TWährend der Bauernproteste: Das passiert auf den Höfen

Milchbauer Sven von Glahn Foto: Hansen
Sven von Glahn ist Milchbauer. Normalerweise kümmert er sich um seine Kühe und seinen Acker. Momentan aber läuft nichts normal. Den ganzen Tag hängt er derzeit am Handy, organisiert die Protestaktionen. Und wer erledigt die Arbeit auf dem Hof?
Debstedt. Die gute Seele des Betriebs ist 73 Jahre alt. Jeden Morgen um 6 Uhr geht Christa von Glahn in den Stall und melkt die Kühe. Und abends um 17 Uhr erneut. Die Altenteilerin macht das seit 60 Jahren, wie sie erzählt. In dieser Woche war sie noch öfter im Stall im Einsatz. „Der ganze Protest funktioniert nur, weil wir unseren Jungs den Rücken freihalten“, sagt die Debstedterin und lächelt.
Seit Montag herrscht eben Ausnahmezustand. Nicht nur für Pendler, die Stunden zur Arbeit brauchten, für Schüler, die nicht zur Schule kamen, und Hafenbetriebe, deren Abfertigung der Containerriesen unter den Blockaden litt. Auch auf den Höfen. Die Bauern bringen ihren Frust über die Pläne der Ampel-Koalition, die Vergünstigung beim Agrardiesel zu streichen, auf die Straße. Sie blockieren Autobahnzufahrten, formieren in den Städten Schlepper-Korsos, sind nahezu jeden Tag unterwegs, um auf ihre Misere aufmerksam zu machen.

Die Altenteiler Günther und Christa von Glahn, hier mit den beiden Enkeln Henk (8) und Elli (5), springen ein, wenn ihr Sohn wegen der Bauernproteste keine Zeit zum Füttern hat. Foto: Hansen
Wen die Bauern zu den Blockaden schickten
Manche Bauern hätten all ihre Mitarbeiter zu den Blockaden geschickt und seien selbst zu Hause geblieben, erzählt Sven von Glahn. Er selbst konnte das nicht. Denn die Blockadeaktion an der Autobahn-Anschlussstelle Debstedt lag in seiner Hand. Von halb vier Uhr morgens bis abends um 20 Uhr blockierten gut 50 Landwirte unter seiner Regie die Autobahnabfahrt. Die Arbeit zu Hause haben derweil seine Eltern erledigt. Christa und Günther von Glahn, 73 und 74 Jahre alt, haben zusammen mit der 520-Euro-Kraft die 100 Kühe im Stall gemolken, die Kälber und das Jungvieh gefüttert.
„Im Sommer könnten wir solch ein Spektakel nicht veranstalten“, ist der Milchbauer aus Debstedt ehrlich. In den Sommermonaten warte auf den Feldern schlicht zu viel Arbeit. Der Aktivist von „Land schafft Verbindung“ (LsV) bestätigt die Unkenrufe, die in dieser Woche durchs Netz geistern. Wenn die Ampel-Koalition in Berlin ihre Streichungspläne nicht ausgerechnet im nassen Winter verkündet hätte, hätte sie auch nicht so viel Protest geerntet, sind sich viele User einig.
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Ruhe am Freitag
Auch wenn WhatsApp-Sprachnachrichten viral gingen und eine Hammer-Blockade ankündigten, ist es im Landkreis am Freitagmorgen bislang ruhig. Landwirte hatten die Nachrichten ohnehin als „Fake-News“ eingeordnet.
In den Morgenstunden waren nur wenige Trecker zu sehen, so Rainer Bohmbach von der Polizei Stade. Diese zeigten wohl mehr Präsenz als zu blockieren. Stattdessen laden Landwirte vielerorts zu Gesprächen wie etwa in Burweg (ganztägig seit 9 Uhr) oder am Nachmittag in Hammah.
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„Wir haben erreicht, was wir wollten“
Der Grund, warum die Landwirte es plötzlich deutlich ruhiger angehen lassen: „Wir haben erreicht, was wir wollten, wir haben die Aufmerksamkeit für unsere Probleme bekommen“, findet Horst Meyer („Land schafft Verbindung“). Mit Christian Lohmeyer sei am Donnerstagabend sogar ein LsV-Sprecher in die Fernseh-Talkshow von Markus Lanz eingeladen worden. „Jetzt muss das Ganze in der Politik seine Wirkung entfalten. Das dauert ein wenig“, sagt Meyer.