TVom Bauernschreck zum Bauernfreund: Umweltminister stellt sich hinter Protest

Im Dialog: Umweltminister Christian Meyer (Grüne) stellte sich nach der Küstenschutzkonferenz im Kreishaus den protestierenden Landwirten. Foto: Vasel
Umweltminister Christian Meyer hat sich in Stade hinter die Bauern gestellt: Er setze auf Dialog - mit den Landwirten wie beim Niedersächsischen Weg. Die Ampel habe mit ihrem Politikstil der Demokratie geschadet. Er sagte den Bauern einiges zu.
Stade. Der niedersächsische Minister für Umwelt, Energie und Klimaschutz, Christian Meyer (Grüne), hat sich nach der Küstenschutzkonferenz im Kreishaus in Stade den protestierenden Bauern gestellt. Rund 50 Landwirte und Obstbauern demonstrierten, 30 Traktoren standen in Reih und Glied auf dem Platz „Am Sande“.
Volker Peters und Mario Breuer von „Land schafft Verbindung“ (LSV) lobten, dass Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) und Landwirtschaftsministerin Miriam Staudte (Grüne), aber auch der Umweltminister sich beim Streit um die Kürzung beim Agrardiesel auf ihre Seite geschlagen hätten.
Landesregierung suche das Gespräch mit den Landwirten
Meyer unterstrich, dass sich die rot-grüne Koalition in Hannover weiter dem Niedersächsischen Weg verpflichtet fühle. Die Landesregierung entscheide - im Gegensatz zur Ampel in Berlin - nicht, ohne die Bauern und die Umweltverbände Bund und Nabu vorher an einen Tisch geholt zu haben. „Wir reden miteinander. Da geht nichts ins Parlament, was wir vorher zumindest nicht beredet haben“, sagte Meyer. Dass der Bund es nicht einmal für notwendig gehalten habe, mit Obstbauern und Landwirten über die geplanten Mehrbelastungen in Höhe von 920 Millionen Euro durch den Wegfall der Agrardieselvergünstigung (und der zwischenzeitlich zurückgenommenen Streichung der Kfz-Steuerbefreiung) zu sprechen, sei „kein guter Stil“ gewesen.
Umweltminister Meyer (Grüne) kritisiert Ampel
Dass die Fraktionen von SPD, FDP und Grünen im Bundestag am Montag - nach dem öffentlichen Druck infolge der bundesweiten Proteste der Bauern - in den Dialog getreten seien, bezeichnete Meyer letztlich als „peinlich“. Gleichwohl sei die Aufnahme von Gesprächen „als Fortschritt“ zu begrüßen. Für die Demokratie sei der Politikstil der Ampel nicht förderlich. Der Minister kritisierte auch, dass der Bund die Länder nicht einbezogen habe.
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Wer den Agrardiesel streichen wolle, müsse auch eine Kompensation liefern - sprich den Umstieg von fossilen Kraftstoffen auf neue klimafreundliche Antriebe für Traktoren, wie Elektro, fördern. Die technischen Möglichkeiten seien noch nicht ausreichend vorhanden. Meyer forderte ein Ende der Basta-Politik und ein Moratorium beim Agrardiesel. „Im Konsens geht es viel, viel einfacher, eine zukunftsfähige Landwirtschaft zu entwickeln“, sagte Meyer, der vor einigen Jahren noch als „Bauernschreck“ tituliert wurde. Er habe als Minister lernen müssen, dass es im Miteinander - etwa beim Tierwohl - besser gehe.
Im Dialog: Mehr Schutz für die Moore
Die Binnenhochwasser der vergangenen Wochen hätte gezeigt, dass viele landwirtschaftlich bewirtschaftete (ehemalige) Moorflächen unter Wasser standen. Bei weiterer Vernässung würden Flächen entfallen.
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„Ich werde kein Landesgesetz machen, wo irgendjemand verpflichtet wird, Moorflächen zu vernässen“, sagte Meyer. Der Moorschutz werde, wie beim Niedersächsischen Weg, auf Freiwilligkeit und Anreizen basieren. Es gebe sehr gute Beispiele für ökologische Flurbereinigung - unter anderem in Cuxhaven. Eine Potenzialstudie sei in Auftrag gegeben worden, Maßnahmen würden mit Umwelt- und Bauernverbänden „immer im Dialog“ besprochen. Es soll Förderprogramme zur Umwandlung von Acker- in Grünland auf brauchbaren Moor- und Torfflächen mit Bundes- und Landesmitteln geben. Auch die Kombi von Vernässung und Moor-Photovoltaik-Anlagen wäre ein Weg - für den Klimaschutz und als Erwerbsquelle für Landwirte, zugleich würde die Torfzerrung gestoppt. Es gebe noch einige Naturschutzgebiete, die - ohne Inanspruchnahme landwirtschaftlicher Flächen - aufgewertet werden könnten.
Regionales Wolfsmanagement für Niedersachsen
Auch das Thema Wolf brachten die Bauern vor. „Ich habe Angst, dass meine Tiere ausbrechen und auf einer Motorhaube landen“, sagte eine Mutterkuh- und Pferdehalterin. Es könne nicht sein, dass die Tiere nicht mehr auf der Weide, sondern nur noch im Stall gehalten werden könnten. Bei Unfällen wären sie haftbar, die Halter von Pferden, Rindern und Schafen fühlten sich „hilflos“. Im Einzelfall, so Meyer, wäre ein Schnellschuss als Probe möglich - mit dem Landkreis. Gleichwohl rechnet er mit Klagen. Doch dann gebe es Rechtssicherheit.
Niedersachsen habe längst den „guten Erhaltungszustand“ der „atlantischen Wolfspopulation für Niedersachsen feststellen wollen“. Das allerdings sei an Bayern gescheitert. 44 Rudel seien im Norden erforderlich, die gebe es allein in Niedersachsen. Deshalb sei ein Schreiben an die EU-Kommission rausgegangen. Damit könne es zu einem regionalen Wolfsmanagement kommen, das den Wolf allerdings nicht ausrotten werde. Grenzen seien erreicht, insbesondere mit Blick auf den Schutz der Schafe und der Deichunterhaltung. Nabu und Landvolk wolle das Land beim Wolfsmanagement im Boot haben.
Die Bauern, so Meyer abschließend, hätten einiges erreicht. Die Kfz-Steuerbefreiung bleibe, die Streichung der Agrardieselrückvergütung sei gestreckt worden, was auch ihm „nicht reiche“. Doch die demonstrierenden Bauern hätten auch erreicht, dass in Deutschland „wieder über Landwirtschaft diskutiert wird“. Die Bevölkerung stehe hinter den Bauern, so der Minister. Er sprach sich für ein „nationales Bündnis für zukunftsfähige Landwirtschaft“ aus und Abgaben für Verbraucher - wie einer Tierwohlabgabe: „Die Ladentheke hat nicht funktioniert.“
Enormer Zuspruch für die Bauern aus der Bevölkerung
Kreislandwirt Johann Knabbe spricht in einem ersten Fazit der Aktionswoche von einem „enormen Zuspruch aus der Bevölkerung“. Was die Politik betrifft, ist er weiterhin skeptisch: „Ich sehe noch keine Verlässlichkeit.“ Diese müsse jetzt liefern, etwa bei Vorgaben zum Stallbau. Es sei paradox: Für mehr Tierwohl würden Offenställe gefordert, gleichzeitig würde der Bau aufgrund der Emissionen verhindert. Der von Bundesagrarminister Cem Özdemir (Grüne) diskutierten Abgabe auf Fleisch, Milch oder Eier hält er so für nicht zielführend. Es müssten ordentliche Preise an der Kasse gezahlt und Bürokratie abgebaut werden, anstatt neue staatliche Abgaben, auf die sich die Bauern nicht verlassen könnten, einzuführen.
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Der Vorsitzende der Bundesfachgruppe Obstbau, Jens Stechmann, sieht in der Ankündigung von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Ampel, insbesondere von Cem Özdemir, in einen Dialog treten zu wollen, einen Erfolg der Proteste. Der Geschäftsführer der Bundesfachgruppe Obstbau, Joerg Hilbers, hofft, dass Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP), in Gesprächen mit dem Bauernverband die Risikoausgleichsrücklage durchsetzt. Die Idee: In guten Jahren können Bauern einen Teil der Gewinne steuerfrei parken, um nach Ernterückgängen durch Klimawandelfolgen wie Starkregen, Dürre oder Hagel, aber auch Alternanz, schlechte Jahre besser überstehen zu können. Hilbers: „Wir hoffen, dass der Dialog - nach den Protesten - auch Früchte trägt.“