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Zivilcourage

TVom Asylsuchenden zum Retter: Er stoppte den Messer-Angreifer in Cuxhaven

Anderen Menschen zu helfen, ist für den 59-jährigen Doni Merovci eine Selbstverständlichkeit.

Anderen Menschen zu helfen, ist für den 59-jährigen Doni Merovci eine Selbstverständlichkeit. Foto: Keck

Vor 29 Jahren floh Doni Merovci aus dem ehemaligen Jugoslawien nach Cuxhaven. Mehrmals sollte er abgeschoben werden. Nun wurde er zum Helden. Er erzählt die Geschichte seines Lebens und wie sich eine ganze Stadt für sein Bleiben einsetzte.

Von Lennart Keck Sonntag, 22.09.2024, 13:50 Uhr

Cuxhaven. 1994 floh der damals 26-jährige Doni Merovci mit seiner Frau aus dem ehemaligen Jugoslawien nach Deutschland. Mehrmals sollte er abgeschoben werden, doch Merovci hatte sich in Cuxhaven längst eine Fangemeinde aufgebaut, die alles daran setzte, dass der eingefleischte Fußballfan bleiben durfte.

„Zuerst kam ich nach Langenhagen“, erinnert er sich. „Damals habe ich direkt einen Asylantrag gestellt und parallel angefangen, in einer Drittliga-Fußballmannschaft zu spielen.“ Im Frühjahr 1995 kam er schließlich nach Cuxhaven. „Dort habe ich sofort versucht, Fuß zu fassen.“ Auch in Cuxhaven nutzte er den Fußball als Schlüssel zur Integration. Schnell fand er Anschluss, unter anderem beim Verein Rot Weiss, der ihm bei der Wohnungssuche half. Zehn Jahre lang lebten Doni Merovci und seine Frau im Stadtteil Süderwisch. Doch die Unsicherheit über die eigene Zukunft prägte die ersten Jahre. „Ich hatte nur eine Duldung, also den schlechtesten Aufenthaltsstatus. Ich durfte die Stadt nicht ohne Genehmigung verlassen.“

In zahlreichen Vereinen tätig gewesen

In den folgenden Jahren spielte er nicht nur für verschiedene lokale Vereine wie Rot Weiss, Eintracht, Groden und Sahlenburg, sondern engagierte sich auch als Trainer. In Süderwisch wurde er aktives Mitglied im Förderverein „Wir in Süderwisch“ und machte es sich zur ehrenamtlichen Aufgabe, die Kinder, die damals überwiegend aus Russland, Kasachstan und Usbekistan kamen, von der Straße zu holen. „Weg von Stress, Alkohol und Drogen“, erklärt er. „Es hat mir immer sehr viel Spaß gemacht, die verschiedenen Kulturen kennenzulernen“, so Merovci weiter. Gemeinsam mit der Lebenshilfe bot er außerdem Fußballkurse für schwerbehinderte Kinder an. „Es gibt nichts Schöneres, als anderen zu helfen.“

Merovci stoppte Angreifer in Cuxhaven

Anderen zu helfen, ist für Merovci selbstverständlich. Nicht nur im Alltag, sondern auch in Notsituationen wie am vergangenen Sonnabend, als er in der Nordersteinstraße eine Messerattacke vereitelte. „Ich schulde dieser Stadt viel“, betont der 59-Jährige. Mehrmals sollte er, nachdem der Krieg in Jugoslawien beendet war, abgeschoben werden. „Aber damals waren alle für mich da. Parteien, Institutionen, Fußballvereine, Schulen, Kindergärten. Die ganze Stadt war da.“ Eine Petition an den niedersächsischen Landtag verhinderte schließlich die Abschiebung. „Mit einem Bein stand ich schon fast im Flugzeug“, beschreibt er seine damalige Situation.

In seiner alten Heimat Jura studiert

Heute, 30 Jahre nach seiner Flucht, haben Doni Merovci und seine Frau ein unbefristetes Aufenthaltsrecht in Deutschland und sind Eltern von vier Kindern. Seinen 24-jährigen Sohn hat der Dortmund-Fan wohl so sehr mit dem Fußballfieber angesteckt, dass dieser heute als Sportwissenschaftler beim Fußballclub Sankt Pauli arbeitet.

Merovci selbst arbeitet in der Gastronomie, nachdem er lange auf eine Arbeitserlaubnis warten musste. „Ich durfte nur zwischen zwei Berufen wählen: Gastronomie und Reinigung.“ Dabei hatte er in seiner Heimat eigentlich angefangen, Jura zu studieren, bis er das Studium wegen des Krieges abbrechen musste. Doch statt zu hadern, packte er an und baute sich eine neue Existenz auf. Seit 13 Jahren arbeitet er nun im Duhner Restaurant Leuchtfeuer. Beim Quiz mit seinen Arbeitskollegen punktet er aber auch heute noch mit seinem juristischen Wissen, erzählt er und lacht.

„Integration stand für mich immer an erster Stelle“

Arbeiten, auch neben seinen sportlichen Ehrenämtern, war dem 59-Jährigen immer besonders wichtig. „Denn wer nicht arbeitet, hat es schwer, sich zu integrieren“, sagt er. „Und Integration stand für mich immer an erster Stelle.“

An Cuxhaven gebunden, wie während seiner Duldung, ist er längst nicht mehr. Dennoch bleibt Merovci Cuxhaven treu: „Cuxhaven wird immer in meinem Herzen sein. Diese Stadt hat so viel für mich getan.“

Das Fußballspielen hat er inzwischen aufgegeben, weil neben Beruf und Familie (und der Bundesliga) nicht mehr viel Zeit bleibe. Aber seine Leidenschaft wird bleiben: „Wenn ich irgendwann mit der Arbeit aufhöre: Mein Herz wird immer für den Fußball schlagen.“

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