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TÜber die Kunst der Redaktion, Leserbriefe zu bewerten

Direkt neben den Anlagen der AOS mit ihrer roten Erde soll das Holzkraftwerk an der Elbe entstehen.

Direkt neben den Anlagen der AOS mit ihrer roten Erde soll das Holzkraftwerk an der Elbe entstehen. Foto: Hansekraft

Täglich erreichen das TAGEBLATT Leserbriefe. Viele gehaltvoll, manche grenzwertig, einige eine Herausforderung. Informationen dazu und ein kompliziertes Beispiel.

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Von Lars Strüning
Sonntag, 28.09.2025, 07:00 Uhr

Stade. Die Spielregeln sind klar: Leserbriefe, die in der Zeitung veröffentlicht werden sollen, müssen sich auf vorausgegangene Artikel beziehen. Sie sollen die Meinung der Schreibenden widerspiegeln, nicht verletzend, beleidigend oder gar rassistisch sein. Sie sollen ohne Unterstellungen oder Vermutungen auskommen. Und: Sie sollen Meinungen nicht als Fakten verpacken. Und damit beginnt der ganze Stress.

Leserbriefe sind ein Stück Meinungsfreiheit

Die Redaktion ist vom Deutschen Presserat gehalten, Tatsachenbehauptungen auf ihren Wahrheitsgehalt zu überprüfen. Das ist manchmal leichter vorgeschrieben als umgesetzt.

Täglich erreichen die Redaktion Zuschriften der Leserinnen und Leser. Das ist auch gut so. Ein Stück Meinungsfreiheit, die das TAGEBLATT nachvollziehbarerweise sehr hochhält. Und dann das.

Eine Autorin aus Bützfleth schreibt uns zur geplanten Ansiedlung eines Holzkraftwerks im Industriegebiet Bützflethersand. Sie verweist auf Paragraf 50 des Bundesimmissionsschutzgesetzes und behauptet, dass die projektierte Verbrennungsanlage der HanseKraft nicht genehmigungsfähig ist, weil der geforderte Mindestabstand von 1500 Metern zur Wohnbebauung in Bützfleth nicht eingehalten wird. Eine starke Aussage. Aber stimmt sie auch?

Die Stadt Stade sieht es naturgemäß anders

Nein, sagte Stades Erster Stadtrat Lars Kolk, der als ehemaliger Stadtbaurat sehr versiert ist in Baurechtsfragen. Es handele sich im Fall Bützfleth um eine Gemengelage zwischen den Ansprüchen der industriellen Betriebe und der Menschen, die in der Nähe wohnen. Das müsse abgewogen werden. Ausnahmen seien immer möglich. Was heißt das?

Die Menschen müssen mit der Industrie leben - ob mit bestehenden oder zukünftigen Anlagen. Und die Industrie müsse Rücksicht nehmen auf die Belange der Bewohner, also zum Beispiel möglichst wenig Lärm erzeugen. Das sei gerichtsfest, sagt Kolk, und ergänzt: „Wir machen alles richtig im Sinne von Raumordnungs- und Planungsrecht.“ Außerdem habe er diese Frage schon im Ortsrat Bützfleth beantwortet.

Die Redaktion schenkt dem Glauben, Behörden sind zu wahrhaftigen Aussagen verpflichtet, und verzichtet auf eine Veröffentlichung des Leserbriefes. Sie wollte aber das Thema und diesen Gedankengang nicht völlig übergehen. Eine echte „Zugabe“ aus dem Stader Pressehaus.

Lars Strüning

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