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Medizinermangel

TVon der Hauptschülerin zur Landärztin – und das als dreifache Mutter

Baby Theo ist gerade einmal einen Monat alt. Es ist das dritte Kind für Annika Bölke.

Baby Theo ist gerade einmal einen Monat alt. Es ist das dritte Kind für Annika Bölke. Foto: Laue

Was im ersten Moment beinahe unmöglich erscheint, will Annika Bölke schaffen. Wie es der 35-Jährigen nach der ersten Berichterstattung im TAGEBLATT erging.

Von Lars Laue Samstag, 04.01.2025, 20:00 Uhr

Oldenburg. Nach einer schwierigen Kindheit, in der Schule meist Nebensache gewesen sei, holt die gebürtige Bremerin ihr Abitur nach und bekommt über die Landarztquote in Niedersachsen die Chance auf einen Medizin-Studienplatz. Zwischen Panik und Freude habe sie sich bewegt, als vor gut einem Jahr aus Oldenburg die lang ersehnte Zusage fürs Medizin-Studium kam. Da war sie bereits zweifache Mutter, hatte als Pflegehelferin in einem Altenheim gearbeitet, sich zur Rettungssanitäterin fortgebildet und eine dreijährige Ausbildung zur Anästhesieschwester absolviert.

Prüfungen und Familie: „Das ist manchmal echt hart“

Mittlerweile steckt Annika Bölke im dritten Semester, hat alle bisherigen Prüfungen bestanden – und zwischenzeitlich ihr drittes Kind bekommen. Theo ist gerade einmal einen Monat alt, ihre beiden anderen Kinder sind zwei und vier. Wie sie das macht? „Manchmal weiß ich es auch nicht genau, es ist echt Hardcore“, gesteht Annika Bölke und spricht von Momenten, in denen sie immer mal wieder an ihre Grenzen gerate.

Die Prüfungen habe sie zwar alle bestanden, aber sie sei eben auch keine Top-Studentin mit lauter Einsen. Auch denke sie hin und wieder, ihren Kindern und ihrem Mann nicht gerecht werden zu können. Gehe es etwa zum Laternelaufen, könne sie nicht mit, weil sie sich stattdessen auf den menschlichen Stoffwechsel und den Bewegungsapparat konzentrieren und auf die nächste Prüfung vorbereiten müsse. „Das ist manchmal echt hart“, sagt sie, aber ans Aufhören denke sie „ganz sicher nicht“.

„Ich habe es bis ins Studium geschafft, jetzt ziehe ich das auch durch“, gibt die dreifache Mutter sich entschlossen, in einigen Jahren als Landärztin praktizieren zu können. Wenn alles glatt läuft, ist sie im März 2029 mit dem Studium durch. Dann schließt sich ein Klinikjahr an, welches sie am liebsten in Twistringen Landkreis Diepholz) absolvieren möchte. Dort soll bis zum Jahr 2028 eine hochmoderne Zentralklinik mit 340 Betten entstehen.

Traum von der Hausärztin im Bremer Umland

Warum gerade Twistringen? „Weil das nur eine gute Viertelstunde entfernt von Schwaförden ist“, erklärt Annika Bölke. In der kleinen Gemeinde hatten sie und ihr Mann sich vor einigen Jahren ein, wie sie sagt, günstiges Grundstück gesichert, auf dem sie demnächst bauen wollen. Das sei auch nötig, denn ihr jetziges Haus im Norden Bremens sei mit seinen 89 Quadratmetern zu klein für die mittlerweile fünfköpfige Familie.

„Mein Traum ist es, später an unserem künftigen Wohnort als Hausärztin zu arbeiten“, sagt Annika Bölke. Ein Praktikum bei einem Hausarzt habe sie erst kürzlich wieder in ihrem Berufswunsch bestärkt: „Das ist genau das Richtige für mich.“

Zuhause lernt sie auch mal mit Schallschutz-Kopfhörern

Bis dahin hat sie noch etliche Vorlesungen, Prüfungen und Praktika vor sich. Ihr Mann unterstütze sie so gut es gehe. „Wenn ich zu Hause lernen muss, ist er mit den Kindern unterwegs. Wir haben Dauerkarten fürs Klimahaus in Bremerhaven und fürs Universum in Bremen“, verrät Bölke. Und wenn alle zu Hause sind, setze sie sich beim Lernen Schallschutz-Kopfhörer auf, denn Rückzugsmöglichkeiten gibt es in dem Haus in Bremen-Nord nicht.

Auch habe ihr Mann Daniel (32) seine Tätigkeit als Versicherungskaufmann an den Nagel gehängt und eine Ausbildung zum Rettungssanitäter absolviert. Sie habe ihm dabei ein wenig geholfen, sagt die angehende Ärztin Annika Bölke, profitiere nun aber auch von den neuen Arbeitszeiten ihres Mannes. „Er macht zweimal die Woche zwei 24-Stunden-Schichten und ist ansonsten zu Hause. Das hilft uns ungemein.“

Sonst wäre das Pensum wohl nicht zu schaffen und Aufgeben ist für eine ehrgeizige Frau wie Annika Bölke keine Option. „Wenn ich mir etwas in den Kopf gesetzt habe, ziehe ich es auch durch“, stellt sie entschlossen klar. Nach ein paar ruhigen Weihnachtstage mit ihren Lieben geht der Trubel nächstes Jahr weiter. (oer)

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