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Naturphänomene

TUnkraut mit Superkräften: Warum Vogelmiere nie aus dem Garten verschwindet

Unscheinbar verbreitet sich die Vogelmiere über alle Kontinente.

Unscheinbar verbreitet sich die Vogelmiere über alle Kontinente. Foto: Kurtze

Sie wächst fast überall und scheint unverwüstlich zu sein: die Vogelmiere. Angeblich gehört sie zu den fünf häufigsten Pflanzen der Erde.

Von Wolfgang Kurtze Montag, 07.07.2025, 04:50 Uhr

Landkreis. Die Vogelmiere ist sehr unscheinbar, aber Vögel mögen ihre weichen Blättchen - deshalb ihr Name. Wird sie aus dem Beet entfernt, dann ist das Stehaufmännchen nach einem Monat wieder da. Welche Fähigkeiten macht dieses sehr schlichte Pflänzchen zur Gewinnerin unter den „Unkräutern“?

Im Gewirr der vielen Stiele und Blättchen fallen die schmucklosen, unscheinbaren Blüten kaum auf. Sie sind klein, weiß und höchstens fünf Millimeter groß. Es gibt winzige Insekten, die sich für sie interessieren und sie bestäuben. Doch Vogelmieren sind nicht auf Insekten angewiesen und können sich selbst bestäuben.

Da die Pflanze fast das ganze Jahr hindurch blüht, ist sie sehr produktiv. Etwa 2500 kleine Samen vermag eine Pflanze im Jahr hervorzubringen. Diese winzigen Samen haben es in sich: Sie keimen bei Minustemperaturen kaum. Aber wenn die frostige Jahreszeit vorbei ist, beginnt die Keimung sofort. Sogar 30 Grad Bodentemperatur haben sich für die Keimung der Vogelmiere als günstig erwiesen.

Der Spross kann bis zu 40 Zentimeter lang werden

Die heute milden Winter wirken ebenfalls positiv und lassen das Pflänzchen auch in der kalten Jahreszeit gedeihen. Sie wächst sehr schnell, und ihr Spross kann bis zu 40 Zentimeter lang werden. Erwischen wir beim Unkrautjäten im Garten nicht die ganze Pflanze, dann wächst sie problemlos weiter. Der gut gedüngte Garten gefällt der Vogelmiere besonders gut, sie mag Stickstoff. Auch unterschiedliche Bedingungen am Wuchsort vermag die Vogelmiere auszuhalten. Ob viel Licht oder Halbschatten, ob sehr trocken oder sehr feucht, überall kommt die anpassungsfähige Vogelmiere zurecht.

Die Samen der Vogelmiere sind sehr widerstandsfähig. Bis zu 50 Jahre können sie in der Erde in der Samenbank ruhen. Ist die Situation günstig, dann keimen sie. Deshalb muss es nicht erstaunen, wenn auf blanken Böden oder auf Schuttplätzen plötzlich diese Überlebenskünstlerin erscheint. Die winzigen und in Massen produzierten Samen haben auch den Vorteil, leicht verweht zu werden. Weit weniger als ein Zehntausendstel Gramm soll ein Samen wiegen. Die Samen bleiben an den Hufen von Schafen und Rindern hängen, ebenso an Schuhen oder Autoreifen.

Sie gedeiht auf Spitzbergen wie auf Mallorca

Es gehört zu den besonderen Eigenschaften der Vogelmiere, extreme Situationen gut zu bewältigen. Dazu passt, dass durch viele Stresssituationen der Chromosomensatz vervielfältigt ist. Das ist typisch für viele „Unkräuter“. Beim Löwenzahn zum Beispiel ist der Chromosomensatz verdreifacht, bei der Vogelmiere versechsfacht. Botaniker fanden heraus, dass auf diese Weise manche Wildkräuter gegenüber Trockenheit oder Temperaturwechsel widerstandsfähiger geworden sind.

All diese Besonderheiten machen die Vogelmiere fast unverwüstlich. So muss es nicht verwundern, dass sie weltweit verbreitet ist. Sie gedeiht zum Beispiel auf Spitzbergen und Island, auf Mallorca, in Tunesien oder im Gebirge noch auf 2700 Metern Höhe. Die Vogelmiere ist ein Alleskönner. Essbar ist sie auch und liefert im Wildkräutersalat Vitamine und viele Mineralstoffe.

Serie und Buch

Was kreucht und fleucht in der Region? Wolfgang Kurtze, Vorsitzender der Lions-Naturschutz-Stiftung, schreibt über Phänomene und Kuriositäten in der Natur. Das TAGEBLATT veröffentlicht die Artikel des promovierten Biologen in loser Reihenfolge. Die erfolgreiche TAGEBLATT-Serie „Phänomene der Natur“ rückt kurzweilig Wissenswertes aus der Natur in den Mittelpunkt. Der zweite, reich illustrierte Band von Wolfgang Kurtze ist für 19,90 Euro im Buchhandel erhältlich. Herausgeber ist die Lions Stiftung Stade zur Förderung des Natur- und Umweltschutzes.

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