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Schicksal

TVom Gejagten zum Gefragten: Die Geschichte eines Aufsteigers

Rudi Bloch ist Unternehmer in Bremerhaven und betreibt ein kleines Ladenlokal in der Hafenstraße. Er kümmert sich um Haushaltsauflösungen und Entrümpelungen.

Rudi Bloch ist Unternehmer in Bremerhaven und betreibt ein kleines Ladenlokal in der Hafenstraße. Er kümmert sich um Haushaltsauflösungen und Entrümpelungen. Foto: Max Bechmann

Eine schwere Zeit als Heimkind und Suchtprobleme prägten sein halbes Leben. Wie Rudi Bloch es schaffte, seine Vergangenheit hinter sich zu lassen und ein neues Kapitel aufzuschlagen.

Von Max Bechmann Samstag, 22.03.2025, 08:00 Uhr

Bremerhaven. Mit einem freundlichen Lächeln und einer heißen Tasse Kaffee in der Hand öffnet Rudi Bloch die Seitentür zu seinem kleinen Geschäft. Er sortiert ein paar neue Fundstücke in seine Regale und wirft einen Blick in seinen Terminkalender.

Der 61-jährige Bremerhavener ist Experte für Umzüge, Haushaltsauflösungen und Wohnungsräumungen und betreibt einen kleinen Laden in der Hafenstraße. Es ist ein Ort voller Erinnerungen - auch an seine eigene bewegende Lebensgeschichte.

Rudi Bloch: Eine Kindheit voller Entbehrungen

Rudi Bloch, geboren 1964, erlebte eine Kindheit voller Schmerz und Vernachlässigung. Schon als Neugeborenes landete er in einem Säuglingsheim, wurde danach in Kinderheimen und Pflegefamilien untergebracht.

Dunkle Zeiten prägten das Leben von Rudi Bloch. Aber er hat seinen Weg gefunden.

Dunkle Zeiten prägten das Leben von Rudi Bloch. Aber er hat seinen Weg gefunden. Foto: Max Bechmann

Irgendwann holte ihn seine leibliche Mutter zu sich. Sie hatte zwar noch immer das Sorgerecht – „aber keine Liebe und Fürsorge für mich“, sagt Bloch. Die Zeit bei ihr hinterließ tiefe Wunden: „Ich musste hungern, trug zerrissene Kleider. In der Schule aß ich die weggeworfenen Pausenbrote anderer Kinder und sammelte Kleingeld aus Telefonzellen, um mir etwas zu essen zu kaufen“, erinnert sich der 61-Jährige.

Sucht und Absturz: Wie Alkohol das Leben von Rudi Bloch bestimmte

Nach etwa einem Jahr griff das Jugendamt erneut ein, brachte ihn wieder in einem Heim unter. Seelisch gebrochen ging er täglich zur Schule: „Aber sowohl Lehrer als auch die Mitschüler machten mir das Leben schwer“. Mit gerade einmal neun Jahren dachte Rudi daran, sich das Leben zu nehmen. Doch anstatt aufzugeben, kämpfte er weiter – immer auf der Suche nach einem Ausweg.

Rudi Bloch sortiert in seinem Ladenlokal die Fundstücke. Für ihn hat sich ein Traum erfüllt.

Rudi Bloch sortiert in seinem Ladenlokal die Fundstücke. Für ihn hat sich ein Traum erfüllt. Foto: Max Bechmann

Rudi machte den Realschulabschluss und fand Trost und Ablenkung im Fußball. Sein Wille sei stark gewesen, aber das reichte nicht aus, um sich gegen andere durchzusetzen. Seine Scham, ein Heimkind zu sein und sein Selbstmitleid führten zur Flucht in den Alkohol. Er begann zu trinken, um seine Sorgen zu vergessen. Alkohol wurde für ihn der einzige Trost: „In meiner Hochphase habe ich 30 Flaschen Bier am Abend getrunken und zusätzlich geraucht“, sagt Bloch.

Lohnarbeit und Montagejobs in Deutschland und Schweiz

Trotz seiner wachsenden Sucht hatte er aber immer den Wunsch, zu arbeiten. Er absolvierte eine Ausbildung zum Maschinenschlosser in der Rickmers-Werft, die 1986 jedoch Insolvenz anmelden musste.

Als junger Mann flüchtete Bloch vor dem Wehrdienst und lebte bis nach der Wiedervereinigung 1989 in Berlin. Als Lohnarbeiter und Monteur arbeitete er währenddessen in ganz Deutschland und der Schweiz. Seine Alkohol- und Drogensucht war dabei sein ständiger Begleiter.

Nach der Jahrtausendwende zog es ihn wieder in die alte Heimat. Er war mit seiner Arbeit nicht mehr glücklich und fand einen Job bei Airbus. Er lebte einige Zeit in Nordenham, bevor er zurück nach Bremerhaven ging. Rudi Bloch hielt sich mit verschiedenen Jobs über Wasser, vor allem, um seinen Alkoholkonsum zu finanzieren. Doch dann geschah etwas, das alles verändern sollte.

Neuanfang in Bremerhaven: Rudi Blochs Weg zur Selbstständigkeit

Der Wendepunkt in seinem Leben als Alkoholiker sei eine Verkehrskontrolle gewesen. „Ich hatte bis in die Nacht getrunken und bestimmt einige Promille Restalkohol“, so Bloch. Der Polizist habe aber ein „Auge zugedrückt“ und ihn weiterfahren lassen, damit Bloch seine Arbeit nicht verliere.

Dieses Ereignis brachte ihn zum Nachdenken: „Ich bin mit einem blauen Auge davongekommen. Aber in so eine Situation wollte ich nie wieder kommen.“

Als kleiner Junge wollte ich schon immer ein kleines Geschäft haben.

Rudi Bloch

Der Wille zur Veränderung wuchs, und mit 42 Jahren wagte er den ersten Schritt und begann eine Suchttherapie. Trotz der schweren Zeit des „Trockenwerdens“ blieb er standhaft und arbeitet weiter an sich.

Vom Hilfsfahrer zur erfolgreichen Selbstständigkeit

Die Entscheidung, sich beruflich neu zu orientieren, kam fast zeitgleich: Der Beruf als Maschinenschlosser belastete ihn sehr. Auch, weil er nach getaner Arbeit stets getrunken hatte. Sein Glück: Auch ein Therapeut, den er auf Wunsch des Arbeitsamtes besuchte, erkannte, dass Bloch als Maschinenschlosser nicht mehr vermittelbar war. Das war die letzte Hürde zu seinem heutigen Traumberuf.

Über eine Selbsthilfegruppe kam er zum „Paul-Projekt“ der Arbeiterwohlfahrt Bremerhaven (AWO), wo er als Fahrer für gespendete Möbel tätig war. Hier erkannte er schnell seine Chance: Da viele alte Möbel nicht angenommen werden konnten, bot Rudi an, unabhängige Umzüge und Entrümpelungen durchzuführen. Die AWO unterstützte dieses Engagement.

Rudi Bloch hat seinem Leben eine neue Wendung gegeben und ist glücklich.

Rudi Bloch hat seinem Leben eine neue Wendung gegeben und ist glücklich. Foto: Max Bechmann

„Nach einem Jahr für die AWO entschloss ich mich, diese Marktlücke zu schließen“, sagt Rudi Bloch. Im Juli 2010 machte er sich dann mit seinem eigenen Unternehmen selbstständig. Seinen Gewinn investierte er immer wieder in neue Geräte und Fahrzeuge – und nicht in Alkohol.

Heute ist der 61-jährige Rudi Bloch erfolgreicher Unternehmer mit fünf Angestellten, acht Fahrzeugen und langjähriges Mitglied des BNI (Business Network International).

„Wir benötigen gar keine Werbung, unsere Firma läuft alleine durch Empfehlungen. Und die Auftragsbücher sind voll“, sagt Rudis Ehefrau Anja.

Mit Entschlossenheit und Zielen zum Erfolg

Seit seiner Entscheidung, seinem Leben eine neue Wendung zu geben, hat er keinen Tropfen Alkohol getrunken. Seine Heimatliebe und der Wille nach Veränderung gaben ihm Kraft. „Als kleiner Junge wollte ich immer ein kleines Geschäft haben – das habe ich ständig vor Augen gehabt und nun erreicht“, sagt Bloch voller Stolz, aber auch Demut. Ziele zu setzen, sei dafür unverzichtbar.

„Ich habe mich damals oft gefragt, was ich noch vom Leben erwarte?“ Und da war noch etwas: ehrlich mit sich selbst zu sein und die Hoffnung niemals aufzugeben. (fk)

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