TTödliche Ohrfeigen? Staatsanwalt fordert jahrelange Haft

Der Prozess um vermeintlich tödliche Ohrfeigen neigt sich dem Ende entgegen. Foto: Carmen Jaspersen/dpa
Schlussplädoyers im Prozess um vermeintlich tödliche Ohrfeigen: Während die Staatsanwaltschaft für den Angeklagten vier Jahre Haft fordert, sieht der Verteidiger keine Beweise, dass die Ohrfeigen seines Mandanten Todesursache eines Mannes waren.
Stade. Im November des vergangenen Jahres trafen sich der Angeklagte und einige andere Männer zu einem Trinkgelage in einer Wohnung in Stade. Im Laufe des Abends kam es zu verbalen Auseinandersetzungen und Schlägen zwischen dem Angeklagten und einem anderen Mann.
Zwei Tage lag dieser in die Auseinandersetzung involvierte Mann tot in seiner Wohnung und der Angeklagte wurde als mutmaßlicher Täter verhaftet. Zu Beginn des Prozesses gab der Angeklagte zu, dem später Verstorbenen zwei Ohrfeigen gegeben zu haben. Er zeigte sich betroffen über den Tod des Mannes und konnte sich nicht vorstellen, dass er dafür verantwortlich war.
Zeuge will „heftige Schlägerei“ gesehen haben
Die Verhandlung vor der 3. Großen Strafkammer am Landgericht Stade war von unterschiedlichen und widersprüchlichen Zeugenaussagen sowie Gerüchten über den Fall geprägt. Ein Zeuge brachte als völlig neuen Aspekt eine „heftige Schlägerei“ zwischen dem Angeklagten und dem Opfer ins Spiel. Nach Abschluss der Beweisaufnahme äußerte die Kammer bereits Zweifel an den Aussagen dieses Zeugen.
Wer einen anderen Menschen ohrfeigt, muss auch mit dessen Tod rechnen. Dieser Tenor im Schlussplädoyer von Staatsanwältin Liebau führte dazu, dass der Verteidiger, Rechtsanwalt Rainer Mertins, für einen kurzen Moment schaute, als hätte er sich verhört.
In ihrem detaillierten Plädoyer hatte die Anklagevertreterin alle Zeugenaussagen in der Verhandlung als schlüssig bewertet und war bei der Würdigung der Tat zwar von einer verminderten Steuerungsfähigkeit des zur Tatzeit alkoholisierten Angeklagten ausgegangen, sah aber keinen minderschweren Fall gegeben. Für die Staatsanwältin steht fest, dass der Angeklagte mehrfach und intensiv auf das Opfer eingeschlagen hat. Dass es möglicherweise Schläge waren, die zum Tod des Opfers geführt hatten, hatten sachverständige Rechtsmediziner ausgeführt. Welche der Schläge zum Tod geführt hatten, konnte allerdings nicht festgestellt werden.
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Für den Verteidiger zeigt sich der Fall ganz anders
Für die Anklagevertretung gab es keine Hinweise auf andere Täter, so dass sie sich in ihrer ursprünglichen Anklage bestätigt sah. Als tat- und schuldangemessen beantragte die Staatsanwältin eine Freiheitsstrafe von vier Jahren, auch wenn sie zugunsten des Angeklagten sein Teilgeständnis bereits vor der Festnahme und die Provokation des Opfers wertete.
Für Rechtsanwalt Mertins zeigt der Fall ein anderes Bild: Sein Mandant, sichtlich gezeichnet durch den Tod seines Bekannten, habe schon zeitig freiwillig ein Geständnis abgelegt. Seitdem habe er sich gefragt, ob seine Ohrfeigen tödlich gewesen waren. Für den Verteidiger hatte die Beweisaufnahme keinesfalls die Schuld seines Mandanten am Tod des Opfers nachgewiesen: Die meisten Aussagen der Zeugen waren seines Erachtens nur vage, dienten ihrem Selbstschutz, weil sie gerüchteweise ebenfalls als Täter infrage gekommen wären.
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Rechtsanwalt: Viele Lücken im Ablauf nach dem Trinkgelage
Die belastenden Aussagen des Zeugen H. über eine massive Schlägerei des Angeklagten mit dem Opfer hätten sich als nicht schlüssig herausgestellt. Es gab, so Mertins, viele Lücken im Ablauf nach dem Trinkgelage, in denen etwas passiert sein könnte, das zum Tod des Opfers geführt haben könnte. Fahrradstürze oder andere körperliche Auseinandersetzungen zum Beispiel.
Letztendlich haben auch die Sachverständigen nicht zweifelsfrei bestätigen können, dass genau die Schläge des Angeklagten den Tod seines Bekannten verursacht hatten. Blieben für Mertins nur die beiden Ohrfeigen als Drohgebärde gegen den provozierenden Freund, die sein Mandant zugegeben hatte. Der Antrag der Verteidigung lautete daher, eine milde Bewährungsstrafe wegen einfacher Körperverletzung zu verhängen.