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Landgericht Stade

TVersuchter Mord in Neu Wulmstorf? Angeklagter liefert verwirrende Version

Im Prozess vor dem Stader Landgericht wird dem Angeklagten versuchter Mord vorgeworfen.

Im Prozess vor dem Stader Landgericht wird dem Angeklagten versuchter Mord vorgeworfen. Foto: Vasel

In Berlin war er angeblich, in Paris, Bremen - nur in Neu Wulmstorf will er nie gewesen sein. Doch genau dort soll der Angeklagte versucht haben, jemanden zu ermorden.

Von Redaktion Donnerstag, 19.12.2024, 16:50 Uhr

Stade. Die Geschichte, die der Angeklagte der 1. Großen Strafkammer am zweiten Verhandlungstag auftischt, ist verwirrend und hat so gar nichts mit dem zu tun, wofür er sich vor dem Landgericht Stade verantworten muss: versuchter Mord.

Bei der Auftaktverhandlung wollte oder konnte der 24-Jährige wegen Unwohlseins nichts sagen. Jetzt, bei der Fortsetzung, lässt er eine Erklärung durch seinen Anwalt vorlesen, die nicht nur Beobachter ratlos zurücklässt.

Zur Erinnerung: In der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft ist von heimtückischer Tötungsabsicht die Rede, schwerer Körperverletzung sowie der Inkaufnahme der Verletzung einer weiteren Person.

„Grüße von deinem Schwiegervater“ - und dann zwei Schüsse

Demnach stiegen zwei Männer am 29. Mai dieses Jahres gegen 17.30 Uhr ahnungslos in ihr Auto, das auf dem Parkplatz eines Firmengeländes in Neu Wulmstorf stand. Die männliche Person, die sich von hinten an das Fahrzeug schlich, bemerkten sie erst, als diese die Beifahrertür aufgerissen und mit den Worten „Grüße von deinem Schwiegervater“ zwei Schüsse auf den Beifahrer abgefeuert haben soll. Offenbar geht es um Streitigkeiten mit der Familie von dessen Ex-Frau.

Am Tatort Neu Wulmstorf will der Angeklagte aber nie gewesen sein. Die Version des 24-Jährigen ist folgende: Er sei im September 2023 von der Türkei nach Berlin gekommen, fand Unterschlupf in einer Flüchtlingsunterkunft, wo er jemanden traf, der ihm Arbeit besorgen wollte. Nach einem Streit wegen eines fehlenden Arbeitsvertrags sei er nach Paris abgehauen.

In Bremen mit sieben anderen in einem Zimmer gelebt

Weil es weder dort noch in den Niederlanden, wo er sich mit Bekannten traf, einen Job für ihn gab, fuhr er nach Bremen. Er habe zum Teil auf der Straße gelebt und in Bremen in einem Zimmer zusammen mit sieben anderen, mit denen er auch zu Arbeitseinsätzen gefahren worden sei. So wie am 29. Mai, dem Tag, als die Schüsse in dem mehr als 100 Kilometer entfernten Neu Wulmstorf fielen.

Und jetzt wird es besonders verwirrend: In der Einlassung, die sein Verteidiger vorliest, heißt es, er habe geglaubt, es gehe wieder zu einem Arbeitseinsatz, aber es gab keinen Job. Deshalb wollte er zum Bahnhof. Sein Mobiltelefon habe er wohl auf dem Weg dorthin, auf einem Feld, verloren. Als er danach gesucht habe, sei er plötzlich von Polizisten umstellt gewesen, die ihn festnahmen. Warum, wisse er nicht. „Mehr möchte mein Mandant dazu nicht sagen, auch keine Namen von anderen Personen nennen“, schließt der Pflichtverteidiger seine Ausführungen.

Kammer glaubt dem Angeklagten kein Wort

Der Vorsitzende, Richter Eric Paarmann, hört sich die Einlassung schweigend an und berät sich dann für fünf Minuten mit der Kammer. Zurück auf dem Richterstuhl verkündet er, dass die Schilderung nichts an dem dringenden Tatverdacht ändere. Der Vorwurf des versuchten Mordes sei damit nicht vom Tisch.

„Wir halten das für unglaubhaft,“ fasst Paarmann die Einschätzung der Kammer zusammen. Das, was der Angeklagte erzählt habe, lasse sich auch nicht überprüfen, fügt er hinzu und rät dem 24-Jährigen eindringlich, sich zu überlegen, ob er bei dieser Version bleiben wolle, denn die Tat sei keine Bagatelle. Deshalb sollte sich der Angeklagte das Angebot zum Gespräch lieber früher als später überlegen. Wenn erst die Zeugen ihre Aussagen machten, bringe das nicht mehr viel, betont Paarmann.

Der Angeklagte, dem die Worte des Richters übersetzt werden, äußert sich dennoch nicht mehr. Aber sein Anwalt sagt zu, dass er noch mal mit seinem Mandanten sprechen wolle.

Mit den Worten „Dann sehen wir uns im neuen Jahr“ verabschiedete sich der Vorsitzende. Weiter geht die Verhandlung am Montag, 27. Januar, um 9.30 Uhr. Ende Februar wird das Urteil erwartet.

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