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Kindesentführung

TVor 50 Jahren: Spektakulärer Entführungsfall endet in Himmelpforten

Mit der Festnahme des 26-jährigen Schweizers Marcel G. ging im November 1973 ein spektakulärer Entführungsfall zu Ende.

Mit der Festnahme des 26-jährigen Schweizers Marcel G. ging im November 1973 ein spektakulärer Entführungsfall zu Ende. Foto: CN/NEZ-Archiv

Vor 50 Jahren verschleppte ein Entführer den siebenjährigen Sohn des Cuxhavener Karstadt-Geschäftsführers Klaus-Günter Stange und verlangte ein Lösegeld von 80.000 D-Mark. Die spektakuläre Entführung fand schließlich in Himmelpforten ihr Ende.

Von Christian Mangels Mittwoch, 15.11.2023, 11:56 Uhr

Cuxhaven. Die Tat ereignete sich am späten Nachmittag des 15. November 1973. Unter einem Vorwand verschaffte sich der 26-jährige Schweizer Marcel G. Zugang zu der Wohnung des Karstadt-Geschäftsführers Klaus-Günter Stange am Brockesweg. Er bedrohte die Frau des 36-jährigen Geschäftsführers mit einer Waffe, fesselte den siebenjährigen Sohn Michael und führte den Jungen aus dem Haus.

Telefonisch verlangte der Täter, ein arbeitsloser Planungszeichner aus dem Kanton Bern, von dem Vater des Jungen ein Lösegeld von 80.000 D-Mark, von denen Klaus-Günter Stange in der kurzen, ihm zur Verfügung stehenden Zeit jedoch nur 18.000 Mark auftreiben konnte.

Der erste Übergabetermin scheiterte, weil sich Stange um eine halbe Stunde verspätete. Auch die zweite Geldübergabe schlug fehl, da die von Anfang an eingeschaltete Polizei eingriff. Die Geldtasche blieb liegen. Den fliehenden Entführer versuchten die Polizisten bei der „Schinkenkate“ mit Schüssen zu stoppen. Dabei wurden zwei Beamte - vermutlich durch verirrte Kugeln - verletzt.

Fahndung nach dem Entführer wurde ausgeweitet

Daraufhin wurde die Fahndung nach dem Entführer ausgeweitet. Zu den Cuxhavener Polizeikräften stießen Bremerhavener Polizeibeamte, die Feuerwehren der Stadt, Soldaten der Bundeswehr und Helfer des Deutschen Roten Kreuzes. Die Altenwalder Schule wurde zur Einsatzzentrale umfunktioniert. Von dort aus leitete Kriminaloberrat Willner, Chef der Kripo im Regierungsbezirk Stade, die groß angelegte Suchaktion.

Die Einsatzkräfte suchten - in Gruppen aufgeteilt - mit Spürhunden das ganze Waldgebiet um Altenwalde herum ab. Später wurde auch das Karstadt-Kaufhaus durchsucht, weil es Hinweise dafür gegeben hatte, dass der Entführer den siebenjährigen Jungen dort irgendwo versteckt hielt.

In der Nacht zu Freitag vereinbarte Marcel G. mit dem Vater des entführten Jungen einen neuen Termin: An der Cuxhavener Post sollte Stange das Lösegeld übergeben und später seinen Sohn zurückerhalten. Doch das Entführungsdrama ging weiter. Der Täter, der mit einer Spielzeugpistole bewaffnet war, setzte sich ans Steuer von Stanges Auto und fuhr mit dem Karstadt-Geschäftsführer in Richtung Stade. Polizeiwagen verfolgten ihn.

Polizisten schnappen den Entführer in Himmelpforten

Bei Himmelpforten lenkte Marcel G. den Wagen in eine Sackgasse und saß in der Falle. Während sich die Polizei dem Fahrzeug näherte, konnte Stange den Täter in einem günstigen Moment überwältigen und schlug ihm die Plastikpistole aus der Hand. Polizisten rissen die Wagentür auf und nahmen den Schweizer fest. Der siebenjährige Junge wurde wenig später wohlbehalten in der Altenwalder Unterkunft des Entführers gefunden. Er befand sich zehn Stunden in der Gewalt des Schweizers. Die Polizei sprach später von einem „dilettantischen Alleintäter“.

Der siebenjährige Junge überstand die Entführung unversehrt. Ein nach seiner Befreiung herbeigerufener Arzt bescheinigte dem Jungen: „Gesund, aber müde“.

Die Gerichtsverhandlung fand im September 1974 statt: Marcel G. machte zunächst Erinnerungslücken geltend, legte dann aber ein volles Geständnis ab. Erhebliche Geldprobleme hatten ihn zur Tat getrieben. Sechs Jahre Freiheitsentzug lautete das Urteil der Zweiten Strafkammer des Landgerichts Stade.

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