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Prozess

TVersuchter Mord: Keine Erleichterung für den Wohnwagen-Brandstifter

Ein 18-Jähriger und sein Hund wurden im letzten Moment aus dem brennenden Wohnwagen gerettet.

Ein 18-Jähriger und sein Hund wurden im letzten Moment aus dem brennenden Wohnwagen gerettet. Foto: Polizei

Wegen versuchten Mordes war er zu acht Jahren Haft verurteilt worden. Der Täter ging in Revision, die war vor dem Bundesgerichtshof erfolgreich. Doch das Urteil wurde jetzt am Landgericht Stade bestätigt. Ein neues Gesetz war entscheidend dafür.

Von Silvia Dammer Montag, 16.10.2023, 06:00 Uhr

Anwalt Jens Hake und sein Mandant K. hatten sich ein anderes Ergebnis erhofft. Obwohl ihre Revision gegen das Urteil wegen versuchten Mordes und Brandstiftung vor dem Bundesgerichtshof (BGH) erfolgreich war, führte die Überprüfung des erstinstanzlichen Urteils nicht zu einer Minderung der Freiheitsstrafe. Zusätzlich wurde die Einweisung in eine Entzugsanstalt aufgehoben, was der Verurteilte als Möglichkeit zur Haftverkürzung angesehen hatte.

Molotowcocktail setzt Wohnwagen in Brand

Der Fall: In der Nacht zum 28. April 2022 wurde ein Wohnwagen in Drochtersen durch einen gezielten Brandanschlag mit einem Molotowcocktail in Brand gesetzt. In dem Wohnwagen schliefen ein 18-Jähriger und sein Hund. Wären sie nicht vom Stiefvater des 18-Jährigen gerettet worden, wären sie vermutlich verbrannt.

Kurz darauf wurden der damals 23-jährige K. und der 18-jährige L. als mutmaßliche Täter festgenommen. Sie hatten dem 18-Jährigen Tage vor dem Brand 200 Euro gegeben, damit er ihnen Drogen besorgte. Als die Lieferung ausblieb, fühlten sich die Angeklagten betrogen. Die Kommunikation zwischen ihnen und dem Opfer war bedrohlich und provokativ. Daraufhin planten die Angeklagten den Brandanschlag, bauten den Molotowcocktail, K. setzte den Wohnwagen in Brand.

Brandstifter zu acht Jahren Haft verurteilt

In der erstinstanzlichen Hauptverhandlung vor der 1. Großen Strafkammer des Landgerichts Stade wurde festgestellt, dass beide Angeklagten die Straftat aus Rache begangen und den Tod des 18-Jährigen in Kauf genommen hatten. Der Vorsitzende Richter Erik Paarmann verurteilte den 23-Jährigen wegen versuchten Mordes und Brandstiftung mit Todesfolge zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren mit Unterbringung in einer Entzugsanstalt.

Die Kammer sah eine zweijährige Therapiezeit als angemessen an, um das Drogenproblem des Verurteilten zu behandeln. Der 19-jährige Mitangeklagte wurde nach Jugendstrafrecht zu sieben Jahren Freiheitsstrafe verurteilt (das TAGEBLATT berichtete im Oktober 2022).

Drogensucht oder Rache: Was überwog bei der Tat?

Gegen dieses Urteil legten die Verteidiger Revision ein. Im Fall des damals jugendlichen Verurteilten L. wurde die Revision vom BGH abgewiesen. Im Fall von K. wurde das Verfahren zur rechtlichen Würdigung der Tat an das Landgericht Stade zurückverwiesen. Am Mittwoch musste daher die 3. Große Strafkammer ein neues Urteil fällen.

Der Vorsitzende Richter Lamer lud Jürgen Schmitz, Chefarzt der Klinik für Forensische Psychiatrie und Psychotherapie Lüneburg, als Gutachter. Das Gutachten sollte klären, ob K. bei der Tat maßgeblich durch seine Drogenabhängigkeit gesteuert war und somit die Voraussetzungen für eine Unterbringung in einer Entzugsanstalt nach Paragraf 64 des Strafgesetzbuches erfüllt waren.

Diese Paragrafenänderung trat am 1. Oktober 2023 in Kraft und erwies sich als entscheidend. Die Voraussetzungen für eine Unterbringung im Maßregelvollzug (Entzugsanstalt) wurden enger gefasst. Die Gesetzesreform wurde notwendig, da in den letzten Jahren immer mehr suchtkranke Straftäter in den forensischen Fachkliniken untergebracht wurden und diese mittlerweile überbelegt sind.

Nach der Novelle kann eine Unterbringung im Maßregelvollzug angeordnet werden, wenn die Straftat maßgeblich auf den Hang des Täters zum Drogenkonsum zurückzuführen ist und dieser Drogenkonsum dauerhaft seine Lebensgestaltung, Gesundheit, Arbeits- und Leistungsfähigkeit beeinträchtigt.

In seinem Gutachten stellte der Sachverständige heraus, dass K., obwohl er an einer kombinierten Persönlichkeitsstörung leidet und Drogen konsumiert, in der Vergangenheit trotzdem in der Lage war, ein normales Leben zu führen, auch wenn es Einschränkungen gab wie der Abbruch von Ausbildungen oder Beschaffungsstraftaten. Die Voraussetzungen für die Anwendung des neuen Paragrafen waren somit nicht erfüllt.

Richter: Maßregelvollzug ist keine bessere Haft

Richter Lamer begründete die Aufhebung des Maßregelvollzugs mit diesen Erkenntnissen. Die Kammer verurteilte den Angeklagten erneut zu acht Jahren Freiheitsstrafe wegen versuchten Mordes und Brandstiftung mit Todesfolge und verpflichtete ihn zur Übernahme von vier Fünfteln der Verfahrenskosten.

Der Richter wies K. darauf hin, dass viele Angeklagte glauben, der Maßregelvollzug sei eine bessere Haft. Tatsächlich hätte nach dem alten Paragrafen 64 die Freiheitsstrafe günstigenfalls nach der Hälfte der Zeit in eine Bewährungsstrafe umgewandelt werden können. Diese Möglichkeit sieht das Gesetz nicht mehr vor. Dennoch gebe es im Gefängnis therapeutische Angebote für Drogenabhängige und Ausbildungsmöglichkeiten.

Gegen das Urteil kann K. wieder Revision einlegen.

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