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Integration

TUkrainerinnen in Stade: Vom Krieg und der Kraft für den Neuanfang

Stolz auf die bestandene Deutsch-Zertifikatsprüfung: Ukrainische Frauen vom Xenia-Treff in Stade mit Dozentinnen und der Stader Gleichstellungsbeauftragten Jacqueline Jugl.

Stolz auf die bestandene Deutsch-Zertifikatsprüfung: Ukrainische Frauen vom Xenia-Treff in Stade mit Dozentinnen und der Stader Gleichstellungsbeauftragten Jacqueline Jugl. Foto: Richter

Wenn zu Hause der Krieg tobt, ist es schwierig, sich gleichzeitig ein neues Leben aufzubauen. Frauen aus der Ukraine packen das trotzdem an - in einem Stader Projekt.

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Von Anping Richter
Mittwoch, 26.03.2025, 15:50 Uhr

Stade. „Vielleicht bis September“, dachte Nataliia Mezentseva, als sie im Mai 2022 mit ihrer Tochter aus der Ost-Ukraine nach Stade kam. Sie hatte nie ins Ausland gewollt, doch nun versuchte sie, das Beste daraus zu machen und begann sofort, Deutsch zu lernen.

„Ich hatte Glück“, sagt die 39-jährige alleinerziehende Mutter. Sie und ihre Tochter kamen bei einer Stader Familie unter, die sehr gut vernetzt war, berichtet sie: „Ich habe viele Leute kennengelernt, viele Veranstaltungen besucht und bald auch deutsche Freunde gefunden.“

Im Begegnungscafé Xenia, das die damalige Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Stade, Karina Holst, für Frauen aus der Ukraine im Frauen- und Mütterzentrum ins Leben rief, traf Nataliia andere Frauen aus ihrem Land, mit denen sie in ihrer Muttersprache Erfahrungen und Tipps austauschen konnte. Heute gibt es den Treff immer noch, inzwischen haben Nataliia Mezentseva und ihre Freundin Svitlana Baklai die Leitung aber selbst übernommen.

Der Krieg geht weiter - das Leben auch

Nach etwa einem Jahr beschloss Nataliia Mezentseva, sich auch beruflich in Deutschland zu integrieren. „Ich dachte, ich kann ja immer noch zurück in die Ukraine, wenn der Krieg vorbei ist.“

Beim Alleinerziehendentreff der Stader Gleichstellungsbeauftragten Jacqueline Jugl, den sie auch besucht, wurde dann die Idee geboren, etwas zu tun, um Frauen aus der Ukraine die berufliche Integration zu erleichtern. Eine Frau aus der Gruppe brachte ihre Mutter ins Spiel: Margret-Edda Andrich-Stich, die in Stade die Firma Confido Coaching betreibt. Die fand die Idee gut. Jacqueline Jugl fragte bei Katrin Jungclaus, der Beauftragten für Chancengleichheit beim Jobcenter, nach einer Fördermöglichkeit.

Freude bei der Abschlussfeier: Marget-Edda Andrich-Stich (links) übergibt Nataliia Mezentseva (Mitte) gerade ihr C1-Zertifikat.

Freude bei der Abschlussfeier: Marget-Edda Andrich-Stich (links) übergibt Nataliia Mezentseva (Mitte) gerade ihr C1-Zertifikat. Foto: Richter

Es klappte alles. In kurzer Zeit konnte ein Projekt auf die Beine gestellt werden, das im August 2024 startete. Elf aus der Ukraine geflüchtete Frauen haben an der speziell für sie entwickelten Maßnahme teilgenommen und sich mit individuellem Coaching, Deutschunterricht und Bewerbungstraining 16 Wochen lang auf den beruflichen Wiedereinstieg vorbereitet.

„Die Themen waren so cool, die Atmosphäre war toll“, sagt Nataliia Mezentseva bei der Abschiedsfeier im Namen des ganzen Kurses zu Margret-Edda Andrich-Stich. Ihrer Deutschlehrerin Angelika Hübscher bescheinigen die Kursteilnehmerinnen, sich wie eine Mutter um sie gekümmert zu haben: „Du hast uns auch seelische Wärme gegeben.“ Hübscher entgegnet gerührt: „Ihr wart die beste Gruppe, die ich je hatte.“

Acht Frauen bekommen Zertifikat für die C1-Beruf-Prüfung

Wegen des außergewöhnlichen Engagements der Frauen hatte sie eine weiterführende Prüfungsvorbereitung angeregt. Confido Coaching Contor übernahm die Kosten der Prüfungen aus eigenen Mitteln. Nun konnten acht Frauen die Zertifikate für die C1-Beruf-Prüfung entgegennehmen, drei weitere haben die B2-Beruf-Prüfung mit sehr guten Ergebnissen bestanden.

„Viele von uns sind gut qualifiziert“, berichtet Mezentseva. Sie selbst hat Wirtschaft studiert und war in der Ukraine sieben Jahre Außenstellenleiterin bei der Bahn. Heute arbeitet sie 15 Wochenstunden als Verwaltungsfachkraft bei SABS Integration-Training in Stade.

„Noch reicht das nicht ganz, ich bin noch beim Jobcenter. Aber es ist ein wichtiger Schritt“, sagt sie. Es mache sie stolz, auf die andere Seite des Tisches gewechselt zu haben und andere bei der Integration unterstützen zu können.

Ingenieurin auf Erfolgskurs

Svitlana Baklai ist im April 2022 aus der Ost-Ukraine gekommen. Als Metrologie-Ingenieurin könnten sich beruflich viele Türen öffnen, doch die Sprache war eine Hürde. Nach den vier Monaten bei Confido klappte es gleich mit einer Stelle in der Qualitätskontrolle. In letzter Sekunde scheiterte die Sache aus einem anderen Grund: Svitlana Baklai erwartet ihr zweites Kind und sagte deshalb ab.

Svitlana Baklai ist Metrologie-Ingenieurin und hat nach vier Monaten Coaching ein gutes Jobangebot bekommen.

Svitlana Baklai ist Metrologie-Ingenieurin und hat nach vier Monaten Coaching ein gutes Jobangebot bekommen. Foto: Richter

Sie ist zuversichtlich, wieder eine Chance zu bekommen und plant, sich in der Zwischenzeit online fortzubilden. Ihr Ehemann, ebenfalls Ukrainer, hat in der Region eine Arbeit als Bootsbauer gefunden.

Auch Nataliia Mezentseva blickt zuversichtlich in ihre Zukunft - in Deutschland. Für ihre heute 13-jährige Tochter werde es schwierig, zurück zu gehen. Anfangs hatte sie Heimweh. Heute spricht sie fließend Deutsch, hat Freunde gefunden, die sechste Klasse der IGS Stade erfolgreich abgeschlossen und spricht davon, später in Hamburg zu studieren. „Ich bin total stolz“, sagt Nataliia Mezentseva.

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