kreisjägertag für den musikalischen Rahmen - und haben bei der Jagd eine wichtige Signalfunktion.

Die Jagdhornbläser sorgen beim Kreisjägertag für den musikalischen Rahmen - und haben bei der Jagd eine wichtige Signalfunktion. Foto: Anping Richter

Eindämmung von Neozoen wichtig

Weil der Bestand einbrach, wurde die Jagd auf Rebhühner Anfang der 90er Jahre eingestellt. Doch das habe nicht zu einer Erholung geführt, sagt Hariefeld. Einen klaren Aufwärtstrend der Population im Kreis gebe es seit zwei Jahren: Die Zunahme um 77 Prozent sei der Prädatorenentnahme geschuldet. Prädatoren - das sind auch Rabenkrähen, die gerne die Nester der Rebhühner plündern.

Wichtig ist auch die Eindämmung von Neozoen wie Waschbär und Marderhund. Die Nutria vermehrt sich besonders stark und bedroht die Sicherheit der Deiche. Das gilt auch für eine ursprünglich einmal einheimische Art: den Wolf.

Der Wolfsangriff in Gräpel im vergangenen Jahr, bei dem 55 Schafe getötet wurden, hat laut Landrat Kai Seefried immerhin einen Wendepunkt in der bundesweiten Debatte herbeigeführt. „Ansonsten hat sich aber nichts verändert“, sagte er und forderte eine Verordnung, die dem Landkreis „endlich eine Handhabe“ gebe.

Peter Hatecke, Vorsitzender der Kreisjägerschaft (links) und der zweite Vorsitzende Jens Hariefeld nehmen Heinrich Augustin in ihre Mitte: Er wird für 70 Jahre Mitgliedschaft geehrt.

Peter Hatecke, Vorsitzender der Kreisjägerschaft (links) und der zweite Vorsitzende Jens Hariefeld nehmen Heinrich Augustin in ihre Mitte: Er wird für 70 Jahre Mitgliedschaft geehrt. Foto: Anping Richter

Am Wolf spalten sich Stadt- und Landbevölkerung

Mit Helmut Dammann-Tamke zählt die Jägerschaft den Präsidenten des Deutschen Jagdverbands zu ihren Mitgliedern. Mit Blick auf die kürzlichen Wolfsrisse im Alten Land betonte er: „Das waren Deichschafe. Das ist von existenzieller Bedeutung.“

Er forderte von der Bundesregierung, ein Wolfsbestandsmanagement zu ermöglichen, so schnell es geht. Es gehe darum, dem Artenschutz und dem Schutz der Menschen gerecht zu werden: „Sonst haben wir hier bald eine innere Kluft zwischen Stadt- und Landbevölkerung wie in den USA.“

Weitere Artikel