Volle Tierheime: Verhaltensauffällige Hunde und sehr viele Katzen

Hunde im Bremer Tierheim. Viele Katzen und verhaltensauffällige Hunde stellen Tierheime in Niedersachsen und Bremen vor große Herausforderungen. Foto: Sina Schuldt/dpa
Sie brauchen einen Maulkorb und viel Training - in den Tierheimen landen zunehmend bellende Vierbeiner mit Verhaltensauffälligkeiten. Manche von ihnen gelten als gefährlich.
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Sehr viele Katzen und verhaltensauffällige Hunde stellen Tierheime in Niedersachsen und Bremen vor große Herausforderungen. „Angeschaffte Hauskatzen wurden nicht kastriert und teilweise ausgesetzt, sodass die Vereine nun von einer Katzenschwemme betroffen sind, weil sich diese Tiere unkontrolliert vermehrt haben“, berichtet der Vorsitzende des Landestierschutzverbandes Niedersachsen, Dieter Ruhnke. „Abgegebene Hunde weisen zum Teil Verhaltensauffälligkeiten auf.“ Auch die Zahl der als gefährlich eingestuften Hunde habe sich erhöht. „Diese Hunde werden in der Regel zu Dauereinsitzern, auch wenn sie therapiert werden können.“
Beißende Hunde - oft Resultat vieler Missverständnisse
Das Bremer Tierheim hat sich auf verhaltensauffällige Hunde spezialisiert. Es gebe mehr solcher Hunde als früher, sagt die Leiterin Sina Fehr, die auch Hundetrainerin ist. „Wir müssen immer mehr mit zwei Leuten an einem Hund arbeiten. Das heißt, einer sichert und der andere setzt den Maulkorb auf zum Beispiel.“ Das erfordere viel Personal. Von den 51 Hunden, die derzeit im Bremer Tierheim leben, sind 37 Maulkorbträger. Fünf Hunde sind amtlich als gefährlich eingestuft.

Zwei Hunde stehen sich im Bremer Tierheim gegenüber. Foto: Sina Schuldt/dpa
Die meisten Hunde, die von Privatleuten abgegeben wurden, haben gebissen, wie Fehr berichtet. Dem gehe oft eine längere Geschichte mit vielen Missverständnissen in der Kommunikation zwischen Mensch und Tier voraus. Viele Tiere werden demnach überfordert. Viele Besitzer wollten ihren Hund überall mitnehmen, dabei würden oft die Bedürfnisse des Tieres übersehen. „Und das ist das große Problem, dass man den Hunden viel zu viel zumutet teilweise. Das können die nicht verarbeiten. Die haben gar nicht mehr diese Nervenstärke dafür.“
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Problematisch sei zudem, dass sich viele Menschen Hunde zulegten, die nicht zu deren Leben und Bedürfnissen passten. Ein Hund mit starkem Jagdinstinkt brauche einen Alltag, der dies berücksichtige. Menschen sollten sich viel genauer überlegen, welche Hunderasse zum eigenen Leben passt. „Dass wir immer wieder Probleme haben, Maulkörbe zu kriegen - da sieht man schon, wie oft jetzt Maulkörbe verwendet werden müssen draußen. Das ist schon ein bisschen verrückt“, so Fehr.
Viel Training mit den Vierbeinern
Wie in anderen Tierheimen trainieren die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Bremer Tierheims mit den Hunden. Ziel ist, dass sie ein neues Zuhause finden können, wie Fehr erzählt. Demnach helfen die Hundetrainerinnen bei Bedarf auch nach der Vermittlung, damit Schwierigkeiten früh erkannt und gelöst werden können. Der Leiterin zufolge haben alle Hunde eine neue Chance verdient. Und: „Wenn wir in der Lage sind, mit den Hunden umzugehen, dann kann es da draußen auch irgendeiner. Ich gebe die Hoffnung nicht auf.“

Abgegebene Hunde weisen zum Teil Verhaltensauffälligkeiten auf. Foto: Sina Schuldt/dpa
Volle Tierheime
Sehr viele abgegebene und ausgesetzte Hunde sind auch in niedersächsischen Tierheimen eine Herausforderung. So hat das Tierheim Hannover derzeit keine freien Plätze für Hunde. „Wir können nur noch ganz knapp den einen oder anderen Notfall aufnehmen“, sagt Doris Peterek. Die Vermittlung von bellenden Vierbeinern mit Verhaltensauffälligkeiten ist demnach schwer. Mit diesen Hunden müsse zunächst viel trainiert werden. Hunde, die amtlich als gefährlich eingestuft werden, hätten erst nach bestandenem Wesenstest eine Chance auf Vermittlung. „Da es dann noch etliche Auflagen für den neuen Halter zu erfüllen gibt, haben wir kaum Anfragen für diese Hunde.“

Sina Fehr, Leiterin vom Bremer Tierheim. Foto: Sina Schuldt/dpa
Derzeit leben im Tierheim Hannover rund 70 Hunde, sieben davon wurden amtlich als gefährlich eingestuft, viele weitere zeigen Verhaltensauffälligkeiten. „Die allermeisten Anfragen für Hunde sind natürlich für liebe, nette Familienhunde. Die werden uns aber aus der Hand gerissen und sind nicht oft im Tierheim zu finden“, so Peterek.
Auch im Tierheim Oldenburg ist die Zahl der aufgenommenen Hunde gestiegen. Im Vergleich zu früher gebe es deutlich mehr Hunde mit Verhaltensproblemen, die lange im Tierheim bleiben müssten. Dies liege aber nicht unbedingt am jeweiligen Hund selbst, sondern auch am Anspruch der Besitzer, erklärt Jansen. Ein Hund solle sich heute perfekt ins Familien- und Sozialleben einfügen. Es werde erwartet, dass ein Hund von Anbeginn gute Manieren an den Tag lege. „Dass ein Hund angeleitet werden muss und ihm Grenzen aufgezeigt werden müssen, vergisst oder missachtet so mancher Hundebesitzer. Ohne einen Rahmen aus Regeln ist ein soziales Miteinander zum Scheitern verurteilt.“
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Im Tierheim werde mit jedem Hund, der Auffälligkeiten zeige, gearbeitet, sagt Jansen. „Leider gibt es natürlich Tiere, bei denen noch so viel Training und viel Mühe nichts mehr ausrichten können. Diese Hunde werden zu sogenannten Langzeitinsassen, die die Tierheime maximal belasten, da sie Kapazitäten für Fund- und gut vermittelbare Tiere nehmen.“
Katzen als Herausforderung für die Tierheime
Neben den Hunden stellt die hohe Zahl an abgegebenen oder ausgesetzten Katzen, viele Tierheime vor Herausforderungen. So hatte das Bremer Tierheim monatelang mehr als 200 Katzen, wie die Tierheimleiterin Fehr erzählt. Das sei für die Wintermonate sehr ungewöhnlich gewesen. Nach einer kurzen ruhigeren Phase kommen nun erneut viele schnurrende Vierbeiner in die Einrichtung. Im Tierheim Hannover landen ebenfalls sehr viele Katzen.

Das Bremer Tierheim musste monatelang mehr als 200 Katzen versorgen. Foto: Sina Schuldt/dpa
„Wir hatten zwischenzeitlich bei 200 Katzen einen Aufnahmestopp für Privatabgaben machen müssen, erzählt Doris Peterek. In der Folge wurden viele Katzen ausgesetzt und landeten als Findlinge im Tierheim. „Da haben es sich die Halter sehr einfach gemacht.“ Inzwischen seien viele Katzen vermittelt, die Lage entspanne sich. „Wir rechnen aber im kommenden Frühjahr wieder mit vielen Jungkatzen, da die Kastrationspflicht in und um Hannover noch keinen nennenswerten Erfolg gebracht hat. Es gibt immer noch zu viele unkastrierte Katzen und es fehlt eine Kontrolle.“
Auch im Tierheim Oldenburg gibt es viele Katzen, wie die stellvertretende Geschäftsführerin Lisa Jansen mitteilt. „Die am meisten aufgenommene Tierart im Oldenburger Tierheim sind Katzen“, berichtet sie. Wie in anderen Tierheimen landen auch in Oldenburg ältere und erkrankte Tiere. „Das Volumen der Tierarztkosten ist sehr groß und sicherlich eine der größten Schwierigkeiten für das Tierheim“, so Jansen.