TViel Lärm um nichts? Der Kleiabbau, die Raumplanung und die Eigentümer
Blick auf das Naturschutzgebiet. Foto: Helfferich
Krater hinterm Deich und zum Schutzwall aufgetürmter Acker? Ein Szenario, für das es keine rechtliche Grundlage gibt, sagt der Chefplaner Simon Grotthoff.
Nordkehdingen. Simon Grotthoff ist der Chef der Raumordnung, der Bauleitplanung und des Klimaschutzes im Landkreis. Er ist zurzeit ein gefragter Fachmann beim Landkreis. Die täglichen Anfragen beziehen sich auf den Entwurf zum neuen Regionalen Raumordnungsprogramm (RROP) des Landkreises.
Oft gefragt ist derzeit das Thema Kleiabbau in Nordkehdingen. Die Landwirte sind in Sorge: Was bedeutet die Deklarierung der Flächen in der Praxis? Grotthoff erklärt, es gebe keine unmittelbare Wirkung auf Bürgerinnen und Bürger. Es werde weder Zwang auf Flächeneigentümer ausgeübt, noch würden Fakten geschaffen durch Ausweisung von Naturschutzgebieten. Anderslautende Aussagen - etwa drohende Enteignung - seien falsch.
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Fest steht: Für den Deichausbau im Landkreis Stade werden große Mengen an Klei benötigt. Laut NLWKN (Niedersächsischer Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz) sind es für die nächsten 15 Jahre etwa 2,7 Millionen Kubikmeter Klei für die Erhöhung der Hauptdeiche. Vor allem in Nordkehdingen wird Klei gebraucht, weil die Deiche dort um zwei Meter erhöht werden sollen.
Boden für den Deichbau darf nicht zu sandig sein
Im RROP 2013 wurden auch im Bereich Horneburg noch Vorrangflächen für Kleiabbau vorgehalten, weil es dort keine Obstanbauflächen gab. Doch mittlerweile habe sich herausgestellt, dass dort das Material gar nicht deichbaufähig ist, so Grotthoff. Im Bereich des Alten Landes und Horneburgs sei der Kleiboden oft mit Sand gemischt.
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Beim Blick auf den zeichnerischen Entwurf des RROP ist schnell zu erkennen, dass sich bei der Suche nach geeigneten Flächen unterschiedliche Interessen in die Quere kommen. Ist der Boden geeignet, stimmt vielleicht der Siedlungsabstand nicht. So werden Bereiche gesucht, die am wenigsten wehtun. Deshalb wurde auch nur in Nordkehdingen ein Kleiabbau ausgewiesen - Siedlungsabstände spielen hier kaum eine Rolle.
Prinzipiell gilt: „Wir regeln nicht den Abbau, sondern wir sichern die Fläche“, so Grotthoff. Die Festlegung als Vorranggebiet sei keine Erlaubnis, Klei abzubauen. Aber sie kann andere Nutzungen ausschließen, etwa eine Zersiedelung oder den Bau von Industrieanlagen im Umfeld. Baudezernentin Madeleine Pönitz bekräftigt: „Wenn der Eigentümer keinen Abbau will, geht gar nichts.“
Klei-Suche soll landwirtschaftliche Flächen schonen
„Wenn der Deichverband in Schutzgebieten abbauen möchte, wäre das möglich“, sagt Grotthoff. Dann müsse abgewogen werden, ob ein tiefes Loch gegraben, und damit weniger Fläche gebraucht wird. Oder ob auf großer Fläche nur 30 bis 40 Zentimeter Boden entnommen werden. Damit wäre eine landwirtschaftliche Nutzung weiter möglich - im Gegenzug würde aber sehr viel mehr Fläche gebraucht.
In der zeichnerischen Darstellung sind Kleigewinnungsflächen südlich der L111 als Vorranggebiete Rohstoffgewinnung in der Samtgemeinde Nordkehdingen gesichert. 540 Hektar insgesamt. Die Fläche ist so groß angelegt, weil dann die Wahrscheinlichkeit wächst, irgendwo in dieser Fläche das Planungsziel zu erreichen, sagt Grotthoff.
Dennoch soll das Material bevorzugt anderweitig beschafft werden. So steht es im Entwurf des RROP (Seite 45): „Für die Gewinnung des für den Deichbau benötigten Kleis sind alle Möglichkeiten der Beschaffung zu nutzen.
Zur Schonung landwirtschaftlicher Flächen sollen die Wiedernutzung von Material und die Gewinnung von Sediment aus den Nebengewässern, Nebenflüssen und Randbereichen der Elbe bei der Beschaffung bevorzugt werden.“ Danach soll also zuerst anderes Material verwendet werden.
Lagerflächen sind nicht Gegenstand des RROP
Das ist im Sinn der Landwirte in Nordkehdingen. Sie fordern, Schiffsanleger am Ostesperrwerk zu schaffen, um dort geeignetes Material anliefern zu können. Doch dann sind temporäre Lagerflächen vonnöten.
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Madeleine Pönitz ist dazu im Gespräch mit dem Deichverband. Lagerflächen sind allerdings nicht Gegenstand des RROP, sie sind unterhalb der Raumbedeutsamkeit. Der Bau von Kleilagern könnte innerhalb des Planfeststellungsverfahrens zum Deichbau mit eingearbeitet werden. Das sei Aufgabe des Deichverbandes, dies vernünftig zu planen, so Pönitz. Es setzt ein Genehmigungsverfahren voraus. Im Sommer hatte es Ärger um ein Kleilager an der Oste und einen improvisierten Anlandeplatz am Osteufer gegeben - ohne Baugenehmigung.
Insgesamt stellt Grotthoff klar: Kleiabbau funktioniere nur, wenn es einen Interessenten für den Abbau gibt und einen Flächeneigentümer, der sich darauf einlässt. Der Abbau müsse erlaubt werden. Landwirtschaft bleibe erhalten. Ställe könnten weiterhin gebaut werden. Große Biogas-Anlagen oder Windkraftanlagen würden im Vorranggebiet aber nicht erlaubt.
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