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Faustball

TVom Farmkind in Namibia zum Nationalspieler: Der Weg eines Buxtehuders

Teamfoto der südwestafrikanischen Nationalmannschaft bei der WM 1982. Olaf Boeckmann steht und ist der Zweite von rechts.

Teamfoto der südwestafrikanischen Nationalmannschaft bei der WM 1982. Olaf Boeckmann steht und ist der Zweite von rechts. Foto: Meyerhoff (nomo)

Vom Faustball-Nationalspieler in Namibia zum Unternehmer in Buxtehude: Olaf Boeckmanns Geschichte über Heimat, Sport und Liebe.

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Von Lars Wertgen
Dienstag, 19.11.2024, 15:00 Uhr

Buxtehude. Olaf Boeckmann sitzt auf der Bank des Sportplatzes des SV Ruschwedel und erzählt seine Geschichte. Hier hat der 60-Jährige seine faustballerische Heimat gefunden, feierte zwei deutsche Meisterschaften. Der Rasenplatz Am Steinbeck existierte schon, als Boeckmann noch ein Kind ist - und 9000 Kilometer entfernt lebt.

1969 wandern seine Eltern nach Südwestafrika aus, dem heutigen Namibia, einer ehemaligen deutschen Kolonie. Boeckmanns Mutter übernimmt das Erbe ihrer verstorbenen Pflegeeltern. Das System hatte sie als Kind nach Afrika gebracht, nachdem ihre leiblichen Eltern im Zweiten Weltkrieg gefallen waren.

In Swakopmund besitzt sie eine Apotheke und ein Schuhgeschäft. Boeckmanns Vater, ein Molkereimeister, kauft eine zehn Hektar große Farm und betreibt Milchwirtschaft. „Dort bin ich mit meinen beiden Schwestern aufgewachsen“, sagt Boeckmann, damals viereinhalb Jahre alt.

Zu seinem Freundeskreis gehören die Kinder der einheimischen Arbeiter auf der Farm. „Die Sprache war anfangs sehr schwierig“, erinnert sich Boeckmann, der schließlich mehrsprachig aufwächst. Er lernt die Sprachen der Damara und Herero, spricht bis heute Deutsch, Englisch und Afrikaans.

Zunächst besucht er eine deutsche Privatschule, 180 Kilometer entfernt. „Wegen der langen Fahrten schickten uns meine Eltern später auf eine näher gelegene englisch-afrikanische Schule“, erzählt Boeckmann. „Dort waren alle Kulturen vertreten“, sagt er.

Vom Freizeit-Faustballer zum Nationalspieler

In Namibia sind Leichtathletik und Fußball beliebt. Der junge Olaf Boeckmann kickt oft. Mit 17 nimmt ihn sein Vater zu Freunden mit, die in ihrer Freizeit Faustball spielen, eine aus Deutschland importierte Sportart.

Olaf Boeckmann spielt mittlerweile erfolgreich für den SV Ruschwedel.

Olaf Boeckmann spielt mittlerweile erfolgreich für den SV Ruschwedel. Foto: Wertgen

Schnell zeigt sich Boeckmanns Talent. Er tritt einem Verein bei. „Dort haben sie mich gleich voll eingespannt.“ Zwei Jahre später, im Sommer 1982, steht er im Kader von Südwestafrika für die Faustball-WM. „In der Nationalmannschaft waren fast nur Deutsche, selten ein Engländer oder Afrikaner“, sagt Boeckmann, der keinen namibischen Pass hat.

WM im „eigenen“ Land

Die Weltmeisterschaft findet in Hannover statt. Boeckmann reist erstmals zurück in seine alte Heimat, er ist in der Nähe von Hannover geboren. „Das war ein Wow-Effekt“, sagt er, der Deutschland nur aus dem Fernsehen kennt. „Ich wusste, was mich erwartet, aber es real zu sehen, ist anders.“ Er meint weniger technische Dinge wie eine Musikbox, die es auch in Afrika gibt.

Neu sind die vielen Menschen auf engem Raum. Namibia ist flächenmäßig etwa doppelt so groß wie Deutschland, hat 1982 aber nur etwas mehr als eine Million Einwohner. „In Namibia sind wir für ein Spiel auch mal 400 Kilometer gefahren“, erklärt Boeckmann. Deutschland hat im selben Jahr 78 Millionen Einwohner.

Für Olaf Boeckmann (ganz links) war die WM besonders - sportlich und weil er in eine andere Welt eintauchte.

Für Olaf Boeckmann (ganz links) war die WM besonders - sportlich und weil er in eine andere Welt eintauchte. Foto: Meyerhoff (nomo)

Wiedersehen mit der Familie

Boeckmann besucht Verwandte, darunter Oma, Opa, Onkel und Cousinen. „Wir hatten vorher nur telefonischen Kontakt“, sagt er. Die ersten WM-Spiele finden für die Südwestafrikaner in Stelle im Kreis Harburg statt. Das letzte Gruppenspiel steigt in Hannover im Niedersachsenstadion.

Gegen Österreich hat das Team keine Chance. „Das war trotzdem mein bestes Spiel.“ Die Zuschauer beflügeln ihn. „Es fühlte sich an, als wären 20.000 Leute im Stadion - etwas erdrückend, aber ein tolles Gefühl.“ Tatsächlich sind es wohl 2000.

Südwestafrika beendet das Turnier als Vorletzter. Deutschland wird Weltmeister. „Die waren für uns wie Stars“, sagt Boeckmann. Kontakt hatten er und seine Mitspieler aber eher zu den Brasilianern.

Mit kaputtem VW beginnt große Liebe

Zurück in Namibia zieht es Boeckmann nach Südafrika. Er lernt Motoreninstandsetzung, geht zur südafrikanischen Armee und macht sich anscheinend einen Namen. Als eine junge Friseurin aus Buxtehude in Südafrika mit ihrem VW-Käfer liegen bleibt, wird ihr Olaf Boeckmann empfohlen. Er könne den Wagen reparieren.

Es bleibt nicht beim Werkstattbesuch. Nach Disco- und Grillabenden zeigt er ihr seine Heimat - Namibia. Ab 1989 zeigt sie ihm ihre Heimat - Buxtehude. Sie bleiben und heiraten. Heute haben sie zwei erwachsene Töchter und er führt das Unternehmen „Motoren Recht und Boeckmann“.

Sein Herz schlägt bis heute im afrikanischen Rhythmus. Immer wieder zieht es die Boeckmanns nach Namibia. „Für meinen Geschmack zu selten“, sagt er. Sie überlegen, zumindest die kalte Jahreszeit im warmen Afrika zu verbringen, wo bis heute sein Vater und eine seiner Schwestern leben.

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