TTrotz Preisexplosion: Blattlaus vermiest Kartoffelbauern die Laune

Vorgekeimte Kartoffeln zum Setzen auf einem Feld: In 2024 ist das Saatgut für Kartoffeln knapp. Foto: Julian Stratenschulte/dpa
Die Rekordpreise dürften die Kartoffelbauern aktuell zufrieden stimmen. Trotzdem vermiest Landwirten die Blattlaus den Ausblick auf das Jahr 2024. Wie der Markt rund um das Gemüse läuft - und warum der Schädling vielen Betrieben Sorgen macht.
Ahlerstedt. „Die Preise sind aktuell sehr gut“, sagt Landwirt Johann Höft aus Brest. Nachdem der Regen erst für eine unbefahrbare Schlammfläche sorgte, folgte der Frost - und überdurchschnittlich viele Knollen stecken noch in der Erde. 4,5 Hektar sind es bei Johann Höft. So geht es bundes- und europaweit vielen Landwirten. Das Angebot sinkt - und der Preis steigt. Höfts Kollegen von der Stader Geest aber konnten ihre Ernte teilweise zu Ende bringen. „Dafür haben wir aber auch am letzten Tag bis in die Nacht gerodet“, sagt Mathias Fitschen aus Hollenbeck.
Trotz undankbarem Wetter: Die Kartoffelbauern aus dem Landkreis Stade stehen noch gut da, zeigt der Kartoffelsprechtag in Ahlerstedt. Die Anbaufläche geht europaweit zurück - im Kreis hingegen stieg sie im Jahresvergleich um gut fünf Prozent. Während der Schnitt in Niedersachsen sogar etwas weniger Erträge als im Vorjahr verzeichnete, konnten die Bauern im Kreis gut 16 Prozent Plus einfahren. „Im Frischebereich gibt es ein historisch hohes Preisniveau“, sagt Christian Hellbrügge von der Raisa.
Blattlaus verknappt Saatgut für 2024
Ulrich Heitmann konnte ebenfalls alles ernten. Das Wasser machte ihm trotzdem zu schaffen: „Die Kartoffeln sollten nicht länger als fünf Tage im Wasser stehen.“ Wo sich große Pfützen gebildet hatten, musste er die geernteten Kartoffeln direkt entsorgen. „Die Hälfte der Kartoffeln, die noch im Boden sind, sind jetzt verfroren“, sagt Höft. Bei trockenem Wetter mit wenig Frost hätten sie andernfalls „noch Ostern roden können“. Doch den Landwirt aus Brest beschäftigt ein anderes Problem, das sich für Kartoffelanbauer viel größer offenbart, als das Hochwasser der letzten Monate.

Landwirte aus ganz Norddeutschland besuchen den jährlichen Kartoffelsprechtag in Ahlerstedt, um sich über die neuesten Entwicklungen der Branche auszutauschen. Foto: Ahrens
Johann Höft ist einer der Landwirte, der auch sogenannte Pflanzkartoffeln anbaut. Sie dienen als Saatgut für die neue Ernte. „Aber wir hatten Aberkennungsraten von knapp 15 Prozent“, klagt Höft. 15 Prozent seiner Pflanzkartoffeln kann er nicht als Saatgut wiederverkaufen - denn die Viruslast überschritt in Proben die zulässige Norm.
Der Übeltäter für die Einbußen ist die Blattlaus. Sie sorgt für die Übertragung von unterschiedlichen Viren auf die Kartoffelpflanze. Diese Viren sorgen für Produktions- und Qualitätsverlust. Besonders betroffene Pflanzkartoffeln würden also bei der nächsten Ernte den Ertrag mindern. „Es werden immer mehr Mittel gegen die Läuse vom Markt genommen, aber es gibt keine neuen“, bemängelt Höft über die strenger werdenden Regularien für Pflanzenschutz.

Das Blattroll-Virus war in der Kartoffel der Ernte 2022 enthalten und sorgte für einen gehemmten Wuchs in 2023. (Mitte) Das Virus wird auf die Tochterknollen dieser Pflanze erneut übertragen. Foto: Landwirtschaftskammer
Besonders viele Kartoffeln in Region aberkannt
Die Aberkennungsquoten in diesem Jahr waren besonders hoch - und das beunruhigt Landwirte und Unternehmen. Im Gebiet der Raisa, die hier in der Region Hauptabnehmer und -lieferant ist, überstiegen sie sogar den bundesweiten Schnitt. Während in Deutschland etwa 11 Prozent der Pflanzkartoffeln aberkannt wurden, waren es laut Europlant-Vertriebsleiter Andreas Klaffeke im Raisa-Gebiet sogar 13,6 Prozent - und im bundesweiten Bio-Anbau gut 23 Prozent. „Es ist nicht normal, dass wir hier noch schlechter sind als der Schnitt“, so Klaffke. Bei besonders betroffenen Kartoffelsorten reichte die Quote sogar an 100 Prozent heran, hier war die ganze Ernte als Saatgut unbrauchbar.
Die Lage rund um das Saatgut sei „fatal“. Europlant könne vermutlich sogar Verträge nicht vollständig bedienen - und kaufe bereits jetzt Kartoffeln aus dem Ausland dazu. Klaffke warnt: Sorten würden durch die Knappheit wohl umstrukturiert - und geplante Flächen für Kartoffeln könnten in diesem Jahr möglicherweise nicht mehr realisiert werden. „Haut alles in die Erde, was ihr pflanzen könnt“, appelliert er an die Landwirte mit Blick auf das Erntejahr 2024.
Virus ist nicht gesundheitsschädlich
„Es muss alles an Pflanzgut eingesetzt werden, sonst kommen wir nicht zu Rande“, sagt auch Heinrich Klensang von der Landwirtschaftskammer. Er prophezeit: Gerade in der Produktion für Chips und Pommes würden sich künftig die Sorten durchsetzen, die widerstandsfähiger gegen die Viren sind. Seine Statistiken machen aber auch Hoffnung: Zwar hat sich die Zahl der vom Virus befallenen Anbauten in den vergangenen Jahren mehr als verzehnfacht - doch in 2023 ist sie im Gegensatz zum Vorjahr wieder leicht zurück gegangen.
Johann Höft kann seine Kartoffeln trotzdem verkaufen - als Speisekartoffeln. Das Virus wirkt sich nur auf den Ertrag aus, ist für Menschen aber unbedenklich. In Hochpreiszeiten wie diesen ist das sogar lukrativer, langfristig gesehen seien Pflanzkartoffeln aber stabiler im Preis, so Höft. Beim Problem mit dem fehlenden Saatgut hilft dieser Umstand aber nicht.