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Ampel-Aus

Lindner entlassen, Wissing befördert – Merz nur 30 Minuten bei Scholz

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier überreicht Christian Lindner die Entlassungsurkunde.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier überreicht Christian Lindner die Entlassungsurkunde. Foto: Kay Nietfeld/dpa

Der Kanzler braucht den Oppositionsführer für seine Minderheitsregierung. Also hat Friedrich Merz durchaus Druckmittel, wenn es um seine Terminvorstellungen für eine Neuwahl geht.

Donnerstag, 07.11.2024, 15:00 Uhr

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Eine Neuwahl erst im März? Geht es nach Oppositionsführer Friedrich Merz (CDU) und der deutschen Wirtschaft, muss das schneller gehen. Nach dem Bruch der Ampel-Regierung visiert Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) einen März-Termin an. Da Scholz noch Gesetzesvorhaben durch den Bundestag bringen will, ist er auf Hilfe von CDU/CSU angewiesen. Merz sprach am Mittag im Kanzleramt rund eine halbe Stunde mit Scholz über den Fahrplan.

Nach Angaben aus der Unionsfraktion ist das Treffen ergebnislos geblieben. Merz hat Scholz demnach angeboten, die Union sei jederzeit bereit, über anstehende Tagesordnungspunkte oder Gesetze im Bundestag zu sprechen - aber erst, wenn vom Bundeskanzler in den kommenden Tagen die Vertrauensfrage gestellt worden sei. Scholz wolle aber am Zeitplan für die Vertrauensfrage im kommenden Jahr festhalten.

Oppositionsführer Friedrich Merz kam zu Fuß ins Kanzleramt - offenbar gut gelaunt.

Oppositionsführer Friedrich Merz kam zu Fuß ins Kanzleramt - offenbar gut gelaunt. Foto: Fabian Sommer/dpa

Der Kanzler will die Vertrauensfrage im Bundestag am 15. Januar stellen. Merz fordert, die Vertrauensfrage „spätestens Anfang nächster Woche“ zu stellen, um dann in der zweiten Januarhälfte zu wählen.

Wenn der Kanzler die Vertrauensfrage im Parlament stellt und keine Mehrheit bekommt, wird er den Bundespräsidenten bitten, den Bundestag aufzulösen. Dafür hat der Präsident nach Artikel 68 des Grundgesetzes maximal 21 Tage Zeit. Er ist allerdings nicht verpflichtet, dies zu tun. Macht er es, dann muss binnen 60 Tagen gewählt werden.

Vermutlich schwierige Regierungsbildung nach Neuwahl

Wie im Fall einer Neuwahl eine Regierungsbildung aussehen könnte, ist völlig offen. Die Union könnte zwar aktuell damit rechnen, stärkste Kraft zu werden - wer als Koalitionspartner infrage kommt, ist aber unklar. In Umfragen, die vor dem Bruch der Ampel erhoben wurden, hatten die Unionsparteien zuletzt mit Werten über 30 Prozent deutlich vorn gelegen, die Ampel-Parteien standen hingegen deutlich schwächer da als bei der Bundestagswahl 2021. Die SPD lag bei Werten um 15 Prozent, die Grünen um zehn Prozent, die FDP musste demnach sogar um den Wiedereinzug in den Bundestag bangen. CSU-Chef Markus Söder hat Schwarz-Grün wiederholt kategorisch ausgeschlossen.

Merz: „Wir können es uns einfach nicht leisten“

„Wir können es uns einfach nicht leisten, jetzt über mehrere Monate hin eine Regierung ohne Mehrheit in Deutschland zu haben und anschließend über weitere Monate einen Wahlkampf zu führen und dann möglicherweise mehrere Wochen Koalitionsverhandlungen zu führen“, sagte Merz. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt sagte, es wäre eine „Respektlosigkeit gegenüber den Bürgern“, wenn die Regierung weiter im Amt bliebe.

Wissing und Özdemir werden Doppel-Minister

Verkehrsminister Volker Wissing wird in der Minderheitsregierung nach dem Ampel-Aus auch das Justizressort übernehmen und Agrarminister Cem Özdemir (Grüne) das Bildungsministerium. Sie springen für Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger und Justizminister Marco Buschmann aus der FDP ein, die beide ihren Rücktritt erklärt hatten, wie die Deutsche Presse-Agentur aus Regierungskreisen erfuhr.

Damit ist die rot-grüne Minderheitsregierung komplett. Zuvor war bereits bekanntgeworden, dass der bisherige Wirtschaftsberater von Scholz (SPD), Jörg Kukies, Nachfolger des entlassenen Finanzministers Christian Lindner (FDP) wird. Am Nachmittag erhielten alle ihre Entlassungs- und Ernennungsurkunde von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier.

Der Sozialdemokrat Kukies ist derzeit Staatssekretär im Kanzleramt und gilt als einer der wichtigsten Berater von Kanzler Scholz. Er ist sein Mann für Wirtschaft und Finanzen und verhandelt für ihn die Abschlussdokumente der G7- und G20-Gipfel.

Volker Wissing (FDP, rechts) übernimmt zusätzlich das Justizressort; Cem Özdemir die Bildung.

Volker Wissing (FDP, rechts) übernimmt zusätzlich das Justizressort; Cem Özdemir die Bildung. Foto: Kay Nietfeld/dpa

Von den bisherigen vier FDP-Ministern hatte nur Wissing erklärt, trotz des Bruchs der Ampel-Koalition bis zur geplanten Neuwahl im Amt bleiben zu wollen. Er tritt aber aus der FDP aus.

Wirtschaft: Jeder Tag mit der Regierung ist ein verlorener Tag

Auch Wirtschaftsvertreter dringen auf eine schnelle Neuwahl. „Jeder weitere Tag mit dieser Bundesregierung ist ein verlorener Tag“, sagte der Präsident des Außenhandelsverbands BGA, Dirk Jandura. Eine schnelle Neuwahl forderten auch der Verband der Automobilindustrie (VDA), der Verband der Chemischen Industrie (VCI) und der Verband der Elektro- und Digitalindustrie (ZVEI).

VDA-Präsidentin Hildegard Müller erklärte, die Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten, der Wahlsieg von Donald Trump in den USA, offene Handelsfragen mit China und der Zustand des Standorts Deutschland erforderten eine maximal handlungsfähige und Bundesregierung.

Scholz: Tue, was für das Land notwendig ist

Scholz hält an seinem Zeitplan fest. Er werde tun, was für das Land notwendig sei, sagte der SPD-Politiker. „Die Bürgerinnen und Bürger werden bald die Gelegenheit haben, neu zu entscheiden, wie es weitergehen soll.“

Scholz will Merz anbieten, rasch gemeinsam nach Lösungen zur Stärkung der Wirtschaft und der Verteidigung zu suchen. Es gehe um Fragen, „die entscheidend sind für unser Land, konstruktiv zusammenzuarbeiten: bei der schnellen Stärkung unserer Wirtschaft und unserer Verteidigung“. (dpa)

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