TVoller Charme und Stolperfallen: Das Dilemma in der Stader Altstadt

Erika Schlieper ist auf den Gehwagen angewiesen. Wenn die Gehwege - wie hier in der Bungenstraße - schräg abfallen, hat sie Probleme. Foto: Stehr
Nicht nur Menschen mit Gehwagen kommen in der Stader Altstadt leicht ins Straucheln. Die Behindertenbeauftragten haben die Probleme im Blick, doch die Stadt vertröstet sie.
Stade. Mit schmucken Fachwerkhäusern an Kopfsteinpflasterstraßen punktet die Stader Altstadt optisch allemal und zieht jedes Jahr Zehntausende Touristen an. Die Barrierefreiheit lässt allerdings vielerorts zu wünschen übrig. Das fällt allen auf, die sich mit Rollstuhl, Kinder- oder Gehwagen fortbewegen. So wie Erika Schlieper.
Schräge Fußwege machen Erika Schlieper zu schaffen
Die 85-Jährige ist täglich in der Stader Altstadt unterwegs. Seit kurzem ist sie dabei auf einen Gehwagen angewiesen. Zu schaffen machen ihr vor allem die schrägen Fußwege, zum Beispiel in der Bungenstraße oder in der Kehdinger Straße. Außerdem seien viele barrierearm gepflasterte Straßenbereiche häufig mit Stühlen oder Schildern von Gastronomen und Einzelhändlern versperrt. Gefährlich findet Erika Schlieper auch die hervorstehenden Gullydeckel und Absenkungen in der Hökerstraße und in der Sattelmacherstraße.

Es kommt immer wieder vor, dass Gastronomen und Einzelhändler mit Schildern oder Stühlen künstliche Barrieren schaffen. Foto: Stehr
Dass hier nicht nur Menschen mit Behinderungen oder Einschränkungen leicht ins Straucheln kommen, kann Horst Mau bestätigen. Er engagiert sich seit vier Jahren als Behindertenbeauftragter der Stadt ehrenamtlich für die Interessen von Menschen mit Behinderung. Unterstützt wird er seit zwei Jahren von Ilse-Marie Jungclaus.
„Ich habe selbst beobachtet, wie jemand in einer Absenkung in der Sattelmacherstraße umgeknickt ist“, sagt Horst Mau. Regelmäßig meldet er Stolperfallen an die Kommunalen Betriebe Stade (KBS), die meist innerhalb weniger Tage aktiv werden, aber natürlich auch nicht ganze Straßen neu pflastern können.
„Früher haben die Planer offenbar mehr auf das Aussehen geachtet als auf Barrierefreiheit“, sagt Mau. Heute werden er und Ilse-Marie Jungclaus bei anstehenden Sanierungen und anderen Planungen im Stadtbereich ins Boot geholt und mischen sich ein, wenn es sein muss. So wie bei der bevorstehenden Sanierung der Bungenstraße, die noch in diesem Jahr starten soll.

Horst Mau und Ilse-Marie Jungclaus sind die ehrenamtlich tätigen Behindertenbeauftragten der Stadt Stade. Foto: Stehr
„Eigentlich sollte die Straße so ausgebaut werden, wie sie jetzt ist“, sagt Mau. Den Behindertenbeauftragten sei es zu verdanken, dass die Gehwege künftig mit geschliffenem Granitsteinpflaster barrierearm und vor allem gerade gestaltet werden sollen. Es gehe darum, Kompromisse zu finden für mehr Barrierefreiheit bei gleichzeitigem Erhalt des Altstadtcharmes - auch wenn das meistens teurer sei.

Wenn ein Fahrrad den Gehweg versperrt, muss Erika Schlieper mit ihrem Gehwagen auf das holprige Kopfsteinpflaster ausweichen. Foto: Stehr
Die neue Bungenstraße soll als Muster für weitere Maßnahmen dienen. Zum Beispiel für die Umgestaltung des Pferdemarktes, die im Rahmen der Altstadtsanierung stattfinden soll. Allerdings wisse noch niemand, wann die Maßnahme starte, sagt Mau. Dabei seien die Probleme in Bezug auf Barrierefreiheit im Bereich der Bushaltestellen besonders gravierend.
Riesige Spalten im Pflaster auf dem Pferdemarkt
Er habe die Stadt auf die riesigen Spalten im Pflaster hingewiesen, sei aber mit dem Hinweis auf die Altstadtsanierung vertröstet worden. „Ich würde mir hier eine schnellere Lösung wünschen“, sagt Mau. Einen Vorschlag hat er schon. Die Lücken könnten mit Kunststoff aufgefüllt werden. Das sei aber laut Verwaltung nicht möglich, weil der Kunststoff den Belastungen durch die schweren Fahrzeuge nicht standhalten würde.
Andere Vorschläge der Behindertenbeauftragten für eine barriereärmere Altstadt sind dagegen umgesetzt worden. So öffnen sich inzwischen am Platz am Sande die Türen zur Parkgarage elektrisch. Die Umsetzung der Maßnahme habe allerdings zwei Jahre gedauert, sagt Mau.
Länger als gedacht dauert auch die Einrichtung eines barrierefreien Trinkbrunnens in der Innenstadt, die aus dem Budget der Behindertenbeauftragten bezahlt werden soll. Dieser soll in Kürze beim Fischmarkt installiert werden, sagt Stadtsprecher Stephan Voigt auf TAGEBLATT-Nachfrage.
Plan für eine barrierefreie Innenstadt
Horst Mau und Ilse-Marie Jungclaus haben noch mehr Wünsche. Einen Plan für barrierefreie Wege durch die Altstadt inklusive barrierefrei erreichbarer Geschäfte und Praxen zum Beispiel. Für die Wochenmarktbeschicker wünschen sich die Behindertenbeauftragten Kästen mit Anschlüssen für Strom und Wasser wie es sie in Buxtehude gebe.
Dann müssten Kabel und Schläuche nicht mehr mit Gummimatten abgedeckt im Weg liegen. Auch dieses Problem solle im Rahmen der Pferdemarktsanierung gelöst werden. „Das wird also noch dauern“, sagt Mau. Er ist überzeugt, dass es in Stade so viel zu tun gibt, dass es für eine Vollzeitstelle für einen Behindertenbeauftragten reichen würde.
Die Behindertenbeauftragten sind donnerstags zwischen 14 und 16 Uhr im Rathaus erreichbar sowie per E-Mail.
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