TVerzweifelte Suche nach Hilfe: Hund Carlo erleidet jahrelange Qualen

Josephine Schröder (links) behandelt Nancy Neumanns Hund Carlo seit 2022. Die Bremerhavenerin Schröder möchte Gesundheit für Hunde zugänglicher machen. Foto: Meis
Der Berner Sennenhund von Nancy und Felix Neumann leidet an einem Hüftschaden. Nach viel Geld und Tränen findet das Paar aus dem Kreis Cuxhaven Unterstützung.
Cuxhaven/Bremerhaven. Es ist eine wichtige Entscheidung, die Felix und Nancy Neumann im Winter 2018 treffen müssen. Die Gesundheit ihres Welpen Carlo, einem Berner Sennenhund, hängt davon ab. Eine Hüftoperation könnte sein Leiden beenden. „Wir haben uns verrückt gemacht“, sagt Nancy Neumann über diese Zeit. „Wir haben nichts gefunden, das ihm hilft.“ Soll Carlos Hüftgelenk entfernt werden? Soll es durch ein künstliches Gelenk ersetzt werden? Das junge Paar aus Bexhövede muss sich entscheiden. Der junge Carlo leidet.
Süßer Welpe wird zur Quelle ständiger Sorgen und Herausforderungen
Das Fell des putzigen schwarz-weißen Welpen färbt sich vereinzelt hellbraun. Der süße Baby-Hund soll das Leben des jungen Paares bereichern. Und das wird er – nur anders als gedacht. Das kleine Fellknäuel wird Felix und Nancy Neumann viele schwere Stunden, Sorgen und Ängste bereiten. Das Leben des Berner Sennenhundes wird von Schmerzen geprägt sein.
Seine Besitzer leben in Bexhövede bei Loxstedt. Felix Neumann, heute 30 Jahre alt, ist Projektentwickler in der Windenergiebranche. Nancy, 29, ist in der Verwaltung im Klinikum Reinkenheide beschäftigt. 2017 entscheiden die beiden sich, die Verantwortung für den kleinen Carlo zu übernehmen. „Wir wollten einen Berner Sennenhund“, erzählt Nancy Neumann. „Wir haben uns vorher nicht genügend schlau gemacht“, weiß sie heute. Viel Zeit, Geld, Tränen und Nerven haben sie und ihr Partner seitdem in ihren Hund gesteckt. „Von den vielen Behandlungskosten hätten wir ein Auto kaufen können“, sagt Nancy Neumann heute. Für seine Rasse hat ihr Hund mittlerweile ein reifes Alter erreicht.
Bürgerprotest
Streit um Mini-Park mit Hundespielwiese im Alten Land
Hobbyzüchterin? „Nie wieder“, sagt Nancy Neumann
Bevor Carlo nach Bexhövede kam, lebte er bei einer Hobby-Züchterin. Das junge Paar kommt über ein Kleinanzeigen-Portal mit der Frau in Kontakt. „Nie wieder“, sagt Neumann heute. Berner Sennenhunde sind von Vorerkrankungen besonders gefährdet. Die Verkäuferin versprach dem Paar, der Hund sei gesund. „Wir waren zu naiv“, sagt Neumann.
„Vermutlich hatte der Hund von Geburt an einen Hüftschaden“, sagt Josephine Schröder. Die Bremerhavenerin ist Tiertherapeutin. In ihrer Praxis behandelt sie heute Carlo. Der Hund kommt gerne, denn Schröder lindert sein Leid. Die Arbeit der 23-Jährigen war der Schlüssel für eine Besserung im Leben des Berner Sennenhundes. Bis zu der Begegnung mit Josephine Schröder vergingen für Felix und Nancy Neumann Jahre, in denen ihr Hund leidet.
Schon nach Monaten merken Nancy und Felix Neumann 2017, dass mit ihrem kleinen Welpen etwas nicht stimmt. „In der Hundeschule fing er an zu humpeln“, sagt Nancy Neumann. Sorgen breiten sich bei den damals noch unerfahrenen Hundehaltern aus. Was hat Carlo? Wie können wir ihm helfen?

Das ist die Hüfte von Berner Sennenhund Carlo. Auf der rechten Seite das künstliche Hüftgelenk, auf der linken Seite hängt der Oberschenkelkopf neben der Hüftpfanne. Foto: Meis
Hüftdysplasie: Carlos Diagnose kommt zu spät
Der Tierarzt verschreibt erst einmal Schmerzmittel. Doch das Humpeln wird nicht besser. Ein Besuch in einer Bremer Tierklinik ist die Konsequenz. Ein erstes Röntgenbild macht das Ausmaß von Carlos Problem sichtbar. Sein Oberschenkel passt nicht in die Hüftpfanne.
„Die Diagnose kam zu spät“, sagt Tiertherapeutin Schröder. Eine gezielte Untersuchung hätte die Hüftdysplasie, wie Carlos Diagnose heißt, bereits nach der Geburt feststellen können. Berner Sennenhunde leiden oft unter dieser Fehlstellung, erklärt Josephine Schröder. In ihrer Praxis in Bremerhaven-Mitte ist die Fehlstellung in der Hüfte ein Behandlungsklassiker.
Was das Gelenk nicht halten kann, müssen Carlos Muskeln ausgleichen. Der Hund muss kräftiger werden. „Ein Unterwasserlaufband wäre die beste Option, sagte der Arzt“, erzählt Nancy Neumann. Das nächste steht in Bremen-Ritterhude. „Damals gab es kaum Tierphysios in der Region.“

In das Unterwasserlaufband steigt Carlo heute gerne. Im Wasser zu laufen, schont seine Gelenke und baut Muskeln auf. Foto: Schröder
Im Nachhinein froh über die OP-Entscheidung für Carlo
Carlo streikt. Er will nicht in den mit Wasser gefüllten Kasten steigen. „Er ist groß, aber ein Angsthase“, sagt seine Besitzerin. Also machen Nancy und Felix Neumann zu Hause Übungen. Der Effekt bleibt aus. Carlo läuft weiter schlecht. „Wenn er über das Feld gelaufen ist, hat er immer ein Bein hochgehalten“, erinnert sich Nancy Neumann.
Er muss zurück in die Klinik, wo der Arzt das Paar vor die Entscheidung stellt: Operieren oder nicht. Gemeinsam entscheiden sie sich für die OP. „Im Nachhinein bin ich froh darüber“, sagt Nancy Neumann über die schwere Entscheidung. Schmerzmittel wäre die Alternative gewesen – bis er nicht mehr aufstehen kann.
Vor seinem zweiten Lebensjahr bekommt Carlo eine neue Hüfte.
Das Humpeln kehrt zurück - Was nun?
Das neue Gelenk soll keine Erlösung bringen. Der Berner Sennenhund lässt die Therapie wieder nicht zu. „Er lief, aber wie eine Katze mit Buckel“, erzählt Nancy Neumann. Er kann einige Jahre laufen – bis 2022, als er wieder zu lahmen beginnt.
Er muss wieder in die Klinik. „Das Röntgenbild sah schlecht aus“, sagt Neumann. Das Hüftgelenk ist auch auf der anderen Seite verformt. „Wir dachten, das war‘s jetzt.“
Im Umfeld des Paares stößt der Einsatz für ihren Carlo vermehrt auf Unverständnis. Der hohe finanzielle, zeitliche und emotionale Aufwand sei der Berner Sennenhund doch nicht wert. Carlo sei doch nur ein Hund. Für Nancy und Felix Neumann ist er mehr. Sie kämpfen weiter für die Gesundheit ihres Hundes.
Der erneute Rückschlag führt die beiden erstmals zu Josephine Schröder, die 2022 in einer Praxis in Debstedt angestellt ist. Eine weitere OP wird es nicht geben. Schröder ist die dritte Therapeutin, die versucht, Carlos Leiden zu mindern.
Begegnung mit Josephine Schröder macht Hoffnung
Bevor sie in Debstedt anfängt, macht die Bremerhavenerin eine dreijährige Ausbildung an der Akademie für Tiernaturheilkunde und Tierphysiotherapie in Schleswig-Holstein. Dort wird Schröder zur Tierphysiotherapeutin und -ostheopathin ausgebildet. Ihr drittes Lehrjahr führt sie dann in die Praxis nach Geestland, wo sie praktische Erfahrungen sammelt. Im November wagte Josephine Schröder mit einer eignen Praxis am Martin-Donandt-Platz den Schritt in die Selbstständigkeit.
„Im ersten Gespräch mache ich eine Anamnese“, sagt Schröder. „Ich schaue mir die Tiere von Kopf bis Fuß an.“ In Schröders Praxis kommen fast ausschließlich Hunde. „Die Begegnung mit ihr war anders, Carlo war nicht mehr so skeptisch wie vorher“, erzählt Nancy Neumann. Die junge Tiertherapeutin bekommt einen Zugang, gewinnt Vertrauen. Carlo ist mittlerweile fünf Jahre alt.
„Bei Carlo feiern wir jeden Tag Geburtstag“
Seit diesem Tag geht es dem Berner Sennenhund zunehmend besser. Er freundet sich wider erwartend mit dem Unterwasserlaufband an. Carlo baut gelenkschonend Muskeln auf, sein Laufbild bessert sich. Nancy und Felix Neumann sind erleichtert. Endlich haben sie etwas gefunden, das ihrem Carlo hilft.
Seit der ersten Begegnung mit der Bremerhavener Tiertherapeutin ist Carlo zweimal die Woche in ihrer Praxis. „Mittlerweile kommt er gerne her“, sagt Schröder. „Bei Carlo feiern wir jeden Tag Geburtstag“, sagt sie, während der große Hund zu ihren Füßen liegt.