TVom Volkssturm zur Feuerwehrlegende: Ein Immenbecker Original erzählt

Die Wettkampfmannschaft der Feuerwehr Immenbeck 1952 in Jesteburg (Landkreis Harburg). Ganz rechts steht der junge Gerhard Bösch. Foto: Freiwillige Feuerwehr Immenbeck
Gerhard Bösch erlebte das Ende des Zweiten Weltkriegs ebenso wie die große Sturmflut - und persönliche Schicksalsschläge. Das ist die Geschichte des Feuerwehrmanns aus Immenbeck.
Buxtehude. Mit seinen 94 Jahren ist Gerhard Bösch nach eigenen Angaben der älteste der rund 1000 Einwohner der Buxtehuder Ortschaft Immenbeck. Seit 75 Jahren gehört der gelernte Schuhmacher der freiwilligen Feuerwehr des Ortes an, die sein Vater Heinrich 1904 mitbegründet hat. Der Landesfeuerwehrverband hat Gerhard Bösch für langjährige Mitgliedschaft geehrt. Das ist der Anlass, auf ein bewegtes Leben zurückzublicken.
Krankenwagen nach Herzinfarkt? Will er nicht!
Unverwüstlich ist Gerhard Bösch. Wie sehr, zeigt eine Episode aus dem Jahr 1982. Nach einem plötzlichen Schwächeanfall, der ihn am Arbeitsplatz unvermittelt zu Boden riss, fuhr der damalige Bundesbahnmitarbeiter im Eilzug nach Hause.
Der Begriff Eilzug täuscht etwas, denn der Bummelzug bediente jede Station. Krankenwagen? Wollte Bösch nicht. Denn der Skiurlaub mit seiner Frau Käte im Erzgebirge stand unmittelbar bevor. Sein Hausarzt schickte ihn stattdessen ins Krankenhaus. Diagnose: Herzinfarkt.
Zeitgeschichte
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Anschließend habe die Deutsche Bahn keinen Platz für ihn gehabt. Zuletzt sei er auf dem Fernbahnsteig am Hamburger Hauptbahnhof tätig gewesen. Berufsunfähig in Pension - das war nichts für Gerhard Bösch.
„Mit fiel fast die Decke auf den Kopf.“ Arbeitsunfähig sei er ja nicht gewesen, betont er. Also heuerte Bösch im damaligen Buxtehuder Werk des Limonaden-Herstellers Schweppes an. Wieder riss es Bösch aus dem Arbeitsleben - dieses Mal endgültig. Ein Gabelstapler traf ihn bei einem Arbeitsunfall schwer an den Beinen.

Gerhard Bösch (94) zeigt das Abzeichen des Landesfeuerwehrverbandes Niedersachsen für 75 Jahre Mitgliedschaft in der Freiwilligen Feuerwehr Immenbeck. Foto: Sulzyc
Der Schützenverein ist seine Leidenschaft
Zu tun hatte Gerhard Bösch trotzdem immer, bis heute. Dreimal im Jahr trifft er frühere Feuerwehrkameraden. Der Gesprächsstoff dabei: „Was so täglich im Dorf passiert und die hohe Politik.“ Bis heute ist Gerhard Bösch aktiver Schütze im Schützenverein Ovelgönne. Sogar Schützenkönig ist er in der Saison 1988/1989 gewesen.
Seit dem 1. Juli 1947 gehört der HSV-Fan dem TSV Eintracht Immenbeck an. „Wir waren junge Burschen, wollten Fußball spielen“, nennt Gerhard Bösch den Grund, in den Sportverein einzutreten. Als gelernter Schuhmacher besaß er die Fähigkeit, verschlissene Lederfußbälle zu reparieren.
Mit fiel fast die Decke auf den Kopf
Gerhard Bösch
Ein Kampfeinsatz im Zweiten Weltkrieg blieb Gerhard Bösch erspart. In den Volkssturm, das letzte Aufgebot des NS-Regimes, wurde der 16 Jahre alte Junge zwar eingezogen und in den Nachbardörfern Elstorf oder Daerstorf ist es zu Kämpfen zwischen britischen und deutschen Truppen gekommen - Immenbeck und damit Gerhard Bösch blieben verschont.
Er erinnert sich noch an den Tag im April 1945, als eine junge Frau ihm entgegenkam und rief: „Gerd, die Engländer sind da. Alle sollen die Waffen abgeben.“
Nach Kriegsende Schnaps gebrannt
Nach Kriegsende habe ein zerschossener britischer Panzer nahe dem heutigen Gewerbegebiet Alter Postweg gestanden. Gerhard Bösch baute eine Kupferleitung aus - als Bauteil einer Destille. „Wir haben aus Zuckerrüben und Kartoffeln Schnaps gebrannt“, sagt er und schmunzelt.
Noch auf andere Weise brachte sich der junge Mann in die Dorfgemeinschaft ein: Gerhard Bösch trat 1949 der Feuerwehr in Immenbeck bei. Damals zogen Pferde die Spritze. Löschschläuche waren aus Hanf gefertigt, das Bauern anbauten. Nach Brandeinsätzen hing die Feuerwehr die nassen Schläuche zum Trocknen im Kuhstall auf dem Gut Immenbeck auf. „Weil Kühe viel Wärme spendeten“, erklärt Bösch.
Sturmflut 1962: Tiere im Wasser gesucht
Als die schwere Sturmflut in der Nacht vom 16. auf den 17. Februar 1962 über Hamburg und das Umland hereinbrach, schob Bösch Dienst auf dem damaligen Bahnhof Unterelbe. „Läuft bei dir das Wasser über die Gleise?“, fragte ein Kollege am Telefon. Lokomotiven brachten vor der Flut Geflüchtete aus Moorburg.
Nach Immenbeck zurückgekehrt, suchten Bösch und andere Feuerwehrleute am Morgen nach der Sturmflut entlang des Bahndamms mit dem Trecker nach Tieren, die im Wasser zu ertrinken drohten. Einige Rinder hätten sie entdeckt - aber zu weit entfernt, um mit dem Schlepper zu ihnen zu gelangen.
An den Löscharbeiten während des großen Brandes in der Buxtehuder Altstadt an Heiligabend 1980 war Gerhard Bösch nicht beteiligt - er hatte Nachtdienst bei der Bahn. Am darauffolgenden Morgen meldete er sich bei der Feuerwehr. „Ich hielt mich für den Fall bereit, sollte das Feuer wieder aufflammen.“ Löschen musste er aber nicht.
Zusammen mit seiner Frau Käte (90) lebt Gerhard Bösch heute im eigenen Haus in Immenbeck. Aus erster Ehe seiner Ehefrau stammt der Sohn Uwe, der 2002 verstorben ist. Die gemeinsame Tochter Petra lebt heute in Estebrügge.